Prolog 4

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Das Jahr neigte sich dem Ende zu. Das Wetter begann kühler zu werden, und die Mittagshitze wurde erträglich, ohne dass man sich im Wasser abkühlen musste. Die Früchte der Bäume waren schon lange geerntet und es begann das ein oder andere Mal zu regnen. Noa fand, dass Regen etwas Tolles war. Sie liebte Wasser und wenn es von oben kam, war es noch nicht einmal salzig und man konnte mit dem Mund versuchen die einzelnen Tropfen aufzufangen. Den Großteil des Jahres regnete es gar nicht und der erste Regen war vor allem ein Zeichen dafür, dass bald eines der größten Feste in Alura stattfinden würde. Das Weiha-Fest war ganz besonders, denn es wurde mehrere Tage lang nicht gearbeitet und große Festessen zubereitet. Bei Thes lernten sie jetzt wie jedes Jahr die alte Geschichte der Geburt von Jesu. Damals hatte es einen großen, hellen Stern am Himmel gegeben, symbolisch wurde dafür auf dem nahen Berg, nicht weit von Lies Hütte ein großes Feuer entfacht, dass man auch im Dorf noch bestaunen konnte. Lie selbst nahm nicht an der Feier teil, auch wenn Noa jedes Mal versuchte, ihn zu überreden. Das Fest begann mit einer langen Zeremonie, bei der viel gesungen wurde. Sie selbst sang nur leise, da sie nie die richtigen Töne traf und sich nie die Silben merken konnte, doch sie liebte es, den anderen einfach nur zu lauschen. Dann wurde ein Baum auf dem Dorfplatz aufgestellt und mit den schönsten Muscheln behangen, die in diesem Jahr gesammelt worden waren, bevor es endlich das Essen gab. Von Fisch, Fleisch, bis hin zu Früchten wie Kakis, Bananen und Kokosnüssen wurde alles aufgetischt, und zu Trinken wurde für die Erwachsenen ein Großteil des Weins geöffnet, den das Dorf teuer von anderen Stämmen kaufte. Als Noa das Getränk einmal probierte, hatte sie es vor Übelkeit direkt wieder ausgespuckt und deshalb war sie froh, dass für die Kinder aus den Früchten Saft gepresst wurde. Die Speisen wurden auf einem großen Tisch auf dem Dorfplatz aufgestellt, doch gegessen wurde entweder auf dem Boden oder im Stehen. So ein großes Festgelage gab es nur zweimal im Jahr, an Weiha und an Ramma. Das Ramma-Fest fand immer im Sommer statt und Noa freute sich dann immer doppelt auf das Essen, da vorher die lange Fastenzeit lag, wo sie immer hungrig war. Dieses Jahr war das Weiha-Fest für sie jedoch noch aufregender als sonst. Vor wenigen Wochen war sie vierzehn geworden, was bedeutete, dass sie nun nach einer entsprechenden Zeremonie im Dorf als Frau galt und eine Familie gründen dürfte. Natürlich würde sie damit noch lange warten. Sie wollte noch keinen Mann und keine Kinder und konnte sich nur schwer vorstellen, dass sich dies je ändern würde. Es stimmte zwar, dass sie jetzt den Status einer Frau hatte, doch Hochzeiten waren in der Regel erst mit etwa zwanzig Jahren üblich, und bis dahin würde es noch ewig dauern. Peeta und Pala würden schon bald heiraten, auch wenn sie noch jünger waren. Beide Familien hatten ihre Zustimmung gegeben und an Palas Bauch zeichnete sich bereits eine deutliche Wölbung ab.
Die Zeremonie, die Noa zur Frau werden ließ, begann am dritten und letzten Tag des Weiha-Festes. Sie wurde in ein weißes Kleid gesteckt und von ihrer Mutter, wie es Tradition war, an Händen, Armen, Beinen und im Gesicht mit roter und blauer Farbe bemalt, die für den Himmel und die Hölle standen. Es waren aber auch Symbole für Wasser und Erde. Auf ihre Stirn wurde das Zeichen der Abrama gemalt. Dünne schwarze Linien formten einen Kreis, in dem sich ein Stern aus zwei Dreiecken befand. Durch einen senkrechten Strich in der Mitte entstand in diesem Stern noch ein Kreuz. Mehr als die Hälfte wurde akkurat von ihrer Mutter mit Kreide dunkelblau gefärbt und die übrig gebliebene halbmondförmige Fläche in ein goldenes Ocker verwandelt.
Die Zeremonie fand am Strand statt und Noa war ganz nervös, denn fast das ganze Dorf stand in einem Halbkreis vor der Brandung in der Thes in ihrem Priestergewand schon auf sie wartete. Noa zuckte leicht, das kühle Wasser schwappte ihr bis zum Knie und den Saum ihres Kleides benetzte, als ihr Mutter sie bis zu der wartenden Priesterin führten. Noas Herz klopfte, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Schon begann Thes damit, die Zeremonie mit einem Gebet zu eröffnen, das von den Anwesenden murmelnd mitgesprochen wurde. Noa kannte es auch, aber konnte sich nicht mehr an die genauen Worte erinnern, was aber zum Glück niemand bemerkte. Viel zu spät fiel ihr auf, dass sie nun sprechen musste. „Lieber Gott, ich werde neben dir keine anderen Götter haben, ich werde dich nicht verleugnen und deinen Namen nicht missbrauchen." Sie hatte die zehn Gebote wochenlang mit Thes auswendig lernen müssen, was ihr sehr schwer gefallen war. „Ich werde meinen Vater und meine Mutter ehren." Was kam danach? Die Frage sprang ihr förmlich in den Kopf und machte jedes Denken unmöglich. Alle hörten ihr zu und sie durfte nicht stoppen oder jemanden um Hilfe fragen. „Ich werde nicht töten und nicht stehlen.", sprudelte es aus ihr heraus. Sie war sich sicher, dass sie irgendwo einen Fehler gemacht hatte, konnte aber nichts tun, außer einfach weiter zu sprechen. „Ich werde nicht die Ehe brechen, ich werde nicht Lügen und ich werde nicht den Besitz eines Anderen anrühren.", beendete sie das Gebet. Sie hatte nur acht aufgezählt und ein kurzer Blick auf Thes reichte ihr um zu sehen, dass sie nicht erfreut war. Die Stirn in Falten gelegt fuhr die Priesterin dennoch fort, als wäre nichts passiert. Jetzt kam der aufregendste Teil der Zeremonie. Für die Taufe musste sie sich rückwärts auf die Arme ihrer Mutter und der Priesterin fallen lassen, die ihren Körper so über Wasser hielten, während ihre Haare bis zu ihrer Stirn im Wasser lagen. Thes sprach das spezielle Gebet, während die Brandung über ihren Kopf rollte und die Farbe auf ihrer Stirn zum verlaufen brachte. Bei der nächsten Welle bekam sie salziges Wasser ins Auge und musste gegen jegliche Reflexe ankämpfen und regungslos in den Armen der Frauen liegen bleiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde sie wieder auf die Beine gebracht und der Applaus der Dorfbewohner signalisierte, dass die Zeremonie vorbei war. Das Wasser aus ihren Haaren lief an ihr herab, während alle nun anfingen ihr zu gratulieren. Sie war nun kein Kind mehr, sie war nun eine Frau. Leider konnte sie trotzdem noch nicht machen, was sie wollte, sondern musste auf ihre Eltern, den Anführer Kandah und natürlich auf Thes hören. Kandah konnte sie nun mit wichtigeren Aufgaben für das Dorf beauftragen. Das Dorf müsste sich auf sie verlassen können und sie musste ihren Beitrag für die Gemeinschaft leisten.

Die Feier neigte sich dem Ende und es war bereits dunkel geworden. Müde, glücklich und mit einem seeligen Lächeln verabschiedete sich Noa von Mijo und Mara, mit denen sie die ganze Zeit süße, orangene Kakis von dem Tisch stibitzt hatte, bis keine mehr übrig gewesen waren. Mijo hatte einen ganzen Becher Wein getrunken und hatte danach nur noch seltsam dümmlich gegrinst. Jetzt wo Mara und sie schlafen gingen, wollte er sich zu den älteren Jungen wie Peeta und Aaro gesellen und wahrscheinlich weiter trinken. Noa fand das doof, doch sollte Mijo doch machen, was er wollte.
Sie gähnte, als sie den Dorfplatz verließ, und das Feuer, das nun da es dunkler wurde, den Platz erhellte, verschwand hinter der ersten Hütte und tauchte den Weg in Schatten. Als sich plötzlich eine große Gestalt vor ihr aufbaute, war ihre Müdigkeit wie weggeblasen.
„Hallo Noa, ich hoffe du hast ein gutes Weiha-Fest gehabt." Es war Kandahs Stimme, der Anführer des Dorfes. Der breit gebaute Vater von Aaro hielt sich stets abseits von Feierlichkeiten, da er im Grunde nichts für das Feiern übrig hatte. Wie auch jetzt wirkte Kandah immer ernst und respekteinflößend, sodass Noa keine Antwort wusste und ihre Lippen stumm blieben. Doch er schien sich nicht darum zu kümmern. „Da du nun ein vollwertiges Mitglied der Gemeinde bist, liegt es nun auch an dir Verantwortungen zu tragen und wichtige Rollen zu übernehmen. Bist du dafür bereit?" Noa wusste nicht, worauf er hinaus wollte, nickte aber, obwohl sie sich nicht sicher war, ob er es in dem fahlen Licht überhaupt sehen konnte.
„Dann habe ich eine erste Aufgabe für dich", erklärte Kandah weiter. „In wenigen Tagen wird eine Gruppe Männer aus dem Dorf nach Nihilo aufbrechen, um dort auf dem Markt unsere Güter zu verkaufen, die als Vorräte dieses Jahr übrig geblieben sind."
„Nach Nihilo?", wiederholte Noa fragend. Das war eine große Stadt im Süden über die Noa schon Einiges gehört hatte. Tausende Menschen sollten dort leben, es gab Maschinen, die von alleine fuhren und Häuser mit mehreren Stockwerken.
„Vor vielen Jahren haben wir regen Handel mit anderen Stämmen betrieben. Wir haben uns zu sehr von der Außenwelt isoliert und müssen neue Beziehungen aufbauen. Ich persönlich werde die Gruppe anführen, dein Vater wird mitkommen, da er sich mit den Fischen, die wir verkaufen wollen am besten auskennt. Außerdem wirst du mitkommen."
„Ich?", fragte sie ungläubig. Noch nie hatte sie Alura verlassen und der Gedanke fortzugehen war aufregend und angsteinflößend zu gleich.
„Du bist nun ein wichtiger Teil der Gemeinschaft", erklärte Kandah weiter. „Nimmst du die Verantwortung an und kommst mit?"
„Äh ich weiß nicht", stammelte Noa. „Aber wer taucht dann mit dem Netz bis zum Abgrund, um die Fische zu fangen?"
„Bis ihr zurück seid, wird Mijo euer Boot übernehmen und dein Onkel wieder tauchen. Dein Cousin Kikon wird ihm helfen und damit anfangen, das Tauchen zu erlernen."
„Ich würde schon mitkommen," erklärte Noa. „Doch ich muss bestimmt meine Eltern fragen..."
„Du bist nun erwachsen, Noa.", sagte der Anführer nachdrücklich.
„Ja", antwortete sie nicht ganz überzeugt. „Dann... Werde ich mitkommen."
„Das freut mich zu hören. Einen schönen Abend noch!" Der große Mann verschwand mit diesen Worten und ließ Noa mit ihren Gedanken alleine zurück.

„Nach Nihilo?", fragte ihre Mutter erregt. Noa hatte nicht mehr schlafen können, sodass sie, als ihre Eltern spät von den Feierlichkeiten zurückkehrten, ihnen sofort die Neuigkeit erzählen musste.
„Und nur wegen den Fischen?", fragte ihre Mutter nach.
„Ja, so etwas hat er gesagt, aber ich weiß nicht, ob ich von hier weg möchte", gestand sie ihre Zweifel.
„Du hast jetzt leider keine Wahl mehr.", erklärte ihr Vater ernst. „Du hast Kandah dein Wort gegeben, wir können jetzt es jetzt nicht mehr ändern."
Sie wurde von ihren Eltern in den Arm genommen und hätte wahrscheinlich sonst geweint, doch so grub sie ihr Gesicht tief in die Schulter ihrer Mutter.
„Du schaffst das Noa!", flüsterte ihre Mutter in ihr Ohr. „Du bist stark und kommst sicher zurück! Ich glaube daran und du solltest es auch! Jetzt schlaf." Ihre Mutter küsste sie sanft auf die Stirn und brachte sie dann in ihr Bett. Noa hatte sich einigermaßen beruhigt und achtete darauf, möglichst tief und gleichmäßig zu atmen. Die Augen hatte sie bereits geschlossen und für ihre Eltern musste es so aussehen, als ob sie schlief. Die Hütte hatte nur einen Raum, indem auch ihre Eltern schliefen. Beinah hätte sie es nicht gehört, es war so leise, dass ihr eigenes Atemgeräusch es überdecken konnte, aber ihre Eltern schienen zu flüsterten.
„Und Kandah hat nichts erwähnt, außer den Markt in Nihilo?", flüsterte ihre Mutter.
„Nichts", erwiderte ihr Vater leise. „Er scheint sich mit unserem 'nein' abgefunden zu haben, aber trotzdem... er plant irgendetwas"
„Pass auf sie auf", flehte ihre Mutter. „Du weißt ich könnte ohne sie nicht leben."
„Ich weiß. Ich werde nicht ohne sie zurückkommen. Das verspreche ich dir, Ana."
„Ich liebe dich."
Danach war es still und sie schienen eingeschlafen zu sein. Nur Noa konnte nicht schlafen. Noch mehrere Stunden lag sie wach bis die unerträgliche Müdigkeit sie endlich übermannte und ihre Gedanken, die hektisch in ihrem Kopf hin und her sprangen, verschluckte.

Früh stahl sie sich am nächsten Morgen aus ihrem Bett und verließ die Hütte. Sie brauchte jemanden zum Reden und es gab nur eine Person, die für sie in Frage kam.
Die Hütte von Maras Eltern war nicht weit und das Dorf noch wie ausgestorben. In der sandigen Erde fand sie einen dünnen Zweig und ging an der richtigen Hütte angekommen in die Hocke. Sie schob den Zweig zwischen die Hölzer der Hütte und stocherte blind, aber behutsam ins Innere. Nach wenigen Versuchen hörte sie ein erschrockenes, lautes Einatmen.
„Mara, ich bin es.", flüsterte Noa.
„Noa, um was in der Welt machst du da?", flüsterte die verschlafene Stimme ihrer Freundin zurück.
„Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig", antwortete Noa flehend.
Es entstand eine kurze Pause bis Mara mit leiser Stimme sagte: „Gut, ich komm' raus."
Einen Moment später stand sie blinzelnd und gähnend neben ihr. Noa bedeutete ihr nicht zu reden und brachte sie zu dem Ort, an dem sie hoffte ungestört reden zu können. Sie führte Mara an den Strand, wo die Boote fest vertäut im Sand lagen. Erst in mehreren Stunden würden sie wieder auf See fahren und solange waren sie hier geschützt. Das hatte sie zumindest gehofft, doch diese Hoffnung schwand, als sie einen Blick in das Boot warf.
„Mijo?", fragte sie entsetzt. Ihr Cousin lag schlafend auf dem Deck. Er stank nach einer Mischung aus Schweiß, Alkohol und etwas, was hoffentlich nicht Erbrochenes war. Unsanft rüttelte Noa ihn wach.
„Mijo, was tust du hier?", fragte Noa verständnislos.
„Ich, ich....", setzte er an und fing an sich überrascht umher zu schauen und seine Umgebung war zu nehmen. „Ich... weiß nicht?" Sein Oberteil war mit Sand und Überresten seines Mageninhaltes beschmutzt.
„Du stinkst!", erklärte Noa. Sie musste unwillkürlich grinsen, als ihr es dämmerte, dass Mijo es etwas zu bunt am Vorabend getrieben und nicht mehr in sein Bett gefunden hatte. „Komm Mara, hilf mir mal!", forderte sie ihre Freundin auf und zusammen zogen sie ihm sein dreckiges Oberteil aus und halfen ihm aus dem Boot. Mijo schien noch keine Kontrolle über seine Glieder zu haben und ohne Noa und Mara, die ihn stützen, wäre er wohl sofort umgekippt. Doch statt sich dem Dorf zu zuwenden, hatte Noa ein anderes Ziel. Mijo merkte nicht einmal, dass sie immer weiter auf das Meer zuliefen, bis die beiden Mädchen ihn lachend in die Brandung warfen. Das kalte Wasser spülte die schläfrige Wirkung des Alkohols aus seinem Körper und zitternd und tropfend erhob er sich.
„Was soll das denn?", fragte er aufgebracht die kichernden Mädchen.
„Was soll denn sein?", stellte Noa feixend die Gegenfrage. „Aus deinem Gestammel dachte ich eindeutig den Wunsch rausgehört zu haben, dass du Baden möchtest."
„Hab ich auch so gehört", schaltete sich Mara an und beide Mädchen fingen wieder an zu Lachen.
„Sehr witzig", brummte Mijo mit einem missmutigen Gesichtsausdruck und beschwerte sich weiter. „Jetzt bin ich total nass!"
„Dann hoff' ich mal, dass es die letzte Nacht wenigstens wert war.", meinte Noa nur achselzuckend.
„Mädchen...", brummte er vielsagend und schritt dann beleidigt davon.
Nachdem sie sich noch ein paar Minuten über Mijo ausgelassen hatten, konnte Noa endlich von der Sache erzählen, die ihr auf der Seele lag. Mit dem Rücken an den Bootsrumpf gelehnt, saßen sie auf dem Sand und Noa beschrieb, was seit gestern Abend passiert war. Mara schwieg und hörte ohne Zwischenfragen zu stellen zu. Als Noa geendet hatte, zog ihre beste Freundin sie zu sich herüber und drückte sie fest.
„Das ist so aufregend!", sagte sie mit glänzenden Augen. „Aber ich werde dich vermissen, wenn du solange fort bist."
„Ich hab ein wenig Angst...", gab Noa zu.
„Hätte ich auch, aber das ist so eine tolle Chance", erwiderte Mara. „Du siehst etwas von der Welt, Nihilo ist eine riesige Stadt! Schließ deine Augen und stell sie dir vor!" Noa gehorchte und beide Mädchen schlossen ihre Augen.
„Riechst du den Marktplatz? Sie verkaufen exotische Gewürze, die in der Nase kitzeln. Überall sind Leute und reden durcheinander in tausend Sprachen. Schau, zwei Freunde lachen über einen netten Scherz, ein Händler streitet sich mit einem Käufer um den Preis. Daneben hat ein Stoffhändler seinen Stand, er verkauft feines Tuch, in schillerndem lila, strahlendem türkis. Die steigt der Geruch von gerösteten Mandeln in die Nase, direkt gefolgt von süßen Paprikas, die in einer Pfanne gebraten werden und plötzlich fährt eine Maschine vorbei, so eine, die keine Pferde zum ziehen braucht, während zwei lachende Kinder aus einem Haus mit drei Stockwerken herausschauen. Doch zwischen den tausend Gerüchen bemerkst du das salzige Meer, das dir mit einer frischen Böe Grüße von Zuhause schickt. Riechst du es?"
„Ja", antwortete sie mit abwesender Stimme, während ihre Augen weiter geschlossen waren.
„Das ist Nihilo und du hast das große Glück es besuchen zu dürfen, während ich hier bleiben werde und freudig auf deine Rückkehr warte." Maras Stimme klang sehnsüchtig, doch alleine die Vorstellung, ließ sie glücklich lächelnd.
Beide Mädchen öffneten die Augen wieder und sahen sich an.
„Vielleicht kannst du ja mitkommen!", rief Noa, obwohl sie wusste, dass es schwierig werden würde und sie schaffte es damit Maras lächeln noch breiter zu machen.
„Ich bleibe lieber hier, weißt du? Du bist für Abenteuer geschaffen, ich höre mir sie lieber an, wenn du wieder da bist!" Wieder schloss sie ihre Freundin in die Arme. „Bringst du mir etwas mit? Vielleicht eine Kette aus Muscheln oder farbigen Stoff!"
„Mach ich!", versprach Noa. „Ich werde dich vermissen! Nihilo ist so weit weg!"
„Nihilo liegt am Meer. Das ist dasselbe Wasser wie hier."
„Dann könntest du mir über das Meer eine Nachricht nach Nihilo schicken!",rief Noa, als ihr die Idee plötzlich einfiel.
„Gute Idee! Man bräuchte eine Art kleines Boot, damit die Nachricht nicht unter geht! Ich werde Mijo fragen, der baut so etwas bestimmt!"
Ein drittes Mal umarmten sich die zwei Freundinnen, die beide ihr ganzes Leben lang zusammen in Alura gelebt hatten. Es waren noch ein paar Tage bis Noa mit ihrem Vater, Kandah und einigen anderen aufbrechen würde und sie würde alle Hände voll zu tun haben, sich bei Allen zu verabschieden.

Die dritte SintflutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt