Kapitel 3 - Eddie

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Es ist Sonntag der 29. April und ich habe nach Wochen endlich wieder länger geschlafen. Tragt euch den Tag im Kalender ein, ein Weltwunder ist geschehen! Kurz denke ich daran, ob mein Vater mich einfach gehen lassen wird, aber er müsste noch schlafen. Ich beschließe zur Hütte zu schleichen und es gelingt mir ohne Probleme.

„Ohh ich habe die Ehre, dass meine Schwester mich besucht", lächelt Nathan schwach und schaut mich mit seinen braunen Augen an.

Sie sehen so traurig aus und trotzdem sind sie schön. Die Augen hat er von meiner Mutter. Zwar finde ich braune Augen normalerweise scheiß langweilig, aber die von Nate und mum haben irgendetwas besonderes in sich. Vielleicht ist es auch nur die Trauer. Ich weiß es nicht. Ein gezwungenes Lächeln breitet sich in meinem Gesicht hervor.

„Wie ich sehe hast du Eddie umgebracht. Ich habe dir doch gesagt, dass du das nicht tun sollst Nathanchen! Du lernst ziemlich langsam", scherze ich, um nicht weiter an seine Augen denken zu müssen, was mehr als nur unmöglich ist.

„Nathanchen?", lacht Eddie plötzlich laut auf, „Was besseres ist dir nicht eingefallen?". Er stützt sich mit seinem Ellenbogen auf. Eddie liegt auf meiner Matratze gegenüber von Nate und ich muss zugeben, dass Ed mit seinen verwuschelten Haaren ziemlich süß aussieht.

Ich schüttele leicht meinen Kopf. Da ich keine Antwort gab, hat mir mein Bruder aus dem Geschweige rausgeholfen: „So hat sie mich immer früher genannt". Er lächelt, doch ich sehe trotzdem nur den Schmerz. Der Schmerz, der auffällig in seinen Augen leuchtet.

Wir schweigen alle und ich schaue heimlich zu Eddie, der mittlerweile sitzt und ohhh - er hat kein Oberteil an. Glotze ich gerade wirklich seinen sixpack an? Er hat einen sixpack! Wow. Ich zwinge mich wieder hochzuschauen, in seine Augen. „Schön, dass dir mein Body gefällt", bemerkt Eddie.

Fuck. Er hat gesehen, wie ich ihn angestarrt habe. Ich rolle meine Augen: „Nur in deinen Träumen, Parker!".

So kenne ich ihn, als besten Freund meines Bruders. Ich empfand ihn immer als selbstverliebt bis zum gestrigen Tage. Vielleicht hat er einfach nur die schlimmsten Stimmungsschwankungen der Welt. Ich weiß es nicht und es dürfte mich eigentlich auch nicht interessieren.

Eddies fettes Grinsen geht mir langsam auf die Nerven. Nate wohl auch, denn er wirft ein Kissen in seine Richtung. Eddie versucht dem Kissen auszuweichen, doch ohne Erfolg. „Hey, was soll das?", beklagt sich Ed. Ich pruste los.

„Dafür, dass du auf Entzug bist, kannst du gut treffen. Spast", meckert er und zieht sich endlich ein T-Shirt über.

Mein Zwillingsbruder versucht sich aufzustützen, aber er ist zu schwach. „R-Rose bitte. Du-du sollst mich nicht lä-länger so sehen", zittert er plötzlich. Die gute Laune ist hin.

Ich schaue Nate an und niemand sagt eine Zeit lang etwas. „Soll ich dir was bringen?", frage ich, da ich nicht weiß, wie ich anders hätte reagieren sollen.

„Ne Decke?", flüstert Nathan. Ich nicke und mache mich auf den Weg.

Wann ist das endlich vorbei? Es ist schrecklich. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen oder was ich machen soll. Ich habe einfach nur Angst um meinen Bruder.

Mein Handy klingelt. Bitte wer ist das denn jetzt? Unbekannte Nummer. Ich gehe dran. „Hey", ertönt eine etwas piepsige Stimme. „Hey, mit wem habe ich das Vergnügen?", frage ich. „Oh, pardon, ich bin eine alte Freundin Ihres Vaters. Loren ist mein Name. Ich wollte fragen, ob ich eventuell kurz rüber kommen könnte. Er geht nicht ans Handy und-", ich unterbreche sie, „Ok, ok. Es tut mir sehr Leid, aber mein Vater ist momentan nicht in der besten Verfassung. Es wäre keine gute Idee, wenn Sie kommen würden. Überhaupt keine gute Idee". Ich lege auf.

Woher hatte diese Frau meine Nummer? Was sollte das gerade? Ich werde auf keinen Fall eine Frau mit einer piepsigen Stimme in das Haus lassen. Vor allem nicht, wenn sie zu meinem Vater will. Er ist viel zu sehr beschäftigt damit, das ganze Geld für scheiße auszugeben.

Ich laufe zügiger nach Hause, reiße die Haustür auf, möchte gerade hochgehen, als ich plötzlich eine Frau bei meinem Vater erkenne. Sie lachen. Mein Vater lacht? Nein. Das kann nicht mein Vater sein. Ein Alien muss meinen dad mit einer gleichaussehenden Person ausgetauscht haben.

„Sie sind wohl Loren?", strecke ich vorsichtig meine Hand zu der großen schlanken Frau. Sie hat lange blonde Haare und graublaue Augen. Ein bisschen erinnert sie mich an Amanda Seyfried, nur in alt. Aber auch nicht zu alt. Sie ist wahrscheinlich um die 40/50 Jahre alt.

„Hmm ja", lächelt sie und schüttelt meine Hand. Ihr Lächeln sieht so dermaßen gezwungen aus, dass ich mir mit einem Edding ein Lächeln aufmalen könnte und es trotzdem echter aussieht.

Bei ihr habe ich es vermasselt, aber das interessiert mich keineswegs. Mein Vater hingegen doch. „Dad?", ich wende meinen Blick zu ihm. „Ich dachte du wärst bei deiner Freundin. Wie heißt sie nochmal?", schnipst mein dad vor sich hin.

Ich rette ihn, ohne es wirklich zu wollen, aus der Situation: „Carla? Oh ja, ihr Hund hat sich verletzt und sie musste dann mit ihm zur Tierklinik, aber ich gehe jetzt gleich wieder weg. Zu äh..zu Max. Jap zu Max!". Ich renne die Treppe hoch, schnappe nach der besten Decke, die ich finde und stürze aus meinem Haus.

Mir ist es egal, was Loren wohl von mir denken muss und auch alle anderen, die mich mit dieser Decke sehen, aber wieso ein Dämon ausgerechnet meinen Vater als Hülle nehmen sollte, ist unerklärlich. Ich kann mir einfach nichts anderes denken. Es muss ein Dämon sein oder vielleicht doch ein Doppelgänger? Ich hoffe jedoch, dass es eine Zeit so bleibt. Alles ist besser als der ‚zerbrochene Vater'.

Ich gehe in die Hütte, werfe die Decke auf Nathan und laufe im Kreis. „Was ist denn mit dir los?", fragt mein Bruder, während er sich die Decke zurechtlegt.

„Dad, er ist besessen. Er muss besessen sein!", plappere ich und ätze mich schließlich zwischen Eddie und Nate auf den Boden.

„Besessen?", lacht Ed. „Ach' was weiß ich. Es ist einfach nur komisch, dass dad normal aussah, ja normal! Er hatte eine Frau bei sich und das Wohnzimmer war halbwegs aufgeräumt. Er muss doch besessen sein oder wie erklärst du dir das?", schreie ich fast.

Nate starrt mich an: „Das ist gerade zu viel für mich. Ojfkdk". Seine Augen sind geschlossen und ich verstehe nicht, was er sagt.

Eddie steht auf und zerrt mich mit nach draußen. „Wie wär's, wenn du deinen Bruder erst wieder siehst, wenn das alles hier vorbei ist? Es ist besser für dich und für ihn", behauptet Ed, „Glaub mir!". Aha. Er ist gerade zurück gekommen und ich soll mich wieder von ihm trennen? Nein.

„Ich kann doch nicht einfach zu meinem Vater mit seiner komischen Frau gehen! Außerdem brauche ich Nate. Ich brauche ihn!", verkünde ich.

Eddie schiebt mich weiter von der Hütte weg. „Rose, das geht so aber nicht weiter. Er hat noch ein paar scheiß quälende Tage vor sich und du hast nur das harmloseste von all dem mitbekommen. Also bitte tu nicht so, als wäre jetzt dein Vater das schlimmste Problem. Er hat sich in den Griff bekommen, na und? Dein. Bruder. Will. Wieder. Ein. Normales. Leben. Haben. Also gönn es ihm auch und nerve ihn nicht mit deinen Problemen. Wenn etwas passiert, kann ich dich jederzeit anrufen, ok? Also bitte, geh einfach!", mault er mich an.

Was war das denn gerade? Ich habe doch fast nichts gemacht!? Ich drehe mich um und renne weg. Ich habe keine Ahnung wohin ich renne, Hauptsache weg von Eddie, meinem dad oder auch Loren.

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