Im Morgengrauen erreichte die ausgelaugte Gruppe der Alura den Waldrand. Vor ihnen lag eine atemberaubende Hochebene, die sich bis zum Sonnen durchfluteten Horizont ausbreitete. Winzige Flecken in weiter Ferne deuteten auf kleine Dörfer und Siedlungen hin. Bis auf wenig vereinzelte, knorrige Baumgruppen, die sich zu kleinen Wäldchen zusammenschlossen, und wenigen kleineren Hügeln war die Sicht komplett frei. Doch statt diese Aussicht zu bestaunen, sank Noa zu Boden. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so kraftlos und schwach gefühlt. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn und trotz der warmen Sonnenstrahlen fröstelte sie und zitterte unkontrolliert. Von der gleißenden Sonne geblendet kniff sie die Augen zusammen, die sich in den Stunden zuvor an den dunklen Wald gewöhnt hatten. Auch die anderen gingen nach und nach zu Boden. Es war unwahrscheinlich, dass die Flama ihnen immer noch folgten, dafür waren sie als große Gruppe zu langsam.
Noa schaute kurz auf, als Mika zu Sprechen begann: „Gehir ist verletzt. Toon, gib mir das Verbandszeug aus der Tasche!" Er hatte sich über Gehir gebeugt, der flach auf dem Rücken lag und die Augen fest zusammen gepresst hatte. Sein Hemd war rot vor Blut und dort, wo Mika es hoch geschoben hatte, sah Noa einen länglichen Schnitt von einer Handlänge unterhalb des Rippenbogens.
Toonrappelte sich fluchend auf und durchwühlte den Rucksack. „Hat esihn schlimm erwischt?"
„Kannich im Augenblick noch nicht sagen", antwortete Mika.
„Warumhat der Dummkopf auch die ganze Zeit nichts gesagt?", fluchteToon, während er Mika das Verbandszeug reichte.
Gehirstöhnte leise als Mika begann, die Wunde zu versorgen. Auch dieAnderen schienen Blessuren davongetragen zu haben, jedoch waren esmeistens kleinere Schnitte und Kratzer, die schon länger aufgehörthatten zu bluten.
Während Mika Gehir versorgte, stand Noas Vater geräuschvoll auf und hob sein Fischmesser vom Boden auf. Sie beobachteten ihn wortlos, während er zu einem der Fischbehälter ging, ausholte und den dicken Knauf des Messers ruckartig nach unten schnellen ließ. Mit einem lauten Klirren zerbrach das Gefäß und augenblicklich stieg Noa ein beißender Gestank in die Nase. Ihr Vater stieß mit dem Fuß dagegen, sodass das Gefäß ein paar Zentimeter und mehrere grünlich verfaulte Fische heraus kullerten. Genauso verfuhr er auch mit den anderen Gefäßen, die ihre Flucht überlebt hatten.
„Das war es wohl", sagte er leise. „Wenn Gehir versorgt ist,sollten wir uns schnellstmöglich darüber beraten, wie wir am Sichersten wieder nach Alura kommen."
Niemand antwortete ihm. Die Männer starrten lediglich ausdruckslos ins Leere, zu erschlagen, um auch nur etwas zu erwidern.
„Mika,in welcher Richtung liegt Alura von hier aus?", fragte Noas Vater, doch Mika antwortete nicht und führte Gehirs Behandlung ohne eine Regung zu zeigen, fort.
Ihr Vater hatte sich schon fast damit abgefunden, keine Antwort zu erhalten, als Kandah aufstand. Auch in seinem erschöpften Zustand war es noch beeindruckend, wie der große, breit gebaute Stammesführer sich aufrichtete und ihren Vater deutlich überragte.
„Wir kehren nicht um nach Alura. Nicht bevor wir Nihilo erreicht haben."
Verständnislos sah ihr Vater Kandah an, der mit stoischer Miene den Blick erwiderte.
„Die Fische sind alle schlecht geworden. Was wollen wir noch in Nihilo?"
„Nichts",antwortete Kandah. „Jedenfalls nichts was mit Fischen zu tun hat."
Irgendetwas schien ihrem Vater zu dämmern. Irgendetwas, das Noa nicht verstand.
„Aber...Du meinst etwa...?", fragte ihr Vater mit ungläubiger Miene.„Nein, das würdest du nicht..."
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Die dritte Sintflut
Science Fiction2318 n. Chr. Noa ist ein dreizehnjähriges Mädchen, dass in einem kleinen Fischerdorf aufwächst und ihrem Vater beim Fischen hilft. Sie liebt das Meer und die warme, idyllische Landschaft ihrer Heimat. Doch bald sollte sie eine Reise antreten, die ih...