Kapitel 3

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Nachdem ich die lange Busfahrt voller angespannter Stille und unausgesprochenen Worten hinter mir hatte, holte ich mir schnell meinen Schlüssel an der Rezeption ab, ließ mein ganze Klasse hinter mir und flüchtete in mein Zimmer. Mit viel Schwung ließ ich mich auf mein weiches Bett fallen und dachte nochmal über den Plan, den mir Aelin geschildert hatte, nach. "Sowas kann sie doch nicht machen!", sagte ich laut in die Stille hinein. Ich musste Frust ablassen, das war mir klar. Also zog ich mir schnell etwas anderes an, nahm die Treppen nach unten ins Erdgeschoss und fragte die Rezeptionistin ob es hier einen Flügel oder zumindest ein Klavier gab. Sie beschrieb mir wage einen Weg zu einer privaten Lounge, die zurzeit nicht bewohnt war und gab mir die Schlüssel damit ich auch aufsperren konnte. Hastig dankte ich ihr für ihre Großzügigkeit und ging mit schnellen Schritten zur besagten Lounge. Zimmer 159 das musste es sein. Ich steckte den Schlüssel, der sich klobig in meiner Hand anfühlte, in das Schloss und die große Eichentür schwang auf. Ich staunte nicht schlecht. Die Frau hatte nicht übertrieben, als sie sagte dass das eine Lounge war. Bei den Möbeln konnte ich nur grob schätzen wie viel sie wert waren. Alles war in Zinnoberrot und und Weiß gehalten. Den Atem anhaltend durch diese Pracht die mir entgegenschlug, schlenderte ich langsam durch das größte Wohnzimmer in das ich je einen Fuß hineingesetzt hatte. Suchend schaute ich mich nach dem Flügel um, der in diesem Zimmer stehen sollte. Ah! da war er ja. In einer Ecke, die nur aus den Fenstern bestand, stand ein riesiger, weiß-lackierter Flügel. Ehrfürchtig fuhr ich mit meinen Fingern über das Holz. Es fühlte sich weich unter meinen Fingern an. Ich setzte mich auf den dazugehörigen Klavierstuhl und klappte den Deckel auf. Ich spielte erstmal die Tonleitern bis ich mir sicher war, das ich das Spielen wieder im Gefühl hatte. Ich erinnerte mich an ein paar Stücke und begann zu spielen. Die Töne flossen aus meinen Fingern, so, als wäre ich nur für das Klavierspiel geboren.In meiner Wut und meiner Rastlosigkeit verlor ich mich in der Musik, in den Tönen. Ich spielte gefühlte Stunden als sich plötzlich jemand neben mich setzte. Ich erschrak dermaßen , dass ich gegen den Deckel knallte. Gerade noch konnte ich meine Finger wegziehen, bevor der Deckel mit einem lauten "Rums!"zuknallte. "Verdammt, Chris", schnaufte ich empört, " schleich dich nie wieder so an, verstanden?" Er überhörte mein Fluchen geflissenhaft und sagte nach einiger Zeit zu mir: " Ich wusste gar nicht, dass du Klavier spielen kannst... Naja ich frag dich das ein andermal, wie du zum Klavier gekommen bist." Er lächelte mir verschmitzt zu und fuhr fort:" Ich wollte dir nur sagen, dass es gleich Essen gibt, deswegen komm jetzt mit zum Essensaal. Du weißt doch wie Mr. Foxwood werden kann, wenn jemand zuspät kommt." Ohja, das wusste ich nur zugut, denn ich hatte es auf die harte Tour gelernt, dass unser Lehrer fuchsteufelswild wurde, wenn man zuspät kam. Da war das, was er heute bei meinem Zuspätkommen tat, Babykram. Ich nickte Christopher zu und wir verließen den Raum. Ich sperrte ab und wir machten uns auf den Weg zum riesigen Essensaal des Hotels.

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Mit leisen Schritten betraten Christopher und ich den Speisesaal. Ich suchte nach unseren Freunden und sah Aelin, die sich angeregt mit Max unterhielt, in einer Ecke an unserem Stammtisch sitzend. Stammtisch deswegen, weil es einfach der ruhigste und der weitentfernteste Platz von unsere Klasse war. Vielleicht sogar vom ganzen Saal. Ich begrüßte Aelin und Max und ließ mich neben Aelin auf den Platz sinken, gegenüber von Max. Christopher setzte sich auf den letzten, freien Stuhl und somit war unsere kleine Runde komplett. Nach kurzer Zeit und einem angeregtem Gespräch über das London Eye, kam ein etwa 40-jähriger Ober und nahm unsere Bestellungen an Getränken auf. Wir bekamen sowieso alle das gleiche Essen,also hatten wir nur freie Wahl bei den nicht-alkoholischen Getränken. "Also ich muss ehrlich sagen, mir wird London fehlen, wenn wir wieder zurück nach Deutschland fliegen", fing Max an. " Ich werde die scharfen Engländerinnen vermissen", sagte Christopher schelmisch, was ihm einen bösen Blick von Aelin einfing. " Oh ja", begann jetzt auch Aelin," Und Victoria und ich werden die sexy Engländer vermissen, besonders die am Dienstag." "Aelin!", sagte ich empört und wurde rot. Peinlich. An dem besagten Dienstag waren nämlich alle Mädels losgezogen um Alkohol zu bekommen. Dann hatte Trisha, eine schwarzhaarige Türkin die Idee, auch mal Leben in dieses "Kaff", so wie sie es bezeichnte, zu bringen und daraufhin waren wir alle in einen Stripschuppen gegangen. Es war die Hölle! Ständig wurde gekreischt und dann gab es natürlich den "sexy" Polizisten der ausgerechnet mich verhaften musste. " Das war die schlimmste Nacht meines Lebens!", erwiderte ich auf Aelins Aussage, immernoch mit rotgefärbten Wangen. Als ich zu Max sah, blitzte in seinen Augen eine Spur Eifersucht auf oder hatte ich mir das wieder eingebildet? Nach einiger Zeit beugte Aelin sich nahe zu mir und flüsterte:"19:30 Uhr in der Lobby, wehe du kommst nicht." Nachdem sie fertig geflüstert hatte, drehte sie sich zu Chris und lachte über irgendeinen Witz. Was sollte das denn gerade?

Der Tower  ~ Gefangen in der Zeit ~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt