„Die Flammen zeigen ihr Gesicht
sie zeigen, dass du bei uns bist.
Du, der unsre Väter gar verstieß
Bitte führe uns ins Paradies.
Sie fliegen über uns dahin,
und heben über uns ihr Kinn.
Sie lenken jeden Sonnenstrahl,
Feiern dort oben ihr Festmahl
Die Flammen zeigen ihr Gesicht
sie zeigen, dass du bei uns bist.
Du, der unsre Väter gar verstieß
Bitte führe uns ins Paradies."
Von dem Gesang geweckt öffnete Noa die Augen. Durch die dünnen Zeltwände hindurch konnte sie erkennen, dass es bereits Tag war. Niemand von ihnen schien es geschafft zu haben, rechtzeitig aufzustehen, um schon vor Sonnenaufgang loszuziehen, wie sie es in den letzten Tagen getan hatten. Noas Glieder waren schwer und schmerzten, doch immerhin fühlte sie sich nach dem längeren Schlaf ein bisschen wacher.
„Es funkelt an den Himmelspforten
lasst uns euren Eingang orten
Erbarmt euch, hört unser Wort,
wir suchen bei euch Heim und Hort"
Die singenden Stimmen mussten ganz aus der Nähe kommen. Es war auf jeden Fall eine Gruppe von Männern und es waren definitiv nicht ihr Vater und die anderen Männer aus Alura. Sie kroch zum Zelteingang und schob vorsichtig den Stoff zur Seite. Von der plötzlichen Helligkeit geblendet kniff sie die Augen zusammen. Die Sonne stand hoch, was bedeutete, dass es bereits um die Mittagszeit sein musste. Vor ihrem Zelt lag ihr Vater zusammengerollt auf dem Boden, den verschlossenen Fischbehälter, den er seit Alura trug, fest im Schlaf umklammert. Nicht weit entfernt von ihm lag Toon, der wie ein Toter auf dem Rücken lag, nur mit dem Unterschied, dass er seinen Rucksack als Kopfkissen benutzte und seine Brust sich geräuschvoll hob und senkte. An einen umgefallenen Baumstamm gelehnt schliefen Gehir und Kandah, während Alek sich – ähnlich wie ihr Vater - auf dem Boden zusammengerollt hatte.
Nur Mika war wach. Er saß aufrecht und lauschte angestrengt.
„Die Flammen zeigen ihr Gesicht
sie zeigen, dass du bei uns bist.
Du, der unsre Väter gar verstieß
Bitte führe uns ins Paradies.
Sie zu fürchten unsre Pflicht,
das Unheil wird abwenden sich,
Oh Himmelsgötter allzu gleich,
führt uns in das Himmelreich"
Langsam kam Bewegung auf, da Mika angefangen hatte, die anderen zu wecken, und ihnen bedeutete, möglichst wenige Geräusche zu machen. Das Singen war kontinuierlich lauter geworden. Es schien, als könnten sie jeden Moment auftauchen und Noa wusste nicht, was dann geschehen würde. Leise und behutsam standen ihr Vater und die anderen Männer auf und suchten nach ihren Waffen.
„Die Flammen zeigen ihr Gesicht
sie zeigen, dass du bei uns bist.
Du, der unsre Väter gar verstieß
Bitte führe uns..."
Der Gesang schwoll an und brach abrupt ab, als mehrere Männer in langen braunen Gewändern plötzlich aus dem Unterholz brachen und überrascht stehen blieben. Sie schienen auf den ersten Blick unbewaffnet, nur ein paar von Ihnen trugen Wanderstöcke, doch von den Alura erschreckt, griffen viele zu ihren Hüften, an denen Knüppel oder kleinere Messer und Sicheln hingen. Sie alle hatten kurz geschorene Haare und diese merkwürdigen Kutten an. Es schienen zum Großteil junge Männer zu sein, und es waren so viele, dass Noa beim Zählen durcheinander kam. Auch die Alura hatten ihre Waffen gezogen, doch sie waren zahlenmäßig weit unterlegen. Bange Sekunden lang geschah nichts, außer dass beide Parteien sich gegenseitig anstarrten und ihr Waffen in den Händen wogen.
„Na kommt schon, ihr Schweine", rief Gehir, der nach einer Weile die Stille nicht mehr aushalten konnte. Doch immer noch geschah Nichts. Dann löste sich ein braun gewandeter Mann aus der Gruppe. Er hatte fast keine Haare mehr und einen spärlichen grau-melierten Bart. Er schien der Älteste zu sein.
„Aber, aber. Wir wollen doch kein Blut vergießen. Wir sind nur Mönche auf Wanderschaft und wollen keine Konflikte. Ihr habt uns lediglich überrascht." Kandah trah nun ebenfalls vor.
„Wir sind auch Reisende. Zieht weiter, wir wollen ebenfalls keine Probleme."
„Ihr habt ein kleines Mädchen bei euch, das ist sehr ungewöhnlich für Reisende.". Der Glatzköpfige hatte Noa erspäht, die aus dem Zelt geklettert war und Mijos Messer hervorgeholt hatte.
„Ich bin nicht klein!", erwiderte sie empört und hörte sich dabei sehr nach einem kleinen Mädchen an. Die Männer lachten.
„Schon gut.", sagte der Mann lächelnd. „Wohin geht eure Reise, wenn man fragen darf?"
„Das geht niemanden etwas an.", antwortete Kandah bestimmt.
„Nun, in einer großen Gruppe zu reisen ist ein enormer Vorteil. Wir nehmen euch gerne für eine Weile bei uns auf." Der Sprecher schien nicht gekränkt von Kandahs grober Zurückweisung. „Mein Name ist Suro." Nach einer Pause fügt er, da Kandah nicht antwortete, hinzu: „Nun wäre es ein Zeichen der Höflichkeit, wenn ihr mir euren Namen ebenfalls verraten würdet."
„Kandah." Seine Stimme war nur ein leises Brummen und er bewegte seine Lippen kaum, doch Suro schien ihn verstanden zu haben.
„Freut mich euch kennenzulernen, Kandah." Suro sah kurz zum Himmel ehe er fortfuhr. „Es wird bald Mittag und Zeit für eine Rast, wir würden unsere Vorräte gerne mit euch teilen."
„Nein danke, wir...", fing Kandah an, wurde aber von Suro unterbrochen. „Wir haben noch drei Hasen und genug Schafskeulen für alle."
Beim Klang dieser Worte lief in Noas Mund das Wasser zusammen, und sie musste sich aufpassen, nicht ausversehen zu sabbern. Den Anderen schien es ähnlich zu gehen. Sie hatten seit Monua nicht mehr vernünftig gegessen und nach Nichts sehnte sich Noa mehr, als ein saftiges Stück Fleisch. Angesichts der hungrigen Miene, die nicht nur auf Noas Gesicht widergespiegelt war, nahm Kandah das Angebot zähneknirschend an.
Es schmeckte einfach köstlich. Schnell hatten die Fremden Feuer entzündet, wo schon bald das Essen brutzelte. Die Alura hatten sich zusammen in einen Kreis gesetzt, während die anderen Männer sich wild auf der Lichtung verteilt hatten. Nur Suro hatte sich ganz in ihre Nähe gesetzt und versuchte Gespräche aufzuziehen. In der Zeit, in der sie auf das Essen warteten, versuchte Noa noch einmal die Fremden zu zählen, doch bei neunundzwanzig angekommen wusste sie nicht mehr wie die nächste Zahl hieß und es fehlten noch Einige in ihrer Rechnung.
Kandah und zum Teil Mika gingen nur widerwillig auf Suros Fragen ein, die er weiter unermüdlich und freundlich stellte. Sie verrieten ihm Nichts über den Zielort der Reise, nur dass sie in Richtung Süden zogen und schon einige Tage unterwegs waren. Suro wurde noch eine Spur herzlicher, als er verkündete, sie würden ebenfalls Richtung Süden wandern und daher eine längere Strecke mit ihnen zusammen überwinden können. Mit keinem Argument konnten sie Suro davon abbringen, gemeinsam weiterzuziehen. Suro erklärte, dass sie Kleri seien, Wandermönche die einfach durch die Gegend zogen, beteten und Gutes für die Menschen tun würden.
Noa bemerkte bald, dass viele der Männern, die wirklich ausnahmslos die gleichen braunen Gewänder trugen, sie anstarrten und auch ihrem Blick nicht auswichen. Es waren vor allem die Jüngeren von Ihnen, doch selbst die waren mindestens 5 Jahre älter als sie. Außerdem fiel ihr auf, dass Viele oft zum Himmel sahen, als würden sie auf etwas warten. Sonst waren sie ziemlich normale junge Männer, die beim Essen erzählten und lachten.
Auch wenn Kandah den Aufbruch weiter nach hinten zu schieben versuchte, Suro und seine Männer machten keine Anstalten, ohne sie loszuziehen, halfen ihnen sogar das Zelt, in dem Noa geschlafen hatte, abzubauen. Schließlich zogen sie zusammen los und bald darauf begannen die Kleri wieder zu singen.
Das gab Noas Vater die Gelegenheit, sie am Arm zu packen und mit ihr zu sprechen, ohne dass die Mönche etwas mitbekamen.
„Du bleibst unmittelbar in meiner Nähe, bis wir in Nihilo angekommen sind, hast du mich verstanden?" Sein Griff war sehr fest, weshalb sie nicht wagte zu widersprechen. Sie nickte nur, doch das schien ihm nicht zu reichen und er beugte sich weiter zu ihr herunter.
„Man kann Fremden nicht einfach trauen, deshalb müssen wir aufpassen!"
„Sie wirken aber sehr freundlich", antwortete Noa vorsichtig.
„Gerade deswegen kommen sie mir komisch vor. Irgendetwas stimmt mit denen nicht."
„Weißt du wovon sie singen?"
„Nein, ich hab diese Lieder noch nie gehört."
„Kommen wir heute in Nihilo an?", fragte Noa, doch ihr Vater schüttelte den Kopf.
„Wir sind erst nach Mittag losgegangen, deswegen werden wir es erst frühestens Morgen schaffen."
„Hält der Fisch solange?", fragte Noa, während ihr Behälter ihr schwer auf der Schulter lag.
„Ich hoffe es. Diese Reise dauert länger, als wir dachten."
Als es langsam dunkel wurde, machten sie Halt. Die Alura bauten ihre Zelte auf, während die Mönche wieder Feuer machten und Einige in die Umgebung ausschwärmten, um Beeren und Kräuter zum Essen zu sammeln. Toon und Alek begleiteten sie, um Jagen zu gehen. Niemand von ihnen ging mehr alleine von der Gruppe weg, sie blieben immer mindestens zu zweit. Als sie wiederkamen, hatten sie genug Nahrung gesammelt, die mit den Vorräten der Kleri zusammen ausreichte, dass sie wieder Alle ein Stück Fleich abbekamen. Nach dem Essen wurde gebetet und es herrschte einen kurzen Moment Ruhe, bis die vielen Mönche begannen, Trinkflaschen mit Wein oder Met herauszuholen und in geselligen Runden miteinander zu scherzen. Auch den Alura wurde etwas angeboten. Kandah und ihr Vater lehnten ab, während vor allem Gehir, der Gefallen an der heiteren Gesellschaft Suros gefunden hatte, gierig den Weinschlauch nahm, der ihm angeboten wurde. Bald taten es ihm Toon, Mika und Alek gleich. Es wurden Geschichten ausgetauscht und vor allem die Mönche hatten viel zu erzählen. Viele von ihnen schienen schon seit mehreren Monaten herumzuwandern, und hatten in dieser Zeit Einiges erlebt.
"Weißt du noch, Tak, als wir in dieses Bergdorf kamen, wo sie die Ziegen angebetet haben?" So oder ähnlich begannen die meisten Geschichten und endeten meistens damit, dass die Mönche den Menschen dort mit ihren Problemen geholfen und zum wahren Glauben überredet hatten.
Suro und Gehir tranken um die Wette und bald sangen sie beide laut ein altes Lied, das beide aus ihre Kindheit kannten, und torkelten einen Tanz, bei dem jeder einen Arm um die Schulter des Anderen legte. Als die Umstehenden das Spektakel sahen kamen viele zu Ihnen dazu, klatschen und klopften den Rhythmus, und stiegen in den Gesang ein. Nur Noa konnte sich nicht wirklich von der guten Stimmung anstecken lassen und wandte sich ein wenig ab. Sie wusste nicht genau warum, aber dieser Suro war ihr zutiefst unsympathisch. Er war irgendwie zu freundlich, er lächelte immer, nur übertrug sich das Lächeln nicht auf seine Augen, diese waren stets wachsam und schienen Alles mitzubekommen.
„Hey, wie heißt du?", fragte plötzlich jemand. Sie fuhr erschrocken um und erblickte einen Mönch, der wohl kaum Älter als zwanzig sein konnte. Er hatte feuerrotes Haar und auf seinem Kinn zeichneten sich die Versuche eines Bartes ab. Er lächelte, doch ließ es ihn nicht freundlich erscheinen. Seine Züge umspielte etwas, das sehr nach Wahnsinn aussah. Seine hellblauen Augen, die fast grau wirkten, bohrten sich förmlich in Noa hinein und schienen sie verschlingen zu wollen.
„Was willst du?", fauchte sie ihn schlecht gelaunt an.
„Ach nichts", antwortete er. „Nur ein wenig neue Bekanntschaften machen. Möchtest du etwas Wein haben?" Sie war schon kurz davor abzulehnen und ihn zu verscheuchen, dann hielt sie inne. Ihr Blick wanderte zu ihrem Vater, der nicht auf sie achtete, sondern ernst mit Mika tuschelte. Dann nickte sie dem Rotschopf zu. Sie hatte noch nie Wein getrunken, warum sollte sie es dann nicht probieren? Ihre Laune konnte sowieso nicht schlechter werden, und vielleicht würde es sie ja wirklich aufheitern. Noa griff nach dem Lederbeutel, den der Mönch ihr hinhielt. Kritisch betrachtete sie die Öffnung, dann fasste sie ihren Mut zusammen und nahm einen großen Schluck. Unverzüglich verzog sie das Gesicht. Es schmeckte einfach grauenhaft bitter und brannte in ihrem Rachen, sodass sie den Drang zu Husten unterdrücken musste.
„Schmeckt's?", fragte der Rothaarige grinsend. „Ich bin übrigens Kev."
„Noa", antwortete sie mit einem knappen Nicken. Ihre Laune hatte sich nicht verschlechtert, also konnte die Wirkung des Weines, falls sie überhaupt schon eingetreten war, nicht so schlimm sein. Sie fühlte irgendwie wenig, bis gar nichts. Ihr war einfach alles egal. Die Reise war gar nicht verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Bei ihrer Abreise hatte sie freudige Erregung empfunden Neues zu entdecken, doch irgendwie hatte ihre Reise wenig spannende Ereignisse gehabt. Noa war einfach müde, sie musste sich eingestehen, dass sie wieder nach Hause wollte. War es diese Reise wert, nur für ein wenig Fisch?
„Wohin seit ihr unterwegs?", fragte sie Kev unvermittelt, der – wenn er von der Frage überrascht war - es nicht zeigte.
„Überrall und nirgends. Wir sind Wandermönche. Wir ziehen einfach umher."
„Aber ihr müsst doch eine Richtung haben, in der ihr loszieht."
„Immer Himmelswärts." Dabei griff sich Kev an ein merkwürdiges Amulett, dass er an einer Kette um den Hals trug und sah zu den Sternen. Noa war aufgefallen, dass jeder von Ihnen ein ähnliches Symbol umhängen hatte.
„Das ist mein Schutztalisman", erklärte Kev, der ihren Blick bemerkt hatte. „Es ist eine Sonne mit vier Strahlen, die für die vier Himmerlsrichtungen stehen. Und in eine von Diesen wandern wir immer."
Noa hatte dieses Symbol noch nie gesehen. „Ist das Metall?", fragte sie neugierig, als die das schlicht gefertigte Amulett näher in Augenschein nahm. Metall war sehr wertvoll, weil es sehr selten war. Es kam ihr etwas merkwürdig vor, dass ein Mönch so einen teuren Talismann besaß.
„Gut erkannt", lobte Kev. „Jeder schmiedet sein eigenes, weshalb jedes ein wenig unterschiedlich aussieht."
„Wie bist du an das Metall gekommen? Das muss ein Vermögen gekostet haben!", staunte Noa.
„Es ist mir mehr wert, als mein Leben. Es ist das einzig Wertvolle, was ich besitze und ich danke Gott, dass ich es haben darf."
„Kennst du zufällig einen Mönch namens Lie? Er ist ein Freund von mir." Die Frage kam ihr ganz spontan in den Sinn.
„Lie?", fragte Kev nach und überlegte. „Nein, nie gehört. Es gibt bestimmt Tausende von uns auf der Welt, deshalb kenne ich leider nicht jeden meiner Brüder. Aber durch den Himmel sind wir verbunden. Vielleicht kann ich durch das Gebet eine Nachricht von ihm für dich erhalten."
„So etwas könnt ihr?", fragte Noa erstaunt und Kev grinste wieder.
„Mit Gottes Beistand gewiss... Er kann manchmal durch uns sprechen und walten."
Bei dem Gedanken musste auch Noa lächeln. Es schien so wunderbar mit Lie reden zu können. Doch dann stutzte sie. „Lie hat aber gar nicht so ein Talismann-Dings." Einen Moment lang entgleiste Kevs Gesichtsausdruck. „Hat er nicht?", fragte er und eine Spur Eis lag in seiner Stimme, die Noa erschreckt zurückweichen ließ. Als er es bemerkte versuchte er wieder seine freundliche Maske aufzusetzen. „Er hat es bestimmt verliehen."
„Verliehen?", echote Noa skeptisch.
„Ja, ja, wenn man einen anderen Menschen segnen möchte, kann man ihm seinen Schutztalismann anvertrauen, in der Hoffnung, dass auch er von Gottes Geist erhört wird und seinen Schutz übertragen bekommt." Nach einer Pause fügte er hinzu. „Weißt du was, ich schenke dir meinen."
Überrumpelt wollte Noa ablehnen, doch da hatte er es schon geschickt von seinem Hals genommen und ihr über den Kopf gezogen. „Nein... Ich... Ich will nicht...", stotterte sie, doch ihre Aufmerksamkeit wurde von etwas Anderem abgelenkt. Die freundlichen Stimmen um sie herum waren verstummt und wenige Zornige waren nur noch zu hören.
„Ich sage euch doch, da liegt ein Missverständnis vor..." Das war Suros Stimme, die wie sonst auch bestimmt aber freundlich zu ihr herüber drang. Ihm gegenüber standen Mika und ihr Vater mit grimmigen Gesichtsausdrücken.
"Eben nicht!", rief Mika kalt. Noa kannte ihn nur als redseligen netten Mann und war überrascht, wie zornig er nun sein konnte. "Ihr habt uns an der Nase herumgeführt. Den ganzen Tag sind wir nicht nach Süden, sondern nach Osten gegangen."
Suro lachte schallend. "Das ist ein guter Scherz, Mika, ihr habt wohl zu sehr dem Wein zugesagt. Natürlich sind wir gen Süden gezogen, wie wir es abgesprochen hatten!"
„Halte mich nicht für dumm!", erwiderte Mika zornig. „Als wir am Tag durch den Wald gegangen sind konnte ich es nicht erkennen, da die Sonne von den Bäumen verdeckt war. Doch die Sterne lügen nicht!" Er zeigte brüsk nach oben. "Glaubt mir, ich kenne mich genug mit Sternbildern aus um zu erkennen, wo Osten und wo Süden ist."
„Wir sind Kleri, Diener des Himmels! Glaubt ihr, ihr würdet euch besser mit den Sternen auskennen als wir?" Die Freundlichkeit war aus Suros Stimme verschwunden.
„Nein", erwiderte Mika kühl. „Ich glaube, dass ihr uns absichtlich nicht an unser Ziel geführt habt."
„Wir sind Mönche, Diener Gottes!", echauffierte sich Suro.
Gehir war mittlerweile verwirrt von Suro zurückgewichen, mit dem er zuvor noch getanzt hatte.
Kandah war aufgestanden und erhob nun seine tiefe Stimme. "Wohl Diener des falschen Gottes. Eure Amulette... so etwas tragen Kleri der Abrama nicht, die ihr vorgaukelt zu sein."
„Gut, gut.", beruhigte Suro seine Stimme ein wenig. „Ja, wir sind keine Abrama für die wir gerne gehalten werden. Wir haben die Zeichen erkannt und uns Neuem zugewandt. Wir sind Flama! Eure Mönche sind die Falschen, nicht wir, und wenn ihr euch zu unserem Gott bekennen wollt, könnte er noch Gnade mit euch zeigen." Die Mönche hatten nun einen Kreis um die Alura gebildet aus dem es kein Entkommen gab, nur Noa war noch nicht bei den Anderen und wollte aufstehen, als sie merkte, dass sie von starken Händen festgehalten wurde. "Shhhh kleine Noa", flüsterte Kevs Stimme ihr ganz nah am Ohr. „Wir wollen doch nicht, dass du dir weh tust."
„Lass mich los!", schrie sie jedoch und versuchte, sich freizustrampeln.
„Noa!", rief ihr Vater. „Lasst sie sofort frei!" Sie wurde von Kev zum Rand des Kreises gezogen, den die Flama um sie herum gezogen hatten.
Suro sprach: „Gerne lassen wir sie frei, ihr müsst nur eines tun: Kniet nieder vor dem vielfältigen Gott des Himmels und bekennt euch zu ihm. Begleitet und nach Aule, wo auch ihr zu Leuten wie uns werden könnt und dann darf die Kleine gerne gehen, wohin sie möchte."
Es war ein sehr unfaires Angebot, fand Noa. Hass und Panik stieg in ihr hoch. Die Flama hatten ihre Waffen gezogen, ebenso wie ihr Vater und die anderen Männer aus Alura. Toon hatte seinen Bogen im Anschlag gespannt, Alek seine Axt bereit, während Noas Vater sein Fischermesser gezogen hatte und die anderen ihr Speere abwehrend auf die Flama gerichtet hatten. Da fiel ihr erst ihr Messer an der Hüfte ein, das Mijo ihr geschenkt hatte. Sie versuchte es zu ertasten, doch Kevs starker Arm war ihm weg. Sie schüttelte sich heftiger und Kev hatte zusehends Probleme sie festzuhalten. „Helft mir doch mal mit dieser Göre", fluchte er lauthals, als ihre Fingernägel sich in seinen Arm bohrten. Mehrere Flama kamen herbei um zu helfen.
„Jetzt!", schrie Kandah. Ein Pfeil surrte knapp an Noa vorbei und bohrte sich in Kevs Schulter, welcher vor Schmerz aufschrie und Noa unvermittelt losließ, sodass diese auf den Boden fiel. Mehrere Flama verstreuten sich schnell, als die Alura heranstürmten und mit den Speeren die Mönche von Noa vertrieben. Diese waren offensichtlich keine trainierten Krieger. Schnell hatte sich Noa mit der Hilfe ihres Vater aufgerappelt. Sie konnten immer weniger sehen, da die Feuer fast komplett nieder gebrannt waren.
Chaos brach aus. Die Flama, die nur noch als dunkle Gestalten im schwindenden Licht auszumachen waren, schienen anzugreifen. Noa wurde von ihrem Vater weggestoßen und lag abermals wieder auf der Erde. Schreie ertönten grässlich laut in ihren Ohren. Etwas blutiges landete neben Noa. Es handelte sich um einen abgetrennten Finger, wie Noa mit wachsendem Grauen klar wurde. Als sie aufsah, sah sie Alek, der über ihr mit seiner mächtigen Axt wütete und mit entschlossenem Gesichtsausdruck nach den Flama schlug. Das Mondlicht reflektierte die blutgetränkte Klinge, die sich in diesem Moment knapp neben einem ausweichenden Mönch in den Boden rammte. Nun musste Alek seine Axt loslassen, da er ein heranstürmender Angreifer ausweichen musste, der einen Nagel besetzten Knüppel hoch über seinem Kopf schwang. Erstaunlicherweise bewegte Alek sich schneller, als man es bei seiner breiten Statur für möglich gehalten hätte. Er machte einen Schritt zurück und der Knüppel schlug ins Leere. Gleichzeitig packte der große Holzfäller den Angreifer an der Schulter und warf ihn mehrere Meter weit gegen einen Baum, wo der Flama liegen blieb. Auf einmal tauchte ihr Vater auf, der mit erhobenem Messer auf einen anderen Mönch zurannte, der sich Aleks Rücken genähert hatte. Ihr Vater blutete bereits aus mehreren Schnittwunden am Arm, doch in seinem Gesicht spiegelte sich die entschlossene Wut, seine Tochter vor allem Erdenklichen zu schützten. Unwillkürlich schrie Noa auf, als ihr Vater sein Fischermesser tief in die Magengrube seines Gegners rannte, der einen hässlichen, erstickten Laut von sich gab und in sich zusammen sackte. Alek hatte in der Zwischenzeit wieder mit einer Hand seine Axt gepackt, während er mit der Anderen Noa auf die Beine zog. Einen Moment später waren auch die anderen Alura in ihrer Nähe. Heftig zog Alek sie mit sich, sodass sie nur seinen breiten Rücken sehen konnte. Hinter sich spürte Noa ihren Vater, der darauf achtete, dass sie nicht fiel. Sie rannten durch die Nacht und Noa fühlte sich fast blind. In der Ferne hörte sie immer noch Rufe, doch sie schienen immer leiser zu werden, bis irgendwann nur noch das schnelle Atmen ihrer Begleiter zu hören war. Noas Herz raste, unfähig zu begreifen, was gerade geschehen war. War das alles wirklich passiert? Hatten diese Mönche sie wirklich entführen wollen? Hatte ihr Vater wirklich vor ihren Augen einen Menschen getötet? Die Schreie und der stechende Geruch schienen sich in ihren Kopf eingebrannt zu haben und vernebelten ihre Gedanken. Noa war schlecht und sie fühlte sich schwach, sodass sie froh war, als irgendwann ihre haltlose Flucht endete und Noa erschöpft zu Boden sinken konnte. '
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Die dritte Sintflut
Ciencia Ficción2318 n. Chr. Noa ist ein dreizehnjähriges Mädchen, dass in einem kleinen Fischerdorf aufwächst und ihrem Vater beim Fischen hilft. Sie liebt das Meer und die warme, idyllische Landschaft ihrer Heimat. Doch bald sollte sie eine Reise antreten, die ih...