So ein Scheiß!

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Elyas ging an diesem Tag mit Raphael joggen, dann ins Fitnessstudio, folgte ihm nach Hause, wo sie zusammen etwas Kohlenhydratfreies kochten und er ihm nur mit halber Aufmerksamkeit zuhörte, wie er von seinen letzten sportlichen Erfolgen erzählte. Zwar machte Elyas auch recht viel Sport, dennoch war Raphael viel extremer und ernährte sich fast ausschließlich gesund und setzte jeden Tag neue Rekorde mit seinen Übungen. Elyas dagegen genoss 'richtiges' Essen und auch Süßes viel zu sehr und sündigte zu gerne auch mal bei McDonalds und trank das ein oder andere Glas zu viel, wenn er auf Veranstaltungen oder Partys war. Außerdem war Raphael schon lange glücklich mit seiner Freundin Amelie zusammen und konnte gar nicht so richtig verstehen, wie Elyas sich fühlte. Auch er wollte endlich mal wieder Glück in der Liebe haben.

Ansonsten wartete er an diesem Tag vergebens auf eine Nachricht von Ina. Nur einmal gab sein Iphone ein Ton von sich und wie angestochen rannte er zum Tisch, wo das Handy lag, um endlich was von ihr zu lesen, doch die Nachricht kam von seiner Agentin, die ihn daran erinnerte, dass er morgen früh für drei Tage nach Berlin fliegen musste. Enttäuscht atmete er tief aus und bekam Magenschmerzen. Als er im Bett lag, nahm er noch ein letztes Mal das Handy in die Hand und überlegte. Sollte er ihr wenigstens schreiben, dass er für ein paar Tage nicht in der Stadt ist? Doch am Ende stellte er nur seinen Wecker auf 6 Uhr morgens, denn er war zu stolz um sich als Erster zu melden. Er war sich sicher, dass er im Recht war.

Ungefähr 6 km entfernt hob sich Ina müde ins Bett und checkte noch ein letztes Mal ihr Handy. Elyas hatte sich noch immer nicht gemeldet und sie war schon fast sauer, dass er sich nicht entschuldigen wollte. Er hatte doch damals darum gebettelt, mit ihr zusammen zu sein und immer wieder wollte sie ihm klar machen, dass es kompliziert werden würde. Nun hatten sie die ersten Probleme und er konnte nicht einsehen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Eine Träne bahnte sich den Weg nach draußen und tropfte mit einem leisen „Platsch" auf das Kopfkissen. Ihr Herz verkrampfte sich und sie griff nach der Wasserflasche neben ihrem Bett um ihre trockene Kehle zu befeuchten. Doch ihre Hand blieb leer und als sie nach unten guckte, bemerkte sie, dass dort gar keine Flasche stand. „So ein Scheiß!" fluchte sie laut vor sich hin und erinnerte sich, dass Elyas ihr die Flasche die letzten paar Wochen neben das Bett gestellt hatte. Sie quälte sich mit stechenden Rückenschmerzen wieder in den Rollstuhl und holte sich weinend selbst die Flasche.

In Berlin stand Elyas drei Tage vor der Kamera um einen aufwendigen Werbespot für Coca Cola zu drehen, welcher vor allem im Kino gezeigt werden würde. Seine Partnerin in diesem Clip war ein internationales Model, welches seiner Meinung nach viel zu dünn war. Ein paar Kurven durften Frauen nach seinem Geschmack schon haben, so wie Ina. Immer wieder dachte er an sie und vermisste sie jede Stunde mehr. Denn normalerweise, wenn er weg war, texteten sie sich teilweise stundenlang am Abend hin und her und schickten sich witzige Nachrichten, schrieben sich, wie sehr sie sich liebten und wohin die nächsten Ausflüge gehen sollten. Doch dieses Mal klingelte sein Handy nur selten und das meistens um uninteressante Nachrichten seines 'Rudels', die Gruppe seiner Kumpels, anzukündigen. Am Abend setzte er sich frustriert vor den Fernseher und klickte sich durch die Sender, bis er beim Sandmann landete, den er sonst immer mit Laura guckte. Deprimiert rieb er sich durchs Gesicht, schaltete den Fernseher wieder aus und schrieb einer guten Freundin aus Berlin, ob er vorbeikommen könnte.

Anika Decker, eine erfolgreiche Drehbuchautorin, hatte sofort zugesagt und ihm zu Chips und Dips in ihre elegante Wohnung eingeladen. Dort angekommen, klagte er ihr sein Leid und sie hörte bei der kompletten Geschichte von Anfang bis Ende zu. Als er bei dem letzten Kapitel seiner Story angekommen war, fragte er plötzlich: „Aber du verarbeitest das jetzt nicht in einer deiner Geschichten, oder?" Sie grinste: „Naja, ein sexsüchtiger Mann macht sich in einer Geschichte immer gut!" Sofort konterte er beleidigt: „Hey, ich bin nicht sexsüchtig! Aber wenn ich bei ihr schlafe, dann würde ich schon gerne MIT ihr schlafen." Doch Anika erwiderte so vorsichtig wie möglich: „Naja, ich weiß zwar nicht, wie es ist, im Rollstuhl zu sitzen, aber wenn sie wirklich Schmerzen hat, dann musst du das akzeptieren. Ich meine, willst du, dass sie sich für dich quält?" Er schüttelte sofort seinen Kopf: „Nein, natürlich nicht! Ich will doch nur das Beste für sie. Ich liebe sie!" Sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und guckte ihn intensiv an. Elyas begann zu stottern: „Ähm, du meinst, ich müsste mich entschuldigen?" Anika nickte deutlich und er atmete tief und ein und aus.

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