Kapitel 13 - Ein alter Feind oder ein neuer Freund I

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Kapitel 13 – Ein alter Feind oder ein neuer Freund I

21:54 Uhr; Zerfallener Sektor

Mir gefällt das nicht.
Als Jasons Stimme in meinen Gedanken erklang, verdrehte ich die Augen. Dir gefällt nie was, Jas. Oder ist das dein neuer Standartsatz?
Vielleicht.
Ich schüttelte den Kopf und seufzte dabei genervt.
„Was ist los?", fragte Nathan, der neben mir auf der Empore in einer alten Lagerhalle hockte und schaute mich verstört an. Es musste etwas seltsam rüberkommen, wenn ich mich in Gedanken mit Jason unterhielt und dabei ständig eine genervte Reaktion von mir gab.
„Ach nichts", murmelte ich, konnte mir aber ein belustigtes Schmunzeln über mich selbst nicht verkneifen.
Ich hatte ein paar unauffällige Hinweise verteilt, dass ich heute Abend angeblich eine Mission hier in dieser Lagehalle hatte. Wenn Max mich also wirklich sucht, würde er diese finden und hoffentlich hier auftauchen.
Ich ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. Die andren konnte ich nur schwach in der Dunkelheit erkennen, da ich wusste, wo sie sich befinden. Auf der gegenüberliegen Seite befanden sich Torby, Andrew und Freya. Meine Schwester hatte die Arme auf dem verrosteten verschränkt und beachtete Torby nicht, der sich beinah lautlos mit Andrew unterhielt. Andrew hatte von Torby erfahren, was wir alle hier vorhatten und wurde auch von diesem gebeten, mit zu kommen. Jason hat dies überhaupt nicht gefallen. Ich hatte ein paar Minuten gebraucht, um ihn zu beruhigen, damit er sich nicht wieder Andrew in die Wolle bekam. Was wir eigentlich wirklich vorhatten, hatten wir Andrew nicht verraten, da wir nicht wollten, dass er den Rebellen etwas davon erzählte. Natürlich erschwerte sich unser Vorhaben mit Andrews Anwesenheit. Wenn wir nicht aufpassten, dann könnte er etwas von unserem Gespräch mit Max mitbekommen. An sich hatte ich kein Problem damit, aber Jason wollte nicht, dass Andrew etwas davon den Rebellen erzählte. Ich verstand zwar nicht ganz, warum Jason Andrew momentan so wenig traute, aber ich hatte ein Deal mit Jason.
Ich schreckte aus meinen Gedanken, als Alain sich neben Nathan erhob und ein paar Meter auf der Empore von uns weg ging. Seit sein Vater von Max angegriffen worden war, war er unruhig und wollte unbedingt herausfinden, was dahinter steckte. Ich wandte den Blick von ihm ab und fragend zu Nathan, der mich die ganze Zeit schon musterte. „Was?", flüsterte ich so leise, dass nur er mich hören konnte.
„Du wirkst irgendwie genervt", antwortete er in der gleichen Lautstärke.
Ich ließ die Schultern sinken. „Ist ein wenig viel in letzter Zeit." Ich sah mich abermals in der Lagerhalle um, bis mein Blick wieder bei Freya und Torby hängen blieb. „Was ist eigentlich mit den beiden los?" Mir war gerade langweilig und da wir nicht einmal wussten, ob Max hier überhaupt auftauchen würde. Also konnte ich auch ein wenig mehr über meine Geschwister erfahren.
Nathan folgte meinem Blick und grinste erheitert. „Ach. Die beiden waren mal zusammen. Wie man sieht, haben sie sich inzwischen nicht mehr so gerne."
„Was ist passiert?" Freya war zwar meine Schwester, aber ich wusste noch nicht, wie ich sie einschätzen sollte oder was ich von ihr halten sollte.
Nathan wollte gerade antworte, als mir eine Bewegung im Schatten erkennen konnte. Mit einer kleinen Handbewegung deutete ich ihm an, sich nicht zu Bewegen. Zwar kann man uns von da unten nicht sehen, aber ich wollte nichts riskieren. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie Nathan den anderen ein Zeichen gab, sich bereit zu machen.
Ich erhob mich so gelassen wir möglich und trat an das Geländer. Max. Ich wartete, ob er meine Gedanken wahrnahm. Auch wenn ich ihn noch nicht richtig sehen konnte, war ich mir sicher, dass er es sein musste.
Er antwortete nicht, woraufhin ich über die leicht verrostete Leiter von der Empore hinunter kletterte. Ich schritt langsam in die Mitte der Lagerhalle und ließ meinen Blick immer noch auf die Stelle gerichtet, wo ich Max vermutet.
Dann sah ich erneut eine Bewegung und trat näher an die düstere Seite der Halle.
Du bist nicht allein, erklang Maxs Stimme in meinem Kopf.
Also war er es tatsächlich. Ich näherte mich ihm noch etwas weiter, bis ihn seine dieses Mal nur schwach leuchtenden Augen entdeckte.
Ich dachte schon, dass er die Rebellen meinte, aber dann folgte ich seinem Blick und erkannte Jason, der nicht weit von mir auf einer Lagerkiste hockte und Max mit zusammengekniffenen Augen beobachtete.
„Keine Sorge, er ist mein bester Freund", erklärte ich ruhig und dieses Mal nicht in Gedanken.
Wieso suchst du nach Jin? Es war Jason, der dies fragte.
Max musterte ihn noch immer lauernd aus dem Schatten heraus. Er schien uns keineswegs zu trauen. In der Bahnstation hatte er sich zwar von mich beruhigen lassen, aber Jason gegenüber war er anscheinend noch misstrauischer.
Max? Ich sah ihn fragend an, aber er erwiderte einen Blick nur für einen ganz kleinen Moment, dann bewegte er sich im Schatten und ich hatte Mühe ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Wer auch immer er war, er verstand es den Schatten zu seinem Vorteil zu nutzen.
Einen kurzen Augenblick später wusste ich dann wirklich nicht mehr, wo er sich befand. Ich sah zu Jason, dessen Augen blau glühten und mit unserer Nachtsicht den Schatten absuchte.
Es dauerte eine Weile, bis ich unseren Fehler erkannte. Denn Max befand sich überhaupt nicht mehr im Schatten, sondern den Schritten nach zu urteilen war er hinter mir. Und das verdammt nah.
Ich wirbelte herum und sah tatsächlich Max nur wenige Schritte von mir entfernt stehen. Allerdings erkannte ich auch aus dem Augenwinkel Nathan, der sich von hinten dem fremden TVI näherte.
Ich hielt den Blick des dunkelblonden TVI. Du hast in der Bahnstation gesagt, dass es deine Aufgabe wäre, uns aufzuhalten. Wer hat dir diese Aufgabe gegeben?
Er hatte die Augen misstrauisch zusammen gekniffen und musterte mich eindringlich, als suche auch er irgendeinen Anhaltspunkt, um Antworten zu finden.
Bevor er antworten konnte, packte Nathan ihn von hinten an der Schulter und wollte ihn überwältigen. Doch er schien Maxs schnelle Reflexe, die durch den T-Virus geschärft waren, zu unterschätzen. Und das obwohl ich ihm das auf dem Weg hier her extra gesagt hatte. Max wirbelte herum, fasste Nathans Arm und drehte ihn ihm auf den Rücken.
Bevor er Nathan ernsthaft verletzten konnte, griff ich schnell in die Rangelei der beiden ein. Da ich ebenfalls ein TVI war, verlor Max gegen mich seinen Vorteil durch den T-Virus, aber ich merkte trotzdem nach nur ein paar Augenblicken, dass er mir überlegen war. Dies lag nicht nur daran, dass er älter und größer war als ich, sondern dass er eine sehr viel ausgereiftere Nahkampftechnik hatte. Während ich seinem Schlag auswich, der meine Schulter hätte treffen sollen, schoss mir durch den Kopf, dass er schon seit sehr vielen Jahren ausgebildet werden muss. Ich wurde ja schon seit meinem siebten Lebensjahr trainiert, aber mit Max konnte ich nicht mithalten. Daher dauerte es auch nicht lange, bis er mich aus dem Gleichgewicht brachte. Ich fing meinen Fall noch gerade so auf, aber er drückte mich bereits auf den Boden und drehte mir einen Arm auf den Rücken, was mich schmerzerfüllt aufstöhnen ließ.
Er hatte mit einem Knie mein Bein auf dem Boden fixiert, so dass sein Gewicht nun auf der Stichwunde lastete, die er mit in den Tunnels verpasst hatte. Bis gerade hatte ich diese kaum gespürt, da ich etwas von Matthews starken Schmerzmittel gespritzt bekommen hatte, aber nun brannte sie wie Feuer.
„Ich brauche deine Hilfe", flüsterte er plötzlich über mir. Es war das erste Mal, dass ich seine tiefe Stimme laut hörte. „Aber deine Begleiter sind mir nicht gut gesinnt." Er nahm das Knie von meinem Bein und lockerte den Griff an meinem Arm, so dass es nicht mehr schmerzte.
Ich wollte gerade zu einer Antwort ansetzten, als Max von mir herunter gerissen wurde. Ich drehte mich blitzschnell auf den Rücken und sah Torby und Alain, die Max festhielten. Torby drückte dem TVI ein weißes Tuch gegen Nase und Mund, woraufhin seine heftige Gegenwähr langsam nachließ. Es dauerte nur wenige Momente bis Max die Augen zu fielen und er in den Armen der beiden Rebellen bewusstlos zusammen sackte.
„Was habt ihr mit ihm gemacht?", fragte ich und wollte mich hochstemmen, woraufhin ein heftiger Schmerz mein Bein hinauf schoss.
Torby stopfte das Tuch zurück in seine Jackentasche. „Das war Chloroform. Er ist nur bewusstlos, keine Sorge."
Jason trat zu mir und half mir auf. „Na das hat ja nicht so gut geklappt, wie wir gehofft hatten", murmelte er so leise, dass nur ich ihn verstehen konnte.


22:15 Uhr; Delta Sektor, HQ der Night Rebellen

Nachdenklich musterte ich Max durch die Scheibe des Verhörraums hindurch, der mich stark an einen solchen der Polizei erinnerte. Hinter mit diskutierte Nathan und Alain mit Freya darüber, wie wir jetzt am besten Vorgingen. Aber am Ende würde die Entscheidung sowieso bei Torby liegen, der gerade bei Caleb war und ihm berichtete, wie unser Vorhaben in der Lagerhalle verlaufen war.
Kurz sah ich aus dem Augenwinkel zu Jason, der die Rebellen genervt beobachtete, dann wandte ich meinen Blick wieder zu Max, der alleine in dem Verhörraum saß. Seine Hände waren mit Handschellen fixiert, die über einen Magnetismus am Tisch fest waren. Seinen Blick hatte er die ganze Zeit schon auf die Tischplatte gesenkt und starrte regungslos vor sich hin, während seine dunkelblonden Haare, die ihm wirr über die Stirn fielen, mir jeglichen Blick in seine Augen verwehrten.
„Darf ich vielleicht jetzt auch mal etwas sagen?", rief Jason plötzlich laut und schaffte es so tatsächlich, die Aufmerksamkeit der drei Rebellen auf sich zu ziehen. „Der Mann ist ein TVI. Warum lasst ihr Jin und mich nicht erstmal mit ihm sprechen? Uns sagt er eher was als euch."
Nathan nickte zustimmend und auch Alain sah so aus, als hielte er dies für eine gar nicht so schlechte Idee, aber Freya sprach sich direkt wieder dagegen aus. Irgendwie war sie mir nicht so wirklich sympathisch.
Nathan, der schon eine ganze Weile neben mir stand und sich an die Glasscheibe gelehnt hatte, schien meinen skeptischen Blick zu bemerken. „Sie vertritt Aidens Ansichten", flüsterte er mir leise zu. „Deshalb redet sie im Moment ständig gegen uns Night Rebellen."
„Caleb und Aiden sind nicht so grün miteinander oder?"
Er schüttelte den Kopf.
Weißt du? Irgendwie geht mir deine Schwester auf die Nerven, vernahm ich prompt Jasons Stimme in meinem Kopf.
Ich weiß auch nicht, was ich von ihr halten soll, Jas. Ich wandte meinen Blick wieder von den Rebellen ab und sah zu Max. In der Lagerhalle, als er mich überrumpelt hat, da hat er mich um Hilfe gebeten.
Jason sah zu mir. Wer? Max?
Ich nickte leicht. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm.
Mit ihm stimmt alles nicht, Jin.
Ich warf Jason seinen bösen Blick aus dem Augenwinkel zu, aber bevor ich Antworten konnte, vernahm ich eine andere Stimme in meinen Gedanken.
Ich habe ja keine Ahnung von diese TVI Fähigkeiten, aber ich glaube nicht, dass es eure Absicht ist, dass ich euer Gespräch hören kann.
Mein Blick schoss zu Max, der leicht den Kopf gehoben hatte und zu Glasscheibe sah. Ob wohl diese von seiner Seite verspiegelt war, so dass er eigentlich gar nicht wissen konnte, wo ich stand, hatte ich das Gefühl, dass er mir geradewegs in die Augen sah.
Ich tauschte einen Blick mit Jason, der genauso überrascht aussah. Verdammt, fluchte er dann. Wir haben nur darauf geachtet, dass Andrew unser Gedanken nicht hören kann.
Ich nickte langsam. Es war so ungewohnt, dass es noch einen TVI gab, dass ich überhaupt nicht daran gedacht hatte, dass auch Max uns hören kann.
Als die Tür des Nebenraums, in dem wir uns befanden, geöffnet wurde, zuckte ich zusammen. Torby betrat den Raum und gab Alain ein kurzes Handzeichen, dass er aufhören sollte, mit Freya zu diskutieren.
„Was machen wir jetzt?", fragte Nathan den stellvertretenden Anführer der Rebellen. „Jin und Jason wollen gerne mit dem TVI sprechen. Ich halte das eigentlich für eine gute Idee."
Ich warf Nathan einen dankbaren Blick zu, während Torby sich nachdenklich durch die blonden Haare fuhr. „Na gut, dann los."
Jason sprang sofort auf und ich folgte ihm zu Tür hinaus und zu der zum Verhörraum hinein. Max sah nur kurz aus dem Augenwinkel zu uns, als wir eintraten, dann wandte er den Blick wieder auf die Tischplatte. Ich ließ mich gegenüber von ihm auf dem Stuhl nieder, während Jason etwas abseits von mir stehen blieb und Torby sich an den Türrahmen lehnte. Ganz alleine ließ er uns also nicht mit Max.
„Warum habt ihr mich hier her gebracht?", fragte Max verärgert bevor ich selber zu Wort kam. „Und wo sind wir hier eigentlich?"
Ich sah kurz zu Torby, der nickte. Dann wandte ich mich wieder Max zu. „Du bist hier im Hauptquartier der Rebellen, Max. In Sicherheit."
„In Sicherheit vor wem?", meinte er spöttisch. „Ich bin nirgendswo vor ihm sicher. Er findet mich immer."
Meinst du Silver? Ich achtete dieses Mal darauf, dass auch wirklich nur er meine Gedanken hörte und auch Jason nicht, denn ihm hatte ich immer noch nichts von dem seltsamen Mann mit den silbernen Augen erzählt.
Er schüttelte leicht den Kopf. Ich weiß nicht, welche Rolle Silver spielt, aber er ist nicht der, der mir das angetan hat.
„Was hat er dir angetan?", fragte ich nun wieder laut und wurde kurz von den beiden anderen Männern verwundert angeschaut, die unserem Gespräch nun wohl nicht mehr folgen konnten.
„Sie haben irgendetwas mit meinem Gedächtnis gemacht. Ich kann mich an nichts außer meinem Namen erinnern. Ich bekomme von ihm immer nur eine Aufgabe, die ich ausführen soll, ansonsten hält er mich in einer Zelle gefangen." Max lehnte sich vor und ich konnte in seinen bernsteinfarbenen Augen gleichzeitig Wut und Angst erkennen. „Ich will wissen, was sie mit mir gemacht haben."
Sein Gedächtnis war manipuliert worden, genauso wie meins, wenn ich Silvers Worten Glauben schenkte. „Wer sind sie?"
„Racket." 

SKYLINE - RebellionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt