07| Siebtes Kapitel

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Einen Tag. Vielleicht aber auch nur wenige Stunden.

Calvin wusste, dass ihm nicht viel Zeit blieb, noch lange verborgen von einem mannshohen Busch auf die Stadt herabzusehen. Doch er war nie jemand gewesen, der sich um die Zeit kümmerte.

Sie würden ihn nicht schnappen. Denn solange er ihnen einen Schritt voraus war, hatte er alle Zeit der Welt. Dabei wollte er eigentlich nur ein letztes Mal die Stadt betrachten, welche so lange Freiheit und Gefängnis zugleich für ihn bedeutet hatte. Dieser Ausblick rief Erinnerungen in ihm hervor und er kam in Versuchung, sich von ihnen übermannen zu lassen.

Ein letztes Mal, bevor er ging. Ging, um sich zu rächen und das zu tun, worauf er jahrelang hingearbeitet hatte. Nicht umsonst hatte er Livie manipuliert, ihre unendlich scheinende Naivität kam ihm dabei zu Gute.

Er bereute nichts, sie tat ihm nicht leid. Schon lange hatte er aufgehört, Mitleid für andere Menschen zu empfinden, waren sie doch alle gleich erbärmlich. Erbärmlich und schwach.

Dieser Kuss war reine Genugtuung für ihn gewesen, das unglaubliche Gefühl der Macht, Überlegenheit und Stärke, was ihn in diesem Moment überkam, war wie ein Rausch für ihn. Er hatte es regelrecht genossen, sie zu manipulieren.

Sie war eine junge, unschuldige und naive Seele, aber mit Stolz. Sie würde sich ziemlich aufregen, wenn sie dann wieder aufwachte und kapierte, dass er sie nur ausgenutzt hatte.

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen drehte er dem Ausblick auf die Stadt den Rücken zu und ging. Ging, um das zu tun, was er seit der Grundschule hatte tun wollen.

 Ging, um das zu tun, was er seit der Grundschule hatte tun wollen

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Verwirrt blinzelte Livie. Wo war sie?

Nach einigen Sekunden erkannte sie die dunkelgraue Wand gegenüber von ihr, welche mit unzähligen Fotos übersäht war. Sie war in ihrem Zimmer. Doch wie war sie hierher gekommen?

Sie konnte sich erinnern, dass sie zuletzt mit einem Pfleger und Calvin in der Stadt gewesen war. Calvin! Mit einem Mal wusste sie wieder, was geschehen war.

Er hatte sie einfach manipuliert und ausgenutzt, dieses Arschloch! Nur um sie am Ende wegzuwerfen wie ein Stück Müll! Energisch und angewidert wischte sie sich mehrmals mit dem Ärmel über ihre Lippen.

Wütend auf sich und ihre Naivität strampelte sie die Bettdecke von sich und setzte sich auf. Wieso musste sie auch immer wieder auf solche Idioten hereinfallen? Dabei hatte Calvin sie sogar gewarnt, mehrmals.

                    „Oh, Babe. Ich bin gefährlich, unterschätze mich nicht."

„Nett? Das ist ja wirklich niedlich von dir, Kleine, aber ich bin alles andere als nett."

Doch sie hatte es nie ernst genommen, denn sie hatte ihn tatsächlich für nett gehalten. Sie hatte geglaubt, er würde einfach nur übertreiben. Oh, was war sie doch leichtgläubig gewesen!

Abrupt stand sie auf, stützte sich gleich darauf jedoch schwankend an der Wand ab, denn ihr Kreislauf war noch nicht wieder ganz in die Gänge gekommen.

Sie stampfte hinüber zu ihrem Schreibtisch, wo ihre Aufzeichnungen der Gespräche mit Calvin verstreut langen. Sie schob alle Notizzettel auf einen Haufen zusammen, nahm sie und zerriss alle Blätter in jede Menge kleiner Fetzen, die sie in den Papierkorb rieseln ließ.

Leute in der Psychiatrie waren eben das, was man über sie erzählte! Psychisch krank, unberechenbar und emotionslos! Wie war sie nur auf die bescheuerte Idee gekommen, es könnte anders sein? Was hatte sie dazu bewogen, das Gegenteil beweisen zu wollen?

Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand und starrte auf ihre Füße. Einige einzelne Tränen rannen ihre Wangen hinab und sie beschloss, sich zu ändern.

Sie würde nicht mehr so naiv denken, sondern die Absichten von Menschen hinterfragen. Denn eines hatte Calvin sie gelehrt: Die Welt war nicht so toll und gut, wie sie immer geglaubt hatte. Das Leben war hart und wer blind jedem vertraute, baute sich selbst eine Falle.

Zwei Arme schlossen sich um sie und drückten sie wortlos an einen warmen Körper. Tief sog Livie den vertrauten, fruchtigen Duft von Leyla ein und ließ zu, dass sie ihr die Tränen von den Wangen wischte.

„Das Leben ist schwer und kompliziert. Ich werde nie wieder so leichtgläubig handeln und sämtliche Warnungen ignorieren. Denn noch lange nicht in jedem Menschen steckt etwas Gutes."

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