Fake Love; VKook

Kapitel 12

Als wir der Stadt schon deutlich näher gekommen sind, hat Eunji sich schließlich beruhigt und lehnt sich wieder auf ihren eigenen Sitz zurück.

"Du bist echt ein guter Freund, Tae", schnieft sie. "Tut mir leid, dass ich manchmal so gemein zu dir gewesen bin, ich - Du bist eigentlich gar nicht so ein Loser, wie ich dachte, musst du wissen."

Aus ihrem Mund ist das wahrscheinlich das größte Kompliment überhaupt.

Ich nicke nur und lächele sie leicht an.

Als der Busfahrer ankündigt, dass wir in einigen Minuten da sein werden, verziehe ich mich wieder leise auf meinen eigenen Platz.

Und als ich mich noch einmal zu Eunji umdrehen will, fällt mein Blick auf Jungkook, der mich vom hintersten Teil des Buses aus zusammengekniffenen Augen beobachtet.

Nachdem wir alle aus dem Bus ausgestiegen sind, gibt Mr. Han den Weg vor und wir trotten ihm langsam hinterher.

Die unterschiedlich breiten Straßen, die wir passieren, sind umgeben von großen Häusern und knorrigen Bäumen. Immer wieder kommen uns Fußgänger entgegen, die uns neugierig betrachten.

Als wir gerade durch eine ruhige Seitengasse laufen, lässt sich Jungkook zu mir zurückfallen und kommt sofort zu Wort.

"Über was hast du mit Eunji gesprochen?", will er wissen.

"Was geht dich das an?", keife ich zurück - vielleicht etwas schroffer, als ich es beabsichtigt habe.

"Entschuldige mal, sie ist meine Freundin!"

Ich bleibe stehen und drehe mich komplett zu Jungkook um. "Ach ja, ist sie das? Da hat sie mir aber was ganz anderes erzählt."

Jungkook braucht einen Moment, um zu realisieren, was ich meine. "Oh. Dann hat sie es dir also erzählt?", fragt er leise.

"Dass du einfach so mit ihr Schluss gemacht hast? Dass du ihr quasi ins Gesicht gesagt hast, dass sie eine Schlampe ist und dir absolut gar nichts bedeutet? Dass du ein absolutes Arschloch bist? Oh ja, das hat sie mir erzählt."

Jungkook wendet peinlich berührt den Blick ab. "Es - Es war nicht so einfach", murmelt er und läuft wieder los.

"Nicht so einfach?", frage ich empört und bemühe mich, mit ihm Schritt halten zu können, "Nicht so einfach? Was genau meinst du damit? Dass es für dich nicht einfach war, ihr erst irgendwelche Gefühle vorzugaukeln und sie dann einfach so stehen zu lassen?"

Jungkook seufzt. "Nein, das - das meine ich gar nicht..."

Ich lasse ihn nicht ausreden, sondern führe meine Gedanken einfach weiter. 

"Ich meine, es geht mich ja nichts an, was du mit deinen Beziehungen tust und wie du mit deinen Freundinnen umgehst, die dir ja angeblich nichts bedeuten. Aber das war trotzdem nicht gerade geil von dir. Ich meine, hast du Eunji mal gesehen, sie hat total geheult wegen dir. Auch, wenn sie dir absolut gar nichts bedeutet - Für sie war das eine ernsthafte Beziehung, sie hat eindeutig was für dich empfunden. Es wäre schön, wenn du dich wenigstens mal bei ihr entschuldigen könntest, anstatt mich anzugiften, weil ich mit ihr darüber gesprochen hab und für sie da war-"

"Ich habe es für dich getan!", unterbricht Jungkook mich plötzlich laut.

Das lässt mich verstummen. "W-was?", flüstere ich.

"Ich hab sie für dich verlassen, okay? Ist es das, was du von mir hören wolltest? Bist du jetzt zufrieden?"

Für einen Moment bin ich sprachlos.

Dann sage ich leise: "A-aber wieso? Und wieso hast du ihr nicht einfach gesagt, dass du, naja, dass du dich eben nicht für Mädchen interessierst? Wieso musstest du dich wie ein Arschloch verhalten?"

Erneut zuckt Jungkook peinlich berührt die Achseln und schaut verlegen auf einen kleinen Stein, den er mit den Füßen über die Straße kickt.

"Ich dachte irgendwie, dass das alles leichter machen würde", sagt er. "Außerdem hab ich sonst niemandem erzählt, dass... Du weißt schon", fügt er murmelnd hinzu.

"Findest du nicht, sie hätte ein Recht, es zu erfahren? Anstatt sich jetzt so beschissen zu fühlen?", frage ich.

"Wahrscheinlich schon", stimmt Jungkook leise zu.

Für einen Moment bleiben wir beide stehen und schauen uns bloß an.

In seinen Augen kann ich nun etwas erkennen, das ich zuvor garantiert noch nie in ihnen gesehen habe (auch wenn ich nicht ganz sagen kann, was es ist).

Er streckt seine Hand aus und streicht mir damit beinahe abwesend und unglaublich sanft über meine Wange.

Mein Herzschlag beschleunigt sich so schnell, dass ich sicher Angst gehabt hätte, es könnte plötzlich stehen bleiben, wenn ich von Jungkook's Berührung nicht komplett abgelenkt wäre.

Von dort aus, wo seine Finger über meine Haut streichen, scheint sich ein warmes Kribbeln in meinem gesamten Körper auszubreiten.

Plötzlich scheint Jungkook zu realisieren, was er da tut, und zieht seine Hand blitzschnell zurück.

Wir beide werden rot und eine peinliche Stille breitet sich zwischen uns beiden aus, die schließlich von Jungkook durchbrochen wird: "Ich - Ähm - Ich werde mich jetzt mal bei Eunji entschuldigen gehen. Denn ja, du hast Recht, das hat sie nicht verdient. Ich... Bis später."

All das sagt er, ohne mir einmal in die Augen zu sehen, und sprintet dann augenblicklich davon, als würde er vor einem tötlichen Raubtier davon rennen.

Ich seufze und folge ihm etwas langsamer.