Ich rührte müde in meinem Kaffee und studierte die Zeitung. Den üblichen Quatsch überflog ich lediglich, war ich doch auf der Suche nach etwas Bestimmtem.Ich wollte wissen, ob es etwas Neues von Calvin gab, denn ich fühlte mich schuldig, dass er überhaupt auf freiem Fuß war. Seine Worte gingen mir nicht aus dem Kopf. Er hatte noch etwas zu erledigen, hatte er gemeint. Calvin wollte Rache und ich hoffte aus tiefstem Herzen, dass dabei niemand zu Schaden kam.
Jedoch war es, realistisch betrachtet, nicht unwahrscheinlich, dass er sich an einer Person rächen wollte. Eine Person, die ihm wohl seine Jugend zur Hölle gemacht hatte. Die Polizei konnte leider auch nichts anderes tun, außer eine Großfahndung einzuleiten.
Ich erschauderte. Schnell blätterte ich eine Seite zurück und stürzte mich regelrecht auf den Artikel. Calvin hatte jemanden ermordet! Offenbar war die Leiche eines gewissen Leon F. kurz nachdem seine Familie ihn als vermisst gemeldet hatte, in einem mit Wasser vollgelaufenen, alten Bunker entdeckt worden.
Den Todeszeitpunkt schätzte man auf etwa drei Stunden vor dem Fund; er war ertrunken. Durch die gefesselten Arme und Beine hatte er keine Chance gehabt, dem Wasser zu entkommen. In seinen rechten Arm war das Wort Revenge geritzt worden. Der Grund, wieso der Bunker so rasch vollgelaufen war, war ein defekter Wasserhahn, durch dessen Leitung das Wasser ungehindert strömen konnte.
Aufmerksam las ich weiter. Mir stockte der Atem, als ich die nächsten Zeilen las. Calvin war tot! Man hatte seine Leiche wenige hundert Meter von dem Bunker entfernt auf einer Lichtung gefunden. Es wurde davon ausgegangen, dass er sich selbst mit einer hohen Dosis Solanin, welche man in seinem Blut nachweisen konnte, vergiftet hatte.
In den Stamm des Baumes, an welchem er gelegen hatte, war Livie hineingeritzt worden. Livie. Mein Name! Darunter hatte er die folgenden Sätze geschrieben:
„Und wie ist es ausgegangen?"
„Ich habe ihn ermordet. Und wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde es immer wieder tun. Deshalb halten sie mich für verrückt. Darum bin ich hier und nicht im Knast."
Die Frage war so formuliert, wie ich sie ihm gestellt hätte, aber nie tat. Dies hätte alles geändert. Ich starrte auf meine vor Anspannung zitternden Hände und ballte sie zu Fäusten.
Ich war schuld an dem Tod zweier Menschen. Und das nur wegen meiner verfluchten Naivität!
Und in diesem Moment, als ich die zwei kleinen Sätze, die Calvin unter meinem Namen auf die Rinde geschrieben hatte, erneut las, wusste ich, was ich tun musste. Ich holte den Papierkorb unter meinem Schreibtisch hervor und starrte auf meine Aufzeichnungen, die ich in unzählig viele Fetzen zerrissen hatte.
Seufzend fischte ich einige davon heraus und breitete sie auf der Tischplatte aus. Es würde viel Arbeit werden, die Schnipsel wieder richtig zusammenzufügen, doch ich musste es tun. Ich war es Calvin schuldig. Calvin, und dem Mann, der wegen meiner dummen Idee ums Leben gekommen war.
Denn wenn diese Idee schon zwei Menschenleben gekostet hatte, sollte ich sie auch vollenden. Jedoch nicht auf die Weise, wie ich es mir ursprünglich ausgedacht hatte.
ENDE
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Murder Conversation| ✓
غموض / إثارة„Und wie ist es ausgegangen?" „Ich habe ihn ermordet. Und wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde es immer wieder tun. Deshalb halten sie mich für verrückt. Darum bin ich hier und nicht im Knast." Es war nur eine harmlose Idee für ein Buch...