Das kann nicht sein. Es ist einfach nicht möglich. Der Mann kann nicht bereits ein Jahr hier sein, weil die erste Kapsel eine Stunde vor unserer Landung losgeschickt wurde.
Wenn es wirklich wahr ist ... kommt die nächste Kapsel frühestens in ein paar Monaten an.
"W-Wie kann das sein?", frage ich leise. Der Fremde sucht weiterhin hinter mir den Wald ab, als würde er auf etwas warten.
"Z-Zeit ist r-r-relativ. Hier v-vergeht sie l-langsamer."
Chu macht einen kleinen Schritt auf den Mann zu und spricht mit ruhiger Stimme:
"Wo sind die Anderen aus deiner Kapsel? Ihr habt doch sicher ein Lager irgendwo, wenn ihr schon so lange hier seid. Wir holen die Menschen aus unserer Kapsel und bringen sie in dein Lager, das ist am besten. Gemeinsam können wir mehr arbeiten um zu Überleben."
"N-nein, das geht nicht!" Der Mann wirkt hysterisch. "B-Brücke kaputt ... Kreatur hat u-uns überfallen! Wir -" Die Augen des Mannes weiten sich plötzlich und er legt mit einer langsamen Bewegung den Zeigefinger auf seinen Mund. Anstatt ihn wieder wegzunehmen, verharrt er in dieser Position und starrt angsterfüllt auf einen Punkt hinter mir.
Ich benötige einen Moment, bis ich begreife, was der Man uns damit sagen will. Als ich es verstanden habe fällt es mir schwer leise zu atmen und mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Die Kreatur ist direkt hinter mir.
Mein Herz klopft so laut, dass ich befürchte die Kreatur kann es hören. Hoffentlich habe ich umsonst Bedenken.
Durch das Rascheln der Büsche weiß ich, dass die Kreatur sich langsam um uns herum bewegt. Wieso greift sie nicht an? Auch, wenn wir bewaffnet sind, ist die Kreatur uns wahrscheinlich überlegen. Im Moment sind wir ein gefundenes Fressen.
Aus den Augenwinkeln erkenne ich wie sie langsam einen Bogen um uns zieht. Allmählich sehe ich die Kreatur im Detail, was mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
An den Pratzen sind Krallen so lang wie meine Hand und die Beine strotzen nur so von Muskeln. Der Rücken ist geschmückt von großen Stacheln, was mich an einen Dinosaurier erinnert. Am Schwanzende befindet sich eine große Kugel, an der ebenfalls viele Stacheln sind. Wahrscheinlich ist ein Treffer davon sofort tödlich. Aus dem Kopf ragen zu beiden Seiten riesige Hörner, größer als alles das ich jemals auf Bildern gesehen habe. In seinem Mund erkenne ich mehrere Reihen spitzer Zähne.
Die Kreatur ist ein tödliches Monster. Auf einmal wird mir klar wieso wir kein anderes Tier finden konnten.
Aber wieso greift es uns nicht an? Da es sehr nah bei uns läuft, müsste es uns doch schon längst gesehen haben. Oder kann es uns nicht sehen?
Momentan ist die Kreatur hinter dem Fremden und sucht irgendwas, weswegen er mit der Hand, welche er die ganze Zeit am Mund hatte, mit vorsichtigen Bewegungen uns versucht etwas zu sagen.
Dabei tippt er zweimal mit seinem Finger auf sein geschlossenes Auge. Vermutlich meint er damit, dass die Kreatur blind ist. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil für uns. Nun begreife ich auch wieso wir uns nicht bewegen und leise sein sollen. Wenn die Kreatur blind ist, wird sie ein exzellentes Gehör haben und uns damit aufspüren können bzw. gefunden haben.
Plötzlich hebt es seinen Kopf an und schwingt den Schwanz einmal in beide Richtungen. In Gedanken verabschiede ich mich von Chu und denke an Kayla, daran ob ich sie gleich wiedersehen werde.
Ich rechne damit, dass die Kreatur jeden Moment auf uns zustürmt, doch sie dreht auf einmal um und rennt davon. Glücklicherweise in die entgegengesetzte Richtung von unserer Gruppe.
Erst als die donnernden Schritte von der rennenden Kreatur nicht mehr zu hören sind atme ich erleichtert auf und traue mich wieder zu bewegen.
"I-In O-Ordnung. Holen w-wir eure F-Freunde", gibt der Fremde nach.
~*~*~
Der Weg ist weit und wir sind erschöpft, weswegen wir uns damit begnügen müssen schneller zu laufen als Schritttempo. Sonst wären wir zu oft gezwungen eine Verschnaufpause einzulegen, womit wir viel langsamer unterwegs wären.
Unterwegs erfahren wir von dem Fremden wichtige Dinge über den Planeten. Ein Tag dauert 36 Stunden und das Jahr ist um vier Monate länger als das auf der Erde. Jahreszeiten gibt es nicht, in diesem Gebiet ist es immer Sommer.
"Also diese Kreatur ... was weißt du über sie?", erkundigt sich Chu bei Daon, dem Fremden. Dieser hat sich mittlerweile etwas beruhigt, wodurch er ohne zu stottern sprechen kann. Allerdings ist sein Körper noch immer am Zittern.
"Nicht viel, nur das Nötigste. Wir halten uns so gut es geht fern von den Kreaturen. Sie sind blind am Tag, aber bei Nacht hilft still stehen bleiben nicht mehr. Riechen können sie uns auch nicht, obwohl sie manchmal am Boden schnüffeln, wieso bin ich auch überfragt. Hören jedoch können die Kreaturen einwandfrei. Sie sind durch ihre Krallen, Stacheln und Zähne äußerst tödlich. Ihre einzige Schwachstelle ist Wasser, weswegen unser Lager auf der anderen Flussseite ist. Aber ..." Daon stockt kurz, versucht die richtigen Worte zu finden.
"Wir wurden von anderen Kreaturen überfallen. Nicht so gefährlich, aber weitaus intelligenter. Sie haben uns im Schlaf überfallen. Wir haben versucht über die Brücke, die wir gebaut haben, zu entkommen, doch die anderen Wesen haben sie mit Technologie zerstört, welche mir vollkommen fremd ist. Sie haben keinen getötet, sondern bewusstlos gemacht und eingefangen. Als wären wir Tiere. In dem Tumult bin ich einfach ins Wasser gesprungen und auf die andere Flussseite. Obwohl die Strömung stark und gefährlich ist habe ich es irgendwie geschafft. Ich bin der Einzige, der ihnen entkommen ist. Sie haben alle mitgenommen."
Mit leerem Blick sieht er mich an. Ich weiche ihm aus, schaue zu Boden. Meine Gruppe ist den anderen Kreaturen genauso hilflos ausgeliefert wie seine. Wir haben nur vier Waffen um uns zu wehren.
Chu scheint zu erkennen was in mir vorgeht, denn er nimmt mich kurz zur Seite, damit wir ungestört reden können.
"Auf beiden Flussseiten ist es gefährlich, aber auf dieser können wir mit den gefährlichen Kreaturen nicht bleiben. Vor allem wird uns früher oder später die Nahrung ausgehen. Außerdem hat Daon gesagt, dass die anderen Kreaturen keinen getötet haben. Eventuell sind sie sogar friedlich und wollten nur helfen."
"Hörst du eigentlich, was du da sagst?", fahre ich ihn bissig an. "Auch wenn sie die andere Gruppe lebendig entführt haben heißt das noch lange nicht, dass sie uns helfen wollen. Vielleicht experimentieren sie so lange an ihnen rum bos sie irgendwann sterben oder essen sie lebendig. Das kannst du nicht wissen. Natürlich können wir hier auch nicht bleiben, aber geh nicht davon aus, dass drüben alles besser wird. Denn das wird es nicht und davon auszugehen ist naiv. Mach die Augen auf, Chu! Wir sind auf einem fremden Planeten auf dem uns alles und jeder töten kann. Wir wissen rein gar nichts. Naiv durch die Welt zu laufen wird uns mehr im Weg sein als das es uns nützt. Auf der anderen Flussseite müssen wir genauso auf Kreaturen aufpassen wie hier und uns verteidigen. Lass deine Traum-blase platzen und werd' erwachsen."
Damit beschleunige ich meine Schritte und lasse ihn hinter mit zurück. Ich weiß nicht wieso ich Chu so vor den Kopf gestoßen habe anstatt normal mit ihm zu reden.
Momentan weiß ich nur eins: wir müssen unsere Gruppe schneller erreichen als die Kreaturen.
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Other life
ФэнтезиMit pechschwarzen Augen sieht die Kreatur mich an. Ihr Gesicht zeigt keinerlei Ausdruck von Mitgefühl oder Schuld. Der Blick ist emotionslos. Wie ein Tier bin ich gefesselt. Hilflos, in der Falle. Niemals werde ich hier lebend rauskommen. Das eist d...