Kapitel 16

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Zuhause wollte Harry gleich wissen, wo ich war. „Das muss dich nicht interessieren!", sagte ich genervt. Bin ich noch wegen Ross so drauf gewesen? Nein, das musste nicht unbedingt sein. Denn mein Bruder war manchmal ziemlich ärgerlich, was mich etwas reizte. Was auch immer es war; es gab bedeutendere Dinge im Leben.

„Aber das sagst du immer! Komm schon, verrat's mir!", riss Harry mich aus meinen Gedanken. Ich war kurz davor auszurasten, weil er mich dermaßen aufregte, doch dann klingelte es heute schon zum zweiten Mal, soweit ich weiß, an der Haustür. Hoffentlich war es nicht schon wieder dieser Harvey, oder noch schlimmer Ross! Doch glücklicherweise war es nur Sam - was hieß da eigentlich nur?! Sie war meine allerbeste Freundin!

„Hey! Oh mein Gott, wie ich mich freue dich zu sehen!", rief ich. „Was machst du hier?" „Na, ich musste dich einfach wiedersehen! Außerdem Glückwunsch!", jubelte sie. „Ich wusste, du schaffst es!" „Danke! Was würde ich ohne dich machen?", fragte ich sie lächelnd. Sam zuckte mit den Schultern, doch sie grinste immer noch breit.

„Ist es okay, wenn ich mich wieder bei dir ausheule?" Damit meinte ich nicht, dass ich weinen würde. Ich brauchte einfach jemanden, mit dem ich über Ross reden konnte. Sie meinte: „Natürlich." „Du kannst es mir wirklich sagen, wenn du das nicht möchtest, wenn es dir zu viel wird", entgegnete ich ihr darauf, aber Sam sagte mir: „Nein, wirklich! Mir macht das nichts aus. Es interessiert mich sogar, was zwischen dir und ihm gerade läuft." Also gab ich mich zufrieden und erzählte ihr dann das heutige Erlebnis.

Danach war sie erst still, sprachlos, doch sie hatte gleich eine Theorie: „Bestimmt hat Harvey ihn dir nur zugeteilt, weil Ross es wollte. Er versucht noch immer an dich heranzukommen. Ich weiß, du möchtest das nicht hören, aber ich denke, er ist auf jeden Fall noch in dich verknallt. Und du bist doch auch noch in ihn verknallt; das passt doch! Wieso kehrst du denn nicht zu ihm zurück?!" „Weil ich ihn gleichzeitig hasse! Das weißt du doch!", sagte ich. „Hey, was sich liebt, das neckt sich! Und außerdem versucht er alles! Gib ihm doch noch eine allerletzte Chance!", schlug Sam vor. „Ich muss es mir überlegen, ja? Lass uns jetzt über was anderes quatschen!", meinte ich nun. Zu viel Ross an einem Tag!

„Na gut. Ich", fing sie an und stoppte kurz, „habe einen Freund." „Wow, toll! Das freut mich für dich!", gratulierte ich ihr. Dieses Thema erinnert mich zwar an Ross, doch es ging jetzt wenigstens um sie. Neugierig fragte ich: „Ich hoffe, er liebt dich wirklich, denn das verdienst du! Wie heißt er denn?" „Rocky Lynch."

„Meinst du das ernst? Du verarschst mich doch, oder?", fragte ich ungläubig. Das konnte doch nicht sein! Gut, Rocky war ganz ok, aber trotzdem. Warum musste Sam sich ausgerechnet einen Bruder von Ross aussuchen?! Es gab noch so viele andere tolle Jungs, auch wenn ich noch nie die Gelegenheit hatte, einen davon zu treffen.

„Ähm, nein. Tut mir leid", entschuldigte sie sich. „Wir sind wirklich zusammen." Dann blieb es etwas ruhig, bis ich irgendwann hinausplatzte: „Wieso bloß?!" „Äh, weil wir uns lieben?", antwortete sie eher fragend. „Ja, schon klar. Aber... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Hör zu: Ich mag Rocky, aber er ist nun mal Ross' Bruder und das muss ich jetzt erst verdauen. Vielleicht wäre es besser, wenn du gehen würdest. Trotzdem danke für den Besuch!", sagte ich und schickte Sam fort.

Plötzlich kam Harry aus der Ecke und meinte: „Oh, oh. Pass auf, dass sie nicht bald die Freundschaft kündigt." Zuerst wäre ich fast wieder ausgerastet, weil er uns belauscht hatte wie so oft im Leben, doch dann kam mir der Gedanke: Was, wenn er recht hatte? Ich hatte vielleicht ein bisschen überreagiert und war etwas lauter geworden. Ich hoffte, sie würde mein Verhalten verstehen.

Schnell sprang ich die Treppe hoch und rannte in mein Zimmer, damit ich weder meinem Bruder noch meinen Eltern, die jeden Moment kommen konnten, vom Tag erzählen musste. Fast bis Mitternacht las ich ein spannendes Buch, das mich die heutigen Ereignisse kurz vergessen ließ. Danach legte ich mich schließlich auf's Ohr und schlief solange, bis das Klingeln meines Handy mich aus dem Schlaf riss.

Ich: „Wer ist da?"

Noch unbekannt: „Hier spricht Harvey Henderson. Und du bist Liv, richtig?"

Ich: „Ja, aber woher haben Sie meine Nummer? Ich hab sie Ihnen nicht gegeben."

Harvey: „Das stimmt allerdings. Ross gab mir deine Nummer."

Ich: „...Danke für die Information."

Harvey: „Keine Sorge. Ich habe ihn darum gebeten, damit ich dich immer erreichen kann. Und ich habe dich heute angerufen, weil ich dich im Tonstudio brauche. Wir wollen heute mal etwas ausprobieren. Ich erwarte doch in einer halben Stunde."

Und schon aufgelegt. Toll, noch genau 30 Minuten, bis ich dort sein sollte. Das ging fast gar nicht! Alleine für Umziehen, Essen und Bad benötigte ich insgesamt 25 Minuten. Mom und Dad hatten recht: Schule war viel schöner.

Ich machte so schnell ich konnte, schrieb Harry noch einen Zettel und sprang auf mein Fahrrad. Rasend schlenderte ich die Treppe hoch und ins Tonstudio. Keiner da. Wie jetzt? Mein Chef war nicht pünktlich am verabredeten Treffpunkt?!

„Du bist zu spät!", hörte ich hinter mir und fuhr herum. Vor mir stand Harvey. „Ja, ich weiß. Aber ich lag vorhin noch in die Decke eingewickelt im Bett und ein Auto hab ich auch noch nicht. Ich kann nichts dafür", erklärte ich ihm. „Nicht schlimm. Immerhin wird das dein erster richtiger Arbeitstag sein", sagte er freundlich. „Du wirst deine ersten Erfahrungen im Studio machen und einen Song aufnehmen, der von Andy Grammer geschrieben wurde."

„Hä, wie? Ist der extra für mich?", fragte ich. Er nickte und meinte: „Bereits direkt nach dem Sieg bei The Voice fangen wir mit den Aufnahmen des ersten Albums an. Außerdem habe ich gehört, dass du dieses Label so schnell wie möglich verlassen möchtest. Also..." Jetzt hatte ich ja fast keine Geheimnisse mehr für mich! Das wurde ja immer schlimmer! Jedoch war das gerade nicht wichtig.

„Verstehe. Darf ich mir den Song ansehen?", fragte ich. Harvey antwortete: „Natürlich. Wir werden uns jetzt gemeinsam an ihn machen." Dann gingen wir den Text und die Melodie durch. Nachdem dies getan war, versuchte ich mich schließlich im Tonstudio. Gar nicht so einfach wie ich immer gedacht hatte. Dauernd stimmte der Ton oder der Rhythmus nicht, oder ich sang zu schwach, sollte kräftiger singen. Irgendwann hatten wir beide genug, weshalb wir aufhörten.

Komischerweise hatte ich Ross noch gar nicht gesehen, obwohl es schon Nachmittag war. Klar bin ich froh darüber, doch es war einfach sehr merkwürdig. „Ähm, Harvey! Nicht dass ich das unbedingt wissen müsste, aber was ist mit Ross los? Er hat sich heute noch kein einziges Mal blicken lassen", wollte ich nun wissen. „Oh, du weißt es noch gar nicht?", erkundigte er sich. Ich wusste nicht, um was es sich handelte, deswegen zuckte ich mit den Schultern.

„Okay, setz dich erst einmal!" Also tat ich das. „Ross ist wieder im Krankenhaus. Als er gestern Abend zu viele Sit-ups gemacht hat, ging die OP-Narbe auf." „Das tut mir leid", behauptete ich. Dabei meinte ich das eigentlich überhaupt nicht ernst, aber natürlich konnte ich nicht gerade heraussagen, dass es mir egal war.

„Ja, er hätte echt nicht abhauen dürfen. Gestern, da hat er hier noch ein bisschen trainiert, während ich etwas Schreibkrams erledigte. Er sagte, er würde sich gut in Form bringen wollen, um dich zu beeindrucken. Ich habe ihn bereits gewarnt, aber er hat nicht auf mich gehört", erzählte Harvey. Also wirklich, Ross sah schon so toll aus. Sowieso hätte sich die Anstrengung nicht gelohnt: Auch wenn er noch heißer sein würde, hätte ich kein Interesse. Ich achtete nämlich nicht auf das Aussehen eines Typen. Sein Inneres zählte für mich, was bei Ross jedoch nicht ganz passte. Ganz und gar nicht!

„Irgendwann war es dann halt zu viel, und ich sah, wie sein T-Shirt sich rot färbte. Er hatte Glück, dass ich da war. Ich weiß nicht, ob das hätte passieren können, aber er wäre vielleicht sonst verblutet." „Oh, na dann bedanke ich mich bei dir für dein Dasein", sagte ich. Wenn ich das so hörte, machte ich mir doch etwas Sorgen.

„Haben wir heute noch irgendwas vor?", wechselte ich das Thema. Darauf meinte Harvey: „Nicht, dass ich wüsste. Wieso?" „Ich würde jetzt gerne nach Hause", antwortete ich. „Genehmigt. Du darfst gehen. Noch einen schönen Tag!", wünschte er mir, bevor ich aus dem Gebäude ging und nach Hause fuhr.

Was einst Hass war (Ross Lynch/R5 FanFiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt