Zuhause ist es nicht mehr schön

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Nur 4 Minuten später sprangen Seda und Elyas aus dem Auto, welches sie im Parkverbot geparkt hatte. Elyas rannte als Erster die Treppe hoch und noch bevor er an seiner Haustür ankam, rief er in dem Treppenhaus laut nach Laura. Er horchte konzentriert und hörte dann kleine Kinderschritte die Treppe runterkommen. Sofort verschnellerte er seine Schritte und als er sein kleines Mädchen sah, riss er sie hastig nach oben und drückte sie fest an sich. Tränen erschienen in seinen Augen und als Seda dazu kam, hatte man das Gefühl, dass man hören konnte, wie auch ihr ein Stein vom Herzen fiel. Auch sie umarmte die Kleine, sprang aber sofort zurück und meinte: „Oh Gott, du bist ja eisekalt!" In der Tat zitterte sie auch leicht und kuschelte sich deswegen noch stärker in Elyas' Arme. Laura hatte mehr als zwei Stunden auf dem kalten Boden des Treppenhauses gewartet und war komplett durchgefroren. Sofort gingen sie in die Wohnung, wo Elyas Laura in eine warme Decke einwickelte und sich mit ihr vor die aufgedrehte Heizung setzte. Erst jetzt guckte er sie an, doch seine Gesicht sah fast böse aus und ernst sprach er: „Laura, warum bist du von der Kindergartengruppe weggelaufen? Das geht doch nicht! Du kannst noch nicht alleine U-Bahn fahren, das ist viel zu gefährlich." Laura guckte ihn mit ihren großen Augen an und sagte traurig: „Ich weiß, aber ich wollte fragen, ob ich wieder bei dir wohnen kann!? Und mein neuer Papa hat gesagt, dass ich dich nicht mehr besuchen darf, also musste ich weglaufen." Wieder einmal schien es Elyas' Herz zu zerreißen, als er sagte: „Süße, du weißt doch, dass ich das nicht entscheiden darf, wo du wohnst. Ich hätte dich sehr gerne bei mir, aber es geht leider nicht. Und dein Papa hat Recht, besuchen darfst du mich eigentlich auch nicht." In der Zwischenzeit kam Seda mit einer warmen Tasse Tee für Laura und stellte sie auf den Tisch. Dann griff sie zum Handy und meinte: „Ich sage gleich Bescheid, dass die Adoptiveltern sie hier abholen können." Doch Elyas sprach hastig: „Seda, gib ihr ein paar Minuten, bitte. Dreißig Minuten mehr oder weniger werden jetzt auch keinen Unterschied machen." Sie guckte ihn entgeistert an: „Wenn du sie suchen würdest und ich würde dir 30 Minuten später Bescheid sagen, würdest du ausflippen." Schnell fauchte er sie an: „Wir müssen es denen ja nicht sagen!" Widerwillig legte sie das Handy wieder auf den Tisch und setzte sich mit verschränkten Armen und bösem Blick auf den Sessel. Dann fragte Laura ganz leise: „Kannst du die bitte noch mal fragen, ob ich wieder bei dir wohnen kann?" Er küsste sie liebevoll auf den Kopf und sprach mit ziehendem Herzen: „Schatz, das geht wirklich nicht. Und warum willst du denn nicht mehr bei deinen neuen Eltern wohnen? Die haben doch ein ganz tolles Zimmer für dich und einen Hund!" Sie versteckte ihr Gesicht in seinem Sweatshirt und schluchzte. „Hey, was ist denn los?" fragte er, während er ihr durch die Haare streichelte. Sie sprach fast unverständlich: „Zuhause ist es nicht mehr schön." Er runzelte die Stirn und fragte vorsichtig: „Warum, Süße? Was ist denn los?" Sie hielt den Stoff seines Sweatshirts in der Hand und hielt sich daran krampfhaft fest, als sie sagte: „Da kommt immer so ein Onkel und dann trinkt der Bier mit Papa und schläft bei uns. Und dann nachts kommt er in mein Zimmer und fasst mich an, da unten. Aber ich will das nicht, aber er hat gesagt, ich darf das nicht Mama oder Papa sagen, weil die mich dann in ein Kinderheim stecken, wo es nicht schön ist." Elyas' Herz stoppte und mit offenem Mund guckte er Seda an, die die Augen weit aufgerissen hatte und sprachlos tief ein und ausatmete. Sie konnten nicht glauben, was sie gerade gehört hatten. Seda schluckte und fragte dann mit schmerzendem Magen: „Laura-Süße, wann war denn dieser Onkel das letzte Mal da?" Noch immer hatte sie das Gesicht auf Elyas' Brust gedrückt, aber leise sprach sie: „Gestern." Sofort sprang Seda auf und meinte: „Wir fahren sofort ins Krankenhaus."

Noch immer hatte Seda nicht Bescheid gesagt, dass Laura gefunden worden war, aber inzwischen war ihr das egal, da sie gerade in der Intensivstation des Krankenhauses ankamen. Die Kleine war weiterhin in der Decke eingewickelt und hielt sich bei Elyas fest, doch als die Ärztin auf sie zukam, sagte diese: „Geben Sie sie mir!" Er zögerte und guckte hilfesuchend zu Seda. Die Ärztin meinte: „Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn sie als Mann dabei sind." Seda nahm Laura zu sich und sagte: „Ich gehe mit!" Im Untersuchungszimmer befand sich bereits eine Psychologin und eine Krankenschwester versuchte vorsichtig, Laura die Unterwäsche auszuziehen. Die Kleine aber wehrte sich, kniff die Beine zusammen und wollte von der Liege springen. Seda griff liebevoll nach ihr und sagte: „Pst, die tun dir nicht weh, das verspreche ich! Das ist ganz normal, die wollen sich das nur mal angucken." Laura guckte sie traurig an, aber legte sich wieder hin und hielt Sedas Hand fest. „Haben die das bei dir auch gemacht, als du dein Baby im Bauch hattest?" fragte die Kleine. Seda lächelte traurig und erinnerte sich daran, wie Elyas und sie Laura mit einem Kinderbuch zeigten, wie Babys entstehen und sie wieder aus dem Bauch kommen. Sie nickte: „Ja, da haben die Ärzte das bei mir auch gemacht." Dann fragte die Kleine neugierig: „Und wo ist dein Baby jetzt?" Seda schluckte: „Ähm, mein Baby war ganz dolle krank und ist jetzt im Himmel." Laura guckte sie direkt in die Augen: „Machst du mit Elyas jetzt ein neues Baby?" Tränen liefen Sedas Gesicht nach unten und mit zittriger Stimme sagte sie: „Ja, bestimmt." Kurz danach war die Ärztin fertig und bat Seda kurz nach draußen zu gehen, damit die Psychologin allein mit Laura sprechen konnte. Noch immer liefen die Tränen Sedas Gesicht herunter und draußen fiel sie in Elyas' Arme und schluchzte: „Ich liebe dich so sehr! Du wärst so ein toller und liebevoller Vater und bist ein wunderbarer Partner. Es tut mir Leid, dass ich so gemein zu dir war! Ich war so fertig!" Elyas küsste sie und schmeckte ihre salzigen Wangen: „Ich weiß und ich liebe dich trotzdem."

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