Ich will zu meiner Mama

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Elyas hatte in dieser Nacht überhaupt nicht schlafen können und als er müde, frustriert und tottraurig am Morgen aufstand, stellte er sich mit einem Knoten im Herzen ans Fenster und starrte in den grauen hoffnungslosen Tag. Laura schlief noch immer und nach einem spärlichen Frühstück, welches aus Appetitlosigkeit gerade mal aus einem Kaffee und einer halben Banane bestand, guckte er auf die Uhr und obwohl es gerade mal 7 war, wählte er die private Nummer seines Anwalts. Dieser schien gar nicht überrascht über diesen frühen Anruf und fragte gleich: „Und was hat die Presse dieses Mal über dich gesagt, was Sie lieber geheim halten möchten?" Elyas musste ganz kurz grinsen, denn normalerweise rief er nur früh morgens oder spät abends an, wenn es mal wieder Frauengerüchte gab und er wollte, dass das so schnell wie möglich dementiert wird und die Onlinebeiträge größtenteils verschwinden. Aber dann schluckte er, setzte wieder die traurige Miene auf und sprach: „Ich habe dieses Mal ein ganz anderes Problem." Der Anwalt sagte interessiert: „Na, dann schießen Sie mal los!" Elyas erklärte ihm die ganze Geschichte, er fing an, wie Ina und er sich kennen lernten, er sprach über die Beziehung und Trennung, den Streit und über den Besuch der Sozialarbeiterinnen gestern. Einen Moment lang schwieg der Anwalt und fragte dann: „Und was bitte soll ich da jetzt machen? Das Jugendamt hat Recht: Sie werden das Sorgerecht nicht bekommen." Elyas runzelte die Stirn und er wurde etwas lauter: „Mann, Sie sollen klagen oder so, dass ich das bekomme. Oder was machen, damit ich Sie adoptieren kann! Wenn Laura eh zur Adoption frei gegeben wird, dann kann ich sie ja adoptieren." Der Anwalt konnte sich sein Lachen nicht verkneifen: „Wissen Sie, in Deutschland gibt es so viele Familien, die ein Kind adoptieren möchten, da haben Sie als fruchtbarer, ich nehme jetzt mal an, dass sie das sind, junger und alleinstehender Mann überhaupt keine Chance! Das Jugendamt zieht fast ausschließlich verheiratete gutsituierte Paare, wo die Frau nicht arbeitet, in Betracht. Und Ihre Arbeitszeiten sind für eine Familiengründung ja auch nicht gerade förderlich." Elyas schnaubte wütend: „Na und, trotzdem könnte ich ein toller Vater für sie sein und irgendwann werde ich auch eine Frau kennen lernen und so lange kann mir meine Mutter helfen." Der Anwalt sprach mit einer beruhigenden Stimme: „Herr M'Barek, ganz ehrlich: Sparen Sie sich Ihr Geld und genießen Sie die Zeit, die Sie jetzt noch mit Laura haben. Ich kann verstehen, dass Sie sehr an ihr hängen, aber rechtlich kann ich nichts machen, es tut mir Leid!" Tränen schossen in Elyas' Augen und ohne sich zu verabschieden, legte er auf.

Während er schwer atmend orientierungslos im Wohnzimmer stand, spürte er plötzlich eine kleine Kinderhand an seinem Bein. Er guckte erschrocken nach unten und zwang sich ein Lächeln für Laura auf. Er nahm sie auf den Arm und sagte mit beschlagener Stimme: „Guten Morgen, meine Süße! Du hast bestimmt Hunger. Komm, ich mache dir ein tolles Frühstück." Nachdem die Kleine eine Scheibe Toastbrot mit Nutella verspeist hatte, riss sie Elyas mit folgenden Worten aus den Gedanken: „Können wir jetzt Mama abholen und in den Zoo gehen?" Sein Herz stoppte und guckte sie für einen Moment mit offenem Mund an. Dann schluckte er, atmete tief ein und spürte, wie sich erneut Tränen nach draußen bahnen wollten. Er biss sich kurz auf die Unterlippe und spürte einen so starken Druck auf seinem Herzen, dass er kaum atmen konnte. Kurz schloss er seine Augen und sagte dann mit zitternder Stimme: „Süße, das geht leider nicht." Er machte eine kurze Pause und Laura nutzte diese um zu fragen: „Mama mag dich nicht mehr, oder? Sie hat jetzt Peter." Er riss die Augen auf und schüttelte irritiert den Kopf: „Nein, nein, nicht deswegen. Laura, deine Mama war dolle krank, ohne das sie es wusste. Weißt du, was passiert, wenn Menschen sehr krank oder alt sind?" Er hoffte, dass sie sich vielleicht noch an den Tod ihrer Großeltern erinnerte. Doch Laura schüttelte mit dem Kopf. Noch einmal atmete er tief ein und Tränen liefen sein Gesicht herunter: „Sie schlafen ein, für immer und werden dann von Engeln abgeholt und in den Himmel gebracht." Laura guckte ihn schief an: „Und kann ich sie dort besuchen?" Elyas schüttelte traurig seinen Kopf: „Leider nein, aber sie kann dich sehen." Die Kleine runzelte die Stirn, guckte ihn böse an und schrie: „Du lügst! Ich will zu meiner Mama!" Elyas stützte seinen Kopf in seine Hände und noch bevor er sich versah, war Laura vom Tisch aufgesprungen und rannte so schnell sie konnte zur Wohnungstür, riss diese auf und lief in den Hausflur. Elyas schaffte es gerade noch so, hinterher zu rennen und sie aufzufangen bevor sie die Treppe hinunterstürzte. Sofort schrie sie auf, strampelte um sich und versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. Er hatte Probleme sie festzuhalten und sie trat ihn so fest mehrmals in die Rippen, dass es ihm wehtat und er sie etwas unsanft auf dem Sofa absetzte. Er versuchte sie an sich zu drücken um sie zu beruhigen: „Laura, bitte, ich lüge nicht! Es tut mir so Leid, ich würde deine Mama auch gerne sehen wollen, aber es geht nicht mehr." Noch lange lag sie weinend in seinen Armen und rief nach ihrer Mami und Elyas wog sie selber schluchzend hin und her. Es brach ihm das Herz, die Kleine so zu sehen, aber noch mehr schmerzte es ihm, dass sie vielleicht in ein paar Wochen nicht mehr hier sein würde und in seinen Gedanken suchte er nach einem Weg sie behalten zu können.

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