Fake Love; VKook

Kapitel 11

Am nächsten Morgen stehe ich um 9 Uhr am Bus.

Wie angekündigt, werden wir heute unseren ersten Ausflug nach Barcelona machen, um uns dort die Stadt und ganz besonders die Basilika anzusehen.

Nachdem die restliche Klasse eingetrudelt und der Bus geöffnet worden ist, setze ich mich an den selben Platz wie auf der Hinfahrt - natürlich wieder ohne einen Nebensitzer.

Während der Bus langsam über die unebenen Landstraßen holpert, denke ich immer wieder über mein gestriges Gespräch mit Jungkook nach.

Wieso hat er mir das wohl alles erzählt? Dass er weiß, was ich für ihn empfinde, und dass er ebenfalls schwul ist?

Ich habe nicht das Gefühl, dass wir einen besonders guten Draht zu einander haben, geschweige denn, dass wir uns lang genug kennen, um über so etwas zu sprechen. Außerdem hat sich Jungkook zuvor meist nur verschlossen gegenüber mir verhalten.

Und dann hat er trotzdem gestern plötzlich angefangen, mir all das zu beichten...

Vorsichtig luke ich nach hinten zu den Beliebten.

Sie sitzen wie sonst auch völlig entspannt da, als würde ihnen der gesamte Bus gehören, und unterhalten sich ausgelassen.

Doch etwas ist anders.

Normalerweise wäre Chan Eunji (oder ein anderes, auswechselbares Mädchen) noch bei ihnen, säße auf Jungkook's Schoss und würde wild mit ihm herum knutschen.

Aber heute ist bei den Beliebten keine Spur von ihr zu sehen.

Anstatt eng umschlungen mit Chan Eunji zu knutschen, sitzt Jungkook etwas abseits seiner Freunde und scheint tief in Gedanken versunken zu sein.

Ich wende meinen Blick von den Beliebten ab und suche mit den Augen den Bus nach Eunji ab, bis ich sie schließlich finde.

Sie sitzt nur ein paar Reihen hinter mir, mit geknickter Haltung und geröteten Augen, aus denen unzählige Tränen strömen.

Ich sehe mich um, ob mich auch gerade niemand beobachtet, dann rutsche ich vorsichtig von meinem Sitz und laufe leise zu ihr.

Als sie bemerkt, dass eine Person neben ihr stehen geblieben ist, wischt sie sich schnell über das Gesicht und wendet ihren Kopf dann in meine Richtung.

Augenblicklich erkennt sie mich und ihr Blick verändert sich, allerdings weder herablassend noch genervt - die Gesichtsausdrücke, die sie für gewöhnlich hat, wenn sie mich sieht -, sondern einfach nur verwirrt.

"Was willst du von mir, Taehyung?", fragt sie mit verweinter Stimme, aber nimmt doch ihren pinken Rucksack von dem Sitzplan neben ihr, sodass ich mich kurzerhand darauf niederlasse.

"Wieso weinst du?", frage ich leise.

Sie zuckt nur die Achseln und schaut auf ihre Füße, während neue Tränen ihr Gesicht überströmen.

"Hat es etwas mit Jungkook zu tun?", bohre ich vorsichtig nach.

Sie lacht verächtlich auf, was allerdings viel zu künstlich klingt. "Was interessiert dich das schon?"

Als ich nicht antworte, seufzt sie und beginnt einfach zu erzählen: "Weißt du, ich dachte, dass Jungkook es mit mir wirklich ernst meint. Von allen Jungen, mit denen ich bis jetzt zusammen gewesen bin, ist er garantiert der netteste. Er ist die ganze Zeit über so gut zu mir gewesen, weißt du; hat mich zum Essen ausgeführt, mir immer wieder Komplimente gemacht. Und dann, nach 3 wundervollen Tagen... Ich weiß, wie sein Ruf ist und so. Und ich weiß auch, was man so über mich sagt - okay, das Meiste davon ist wahr, ich bin nicht gerade schwer ins Bett zu kriegen. Trotzdem hab irgendwie gedacht, dass Jungkook es mit mir ernst meint. Aber dann, kurz vor der Busfahrt, macht er einfach so mit mir Schluss - mit der Erklärung, dass unser kleiner Flirt ja wirklich nett gewesen wäre, aber er sich jetzt auch mal wichtigeren Dingen zuwenden müsse! Und als ich versucht hab, mich zu rechtfertigen, hat er nur gesagt, dass ich dumm sei, wenn ich nicht von Anfang angewusst hätte, dass das zwischen uns bloß unbedeutender Sex werden würde!"

Während sie spricht, wird sie immer und immer lauter.

Nervös sehe ich mich um und sage: "Sch, sch, ist ja gut."

Sie hört auf zu reden. Stattdessen beginnt sie, elendlich zu schluchzen, und schlägt ihre mit langen, künstlichen Nägeln bestückten Hände vors Gesicht.

Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll und kann nur stumm beobachten, wie sie stärker denn je schluchzt.

Plötzlich lehnt sie sich zu mir herüber und wirft ihre Arme um mich, bevor sie beginnt, mein T-Shirt nass zu heulen.

Unsicher tätschele ich ihre Schulter und wiederhole immer wieder: "Keine Sorge, das wird schon wieder", während sie sich langsam beruhigt.

In diesem Zustand habe ich sie noch nie erlebt.

Ich bin mir sicher, dass sie in der Schule noch nie so sehr geheult hat, besonders nicht über eine beendete Beziehung.

Vielleicht hat sie ja wirklich etwas Ernsteres von Jungkook erwartet?

Und dann auch noch die Tatsache, dass sie sich plötzlich an mich heran schmeißt und sich an mir ausweint. Das Einzige, was ich sonst von ihr bekomme, sind giftige Blicke und Wörter (wenn ihre Aufmerksamkeit mir gegenüber dafür überhaupt einmal reicht).

Sie muss wirklich verletzt sein, wenn sie sich plötzlich so benimmt.

Während ich weiter ihren Rücken tätschele, sehe ich bereits die ersten Häuser der Stadt Barcelona vor mir.