14 | Gesucht und gefunden

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14 | Gesucht und gefunden

Endlich wieder ein ganzes Wochenende frei. Für mich war der Arbeitstag schon anstrengend genug, dann wollte unbedingt die Mathelehrerin ein Wort über Finja mit mir reden, aus was eine Stunde pure Diskussionen wurden. Sie motzte am meiner Erziehung herum, weil Finja ihr immer nur Widerrede gab, oder sie Frau Stinkefisch nannte. Zu recht, die Frau stank wie ein Hamburger Fischkutter im Sommer. Mir rutschte es dann ausversehen heraus, ob sie denn nichts von Intimpflege gehört hat. Ja sorry, ey. Normal im Kopf war ich auch nicht gerade.
Fünf Tage hintereinander hatte ich Frühschicht gehabt, weil ein Mitarbeiter ausfiel und ich einspringen musste. Das trug dazu bei, dass ich stinkig war.
Dafür blieben mir endlich die beschissenen Nachtschichten ersparrt. Ich hatte es endlich mit meiner Chefin geklärt, dass ich diese nicht mehr übernehmen werde.
Ein bisschen erschrocken war ich schon, als ich aus dem Keller in die Wohnung ging und Finja lachen hörte. Sie sollte doch ihre Hausaufgaben machen.
"Du sollst deine Hausaufgaben machen, Finja", sagte ich und schob Finjas Fahrrad, welches einen platten Reifen hatte, in die Wohnung. Jetzt hatte ich endlich Zeit das Drecksdingen zu reparieren.
An der Wohnzimmertür fuhr ich zusammen. "Wie seid ihr hier reingekommen?", fragte ich Saskia und Leo die es sich auf der Couch gemütlich machten.
"Ersatzschlüssel", antwortete Saskia. "Ich hab ein Attentat auf dich vor."
"Na, was kommt jetzt?", fragte ich und stellte das Fahrrad im Türrahmen ab.
"Wir beide gehen heute Abend feiern."
"Und wer passt auf Finja auf?"
Leo hob die Hand. "Ich opfere mich für meine Familie."
Ich musterte Saskia, die mir ihren verfluchten Dackelblick zuwarf.
"Okay", sagte ich. "Ja, dann gehen wir feiern. Du machst mit Finja Hausaufgaben und kannst ja den Reifen flicken und wenn du schon dabei bist, kannst du auch gleich putzen."
"Mach ich alles", sagte Leo ironisch.
Saskia und ich standen ein bisschen aufgebrezelt gegen acht Uhr Abends in der Kühle und glühten mit gekühlten Jägermeistershots vor. "Ich hoffe du hast nichts dagegen, dass ich noch ein paar Mädels eingeladen habe."
"Mir egal. Wenn es Freundinnen von dir sind, können sie ja ruhig mitkommen." Ich haute den nächsten Jägermeistershot weg. Saskias Handy klingelte und sie schaute auf dem Bildschirm. "Ah, der Taximann. Kommste."
Ich verabschiedete mich von Finja und Saskia von Leo.
"Lass dich nicht vom Leo ärgern."
"Nee, lass ich mich auch nicht", entgegnete meine Tochter und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Und du lass dich nicht Ärgern."
Wir saßen wenig später in einer abgelegenden Sitzecke des iRooms in der Dortmunder Innenstadt und ich kam mir auch schon wieder ein kleines bisschen blöd vor. Schließlich war ich die einzige unter den jungen Frauen, die keine Spielerfrau war.
Da war Lisa, die Freundin von Moritz Leitner. Lisa hatte ich einmal flüchtig gesehen, den Moritz dafür mehrmals, als mir recht war. Leo und er sind heute teilweise immer noch unzertrennliche Idioten und die gab es zur BVB-Zeit eh nur im Doppelpack. Moritz spielte mittlerweile in Leverkusen und schien dort ziemlich glücklich zu sein. Dann war doch noch Sarah, die Freundin von Julian Weigl, tatsächlich die Ann Kathrin, die Freundin vom Mario Götze, die im Mai still und heimlich in Düsseldorf geheiratet hatten, und die Freundin von Marco Reus- Scarlett. Die Stimmung war ausgelassen, es wurde schon reichlich weiter gebechert und es dauerte nicht lange, dass ich mich nicht mehr so alleine fühlte, da gerade Ann Kathrin immer mit mir am käbbeln und quatschen war. Ich hätte niemals gedacht, dass sie so nett und meinen Humor hat.
"Wie wäre es wenn wir den Alkohol ein bisschen ausschwitzen?", fragte Ann Kathrin und erhob sich als erster von der gemütlichen Couch.
"Ich bin für den gleichen Vorschlag!", sagte ich und kloppte auf den Tisch vor uns, wo die Alkoholflaschen am Wackeln waren. Lisas Cocktail schwabbte über. „Obacht!", rief sie erschrocken.
"Ich trink eben nur schnell aus", sagte Saskia und meinte dann noch was.
Aber ich war bereits mit Ann Kathrin auf der Tanzfläche verschwunden. Wir beide tanzten zu den Remixen der neusten Charts, bewegten unsere Körper im Takt. Es machte wirklich Spaß. Vor allen Dingen da Ann Kathrin echt gut tanzen konnte. Da hatten wir wieder was gemeinsam. Neben den Fußball und Cheerleading, hatte ich früher Ballett getanzt (Mama wollte das mal bei mir ausprobieren), irgendwann war Ballett blöd, dann war ich bei den Standarttänzen, wie Samba und den Kack, bis ich beim HipHop stecken blieb und in meiner alten Heimat eine HipHop-Crew gründete, die sogar den zweiten Platz der Deutschen Meisterschaft einheimste.
Ann Kathrin fing auf einmal an zu lachen und haute mir dann leicht auf die Schulter. "Siehst du den Kerl?", rief sie mir zu.
Ich schaute in die Richtung, wo Ann Kathrin hinblickte. Ich fing sofort an zu lachen, als ich ein Typ sah, der richtig übertrieben mit seinen merkwürdigen Tanzmoves zum Affen machte. "Was soll das darstellen? Will er irgendwelche Wespen verscheuchen?", lachte ich. Da die anderen Clubbesucher sich schon über den Kerl lustigt machten, ließen Ann Kathrin und ich den links liegen und tanzten zum nächsten Song mit.
Die Laune ging auch schnell vorrüber, als ich blöd von der Seite angesprochen, beziehungsweise angegrabscht wurde. Ich schlug den mir fremden Typen die Hände von meinen Hintern weg. Dem Typen schien es nicht weiter zu interessieren, da wollte er mich schon wieder angrabbeln. Ich wich zurück. "Verpiss dich!", zischte ich. Ann Kathrin bemerkte das gar nicht und war weiter seelenruhig am tanzen. "Nein, fass mich nicht an!", rief ich.
Ich schubste den Typen wieder zurück und ließ gleich noch mal eine schallende Ohrfeige regnen. Der Typ schaute mich für drei Sekunden völlig entgeistert an und packte mich grob am Handgelenk. Ich schlug seine Hand wieder weg. Er wollte es anscheinend immer noch nicht kapieren, da griff seine Hand wieder nach mir. Noch bevor ich zurückspringen konnte, quetschte sich jemand zwischen uns und schubste den penetranten Typen weg von mir. Jetzt verstand er endlich und verschwand in der Menschenmenge.
"Was ist denn los?", wollte Ann Kathrin wissen und stellte sich neben mich. Auch der Typ mit dem echt guten Parfüm, der den anderen Typen weggeschubst hat, war mit in der Menschenmenge verschwunden.
"Wurde gerade nur penetrant angegraben. Aber alles gut."
"Ach du Kacke. Alles gut?"
"Ja, alles gut. Sagte ich bereits", antwortete ich. Ann Kathrin schaute sich um und runzelte die Stirn. "Warte mal. Das ist doch Mario." Ich folgte Ann Kathrins Blick und meine Augen blieben auf einem kleinen Häufen Männer in verschiedenen Größen kleben, die in Richtung Ausgang verschwanden. Einer der Kleinsten drehte sich um und japp. Das war der Mario. So wie Leo ihn nannte: Pummelfee.
"Was macht er hier?", wollte Ann Kathrin wissen, schnappte sich einfach meine Hand und zog mich durch die Menschenmasse in Richtung Ausgang. "Von wegen unsere Gruppen werden nicht aufeinander treffen und alles." Was regte sie sich denn gerade so übertrieben auf? Draußen ließ sie meine Hand los und steuerte direkt ihren Mann an. "Ich hatte doch gesagt, dass wir heute im iRoom sind, du Stalker!" Dann umarmte sie den lachenden Mario, dieser erwiderte die Umarmung.
"Ich habe keine Ahnung, was ich gerade machen wollte", gestand Mario und kratzte sich die Stirn.
"Wo sind denn die anderen Jungs hin?"
"Richtung Parkplatz. Lange Geschichte."
"Lange Geschichte? Was ist denn los?", wollte Ann Kathrin wissen.
"Ach", machte Mario. "Nur ein wenig Stress."
"Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Mario. Was ist denn jetzt?"
Der Mario seufzte und sagte weiter nichts. "Wie gesagt, lange Geschichte. Wollt ihr nicht wieder reingehen?" Wieso wurde der Typ gerade ziemlich nervös.
Auch Ann Kathrin wurde misstrauisch, ließ aber nach kurzem Nachdenken von weiteren Fragen ab. "Dann gehen wir wieder rein. Komm Mina."
"Äh, ja gut", antwortete ich und musterte Mario noch einmal skeptisch. "Hey, du musst jetzt aber eine Runde Shots schmeißen, ich war bereits schon zwei Mal dran und ich bin eine alleinerziehende Mutter. Euch auch noch durchzufüttern kann ich mir nicht leisten", lachte ich und drückte Ann Kathrin an den Secruritymenschen vorbei. Sie schob mich nach vorne und klopfte mir auf die Schulter. "Dann gebe ich sogar drei aus und für uns beiden noch einen Cocktail?"
"Hört sich gut an", nickte ich und stellte mich mit Ann Kathrin zurück an die Bar, wo sie sich einen Pina Colada und mir einen Sex On The Beach orderte.
Dann kamen wir zum Gespräch, wie sie Mario kennenlernte und das sie der festen Überzeugung ist, dass das mit ihnen für immer sein kann und muss. Sonst hätte sie ihn beim kleinsten Zweifel erst gar nicht geheiratet.
"Und habt ihr schon die Familienplanung im Gange?", fragte ich.
"Wenn es passiert, dann passiert es eben. Wir lassen uns da überraschen. Aber Kinder wollen wir sicher irgendwann mal haben. Wie ist das eigentlich so? Alleinerziehend?"
"Beschissen", gestand ich. "Einfach nur beschissen, wenn ich ehrlich bin. Du übernimmst die Mutterrolle und die Vaterrolle. Du gehst Arbeiten, erziehst alleine ein Kind, machst den Haushalt und die Sachen die alle anfallen. Ganz ehrlich, halte dir den Mario gut, wenn ihr Kinder in die Welt setzt, es ist einfach nur Scheiße, wenn man am Ende alleine dasteht. Auch wenn ich meine Schwester und Leo habe, die auf Finja aufpassen, wenn ich arbeiten muss. Das ganze Planen mit der Arbeit, mit den freien Tagen in der Schule, oder wann Leo und Saskia Zeit haben, dass ist eines der schlimmsten Sachen. Aber ich bin froh nicht alleine zu sein. Ohne Finja, könnte ich mir die Welt gar nicht mehr vorstellen."
"Was ist mit Finjas Vater? Wieso kümmert sich er nicht um sie?"
"Ist eine viel zu lange Geschichte und ich rede darüber auch nicht gerne. Finja und mir geht es gut ohne ihm. Sehr gut sogar. Und es ist gut so, wie es ist."
"Also lebt er noch?"
"Ja, er lebt noch", nickte ich und trank von meinem Cocktail.
"Bezahlt er wenigstens Unterhalt?"
"Um es kurz zu sagen, er weiß noch nicht mal das Finja seine Tochter ist. Wir hatten bis vor drei Jahren noch was miteinander gehabt, aber da ich sein Leben nicht kaputt machen wollte, habe ich gesagt, dass Finja nicht von ihm ist. Es war ja nichts Ernstes zwischen uns gewesen. Von daher, war das nicht allzu schlimm, als ich das beendet habe. Wie dem auch sei. Wechseln wir mal das Thema."
„Also ist Finja sogesehen ein Affärenkind?"
„So nenne ich sie nicht gerade gerne, aber ja, so ist das."
„Sie ist sechs oder?"
Ich nickte.
„Warte. Ich rechne kurz. Ah. Und in den letzten drei Jahren hast du niemanden gefunden mit dem du eine Beziehung anfangen wolltest? Noch nicht mal einen Kerl den du daten wolltest?"
„Nein. Doch. Es gab immer mal Kandidaten zur Aussicht. Aber was soll ich sagen. Sobald sie erfahren haben, dass ich eine Tochter habe sind die abgehauen.  Letztes Jahr zum Beispiel habe ich durch Leo einen Fußballer kennengelernt. Er hatte auch wirklich Interesse an mir und ich ein bisschen an ihn. Dann kamen aber die typischen Flüchte beiderseits. Er hat erfahren, dass ich eine Tochter habe und hat wollte kein zweites Date und ich habe ihn den Laufpass gegeben, weil er bei Schalke spielt. Ne Woche später habe ich erfahren, dass er bereits eine Freundin hatte."
„Super, dass du ihm den Laufpass gegeben hast. Richtig gemacht. Und welcher Vollhonk von Schalke war es gewesen?"
„Max Meier, oder wie der heißt", sagte ich abwinkend. Ann Kathrin verdrehte die Augen.
„Ja der Max", sagte sie. „Ich kann dir auch sagen mit wem der zusammen ist. Immer noch. Seine Freundin heißt Laura und sie müsste eigentlich Vielfliegermeilen am laufenden Band haben, solch eine kleine Nutte ist sie. Von Bochum, nach Dortmund und von Dortmund nach Gelsenkirchen. Wer weiß wo die zwischendurch noch alles war."
„Genauer bitte?"
„Zuerst war, zuerst wohl nicht, wie gesagt billig und willig ist die Alte... uhm, sie war mit Fabian zusammen, Marios großen Bruder. Dann, und es tut mir immer noch für Erik leid, hat sie Rast in Dortmund gemacht."
„Die war mit Erik zusammen?"
„Ja. Aber nicht lange. Die will unbedingt in die Öffentlichkeit. Spielerfrau werden und all den Kack. Da hat der Titel Weltmeister 2014 wohl als Schenkelspreitzer agiert. Sie hat Erik nur ausgenutzt. Von vorne bis hinten. Schmiss sein Geld aus dem Fenster und den ganzen Scheiß, bis er sie nach fünf Monaten so derbe abserviert hat. Laura war aber auch dumm. Sie hatte kaum Geld um die Versicherung und ihr Auto selbst zu bezahlen, was Mama und Papa gemacht haben, die aber wütend auf sie waren. Also hat Erik das Auto auf sich angemeldet und die Versicherung monatlich bezahlt. Als er herausbekommen hat das Laura ihn nur verarscht hat er die Karre bei EBay-Kleinanzeigen für einen Cent vertickt und ihr den Laufpass gegeben. Der war sauer der Erik. So was haben wir auch nicht alle Tage erlebt."
„Armer Kerl", seufzte ich.
„Hm", nickte Ann Kathrin. „Danach ist er erstmal glücklicher Single geblieben. Aber die drei Jahre tun ihn auf Dauer auch nicht gut alleine zu sein. Seine ganze Familie lebt drei Stunden Autofahrt entfernt und hier hat er gerade niemanden bei dem er sich so richtig fallen lassen kann, weißte."
„Woher du das alles nur weißt."
„Kann ich dir sagen. Mario ist der Seelendoktor für die Mannschaft. So oft wie die Jungs vor unserer Haustür stehen und Rat und Sachen los werden wollen, kann ich die Haustür gleich auf lassen. Ich bekomme da immer Einiges mit."
Ann Kathrin schaute an mir vorbei und ihre Augen fingen an zu funkeln. „Bist ja doch immer noch hier", sagte sie freudig. Mario schlenderte an mir vorbei und stellte sich neben seine Freundin.
„Wir sind immer noch da", verbesserte er. „Hast du mal ein oder zwei Minuten. Ist dringend."
„Entschuldige mich kurz", sagte Ann Kathrin an mich gewandt.
„Schon okay. Ich brauche eh frische Luft", sagte ich und schnappte mir meinen Cocktail. Ja hier war die Luft gerade ziemlich stickig geworden und sowas konnte ich nicht lange aushalten ohne Kopfschmerzen zu bekommen.
Mario schnappte sich den Cocktail seiner Freundin und schlenderte mit ihr Abseits der Menschenmenge.
„Ich kann doch damit kurz raus, oder?", fragte ich dem Türsteher. Der musterte mich und den Cocktail kurz und nickte dann.
„Äh, ja klar. Aber du weißt, dass wir einen Rooftop haben, wo man sich bei dem Wetter auch hinpflanzen kann?"
„Ich bin das erste Mal hier. Aber hier sind weniger Menschen. Von daher eigentlich ganz in Ordnung."
„Ist drinnen irgendwas passiert?", wollte der Türsteher wissen.
„Nur das übliche. Irgendein Kerl der einen wieder abgrabbeln musste."
„Ist der Typ noch drinnen?" Er war in Alarmbereitschaft.
„Nö, der ist Richtung Ausgang, als ein anderer Typ das mitbekommen hat."
Der Türsteher dachte scharf nach. „Wenn ich mich recht entsinne, kam aus der Richtung ein wackelnder Typ mit einer blutenden Nase wieder und wollte hier rein. Hab ihn nicht reingelassen. Und ein Haufen Jungs waren auf der Suche nach irgendwen."
Julian Schlich sich mit seinem Handy am Ohr an mir vorbei. „Ich rufe gleich die Polizei, wenn wir Erik nicht finden. Wer weiß was der Typ mit ihm gemacht hat."
Ich packte Julian am Kragen und zog ihn zu mir. Er schluckte als er mich erkannte und dann riss ich ihm das Handy aus der Hand.
„Hiii", sagte ich.
„Äh, hi? Wer ist da?"
Der Stimme nach zu urteilen hatte ich den Mario an der Strippe. „Mina. Äh, na hallo. Hi. Was ist los?"
„Lange Geschichte. Aber dafür ist keine Zeit."
„Kurzfassung. Bitte."
„Dafür ist auch keine Zeit."
Ich legte auf und blickte dann zu Julian. „Drei Sätze. Was ist los? Und wo ist Erik?"
„Gute Frage, Mina."
„Hau raus jetzt."
„Boah. Ja gut. Erik hat mitbekommen, dass du von dem Typen angebaggert und angegrabscht wurdest. Er hat den Typen rausgescheucht. Keine Ahnung wo die beiden hin sind. Erik kannst du nicht erreichen. Und jetzt machen wir uns sorgen. Waren mehr als drei Sätze aber drauf geschissen."
Julian riss mir sein Handy aus der Hand und versuchte wieder irgendwen anzurufen. Vermutlich Erik. Er ging wieder nicht ran. Denn Julian fluchte auf.
„Aus welcher Richtung kam der Typ mit der blutenden Nase noch mal? Den du nicht reingelassen hast."
„Da. Die Straße runter", antwortete der Türsteher. Noch bevor ich Julian wieder am Kragen packen wollte, würde ich von Julian mitgezogen. Während ich auf meinen Highheels hinterher hechtete, trank ich zwischendurch von meinem Cocktail und schaute mich um.
„Erik!", rief Julian, als wir durch die Innenstadt liefen. Julian ließ meine Hand los und schaute sich in jeder kleinsten Ecke um. Erik war nirgends zu sehen, noch lag irgendwo eine dunkle Silhouette auf dem von Reklamelichter  erleuchteten Boden.
„Erik!", rief ich nun ebenfalls und suchte mit, als ich sah, dass Julian immer nervöser und aufgeregter wurde. „Verflucht! Sag doch was!"
Julian fuhr sich durch seine gegelten Haare. „Ey, Mina. Ich rufe jetzt die Polizei an. Das kann doch nicht sein. Da muss irgendwas passiert sein. Nicht das der Typ Erik abgestochen hat, oder totgeprügelt, oder sonst was."
„Chill", pflaumte ich ihn an. „Sag sowas nicht. Wir werden Erik schon finden. Lebendig. Okay?"
„Hoffentlich."
„Ich ruf ihn noch mal an. Vielleicht geht er ja bei mir ran."
„Meinst du?", fragte Julian verzweifelt und lehnte sich an die Eingangstür des Saturnladens.
Ich zog mein Handy aus meiner kleinen Handtasche und rief Erik an.
Das Telefonat ging durch, es ertönte das komische Piepen aus den kleinen Lautsprechern meines Handys. Irgendwo in der Ferne ertönte: „Ein allerletzter Blick, der Film spult zurück
Das Blut in meinen Adern wird langsam kalt
All die Stimmen werden leiser, keine Kugeln mehr im Lauf..."
„Das kommt von da hinten!", sagte Julian und stürzte los. Ich hielt mein Handy in der einen und den Cocktail in der anderen Hand, als ich hinter her lief. Julian fischte das klingelte Handy aus einer vollen Mülltonne. „Das ist Erik Seins", sagte Julian und schaute sich weiter um. Er drückte das Telefonat weg.
„Erik!", riefen wir. Nichts. Letztlich beschlossen Julian und ich uns aufzuteilen. „Ich Lauf in Richtung Thier Galarie und du in Richtung Soft Air Laden. Weißt du welchen ich meine?"
Julian nickte und stürzte los. Ich in die andere Richtung.
An einen der vielen Eingänge der Thier Galarie blieb ich stehen und schaute mich um. Immer noch keine dunkle Silhouette, immer noch kein komisches Geräusch. Immer noch kein Erik.
„Erik!", rief ich und lief los. „Hallo? Erik?"
Eine Gruppe Feierwütiger blickte mich verstört an. Die fragten noch nicht einmal, was los sei. Super die Jugend von heute. Es kann ja sonst was sein und die denken noch nicht mal daran einen zu helfen.
Am liebsten hätte ich den Leuten mein Cocktailglas hinterher geworfen, aber ich riss mich zusammen. Schließlich musste ich Erik finden. Ich fluchte und ging weiter. Vor einem Laden standen mehrere Bänke. Drum herum versammelt zwei dunkle Gestalten.
„Guck nach Handy, oder Geld."
Ich glaub ich spinne. Da pennt da ein Typ, vermutlich ein Penner auf der Bank und die denken nur daran den Typen auszurauben. Ein Penner in weißen Tanjuns? Halt Stopp. Da stimmt doch was nicht.
„Haut ab!", rief ich und schubste die Typen weg.
Die Typen blickten mich irritiert an. Einer von denen rannte weg, während der andere mich wütend anstierte. Er kramte in seiner Hosentasche herum. Noch bevor er die Hand aus seiner Hosentasche ziehen konnte, schüttete ich ihn den Inhalt meines Cocktails ins Gesicht.
„Vallah, dass ist Alkohol! Das brennt in den Augen! Ali! Vallah, warte du Horst!"
Dann nahm er Reißaus.
Ich stellte das Glas auf den Boden ab und hockte mich neben der Bank, wo Erik regungslos lag. Autsch. Da hatte wohl jemand eine Wunde auf der Stirn. Ich tastete seinen Hals nach Puls ab. Ein pulsierendes Pochen an meinen Fingerspitzen. Gut. Er lebt noch.
„Erik!", sagte ich und rüttelte ihn an den Schultern. „Ey, Erik. Aufwachen, du Prinzessin auf der Erbse!"
Er brummte, zischte und hielt sich den Kopf. Dann schlug er verballert seine Augen auf. „Boah, was ist denn los?", nuschelte er und rieb sich die Stirn mit dem schon leicht angetrockneten Blut.
„Hey, alles okay soweit?", fragte ich und lehnte mich über ihn. „Kannst du mal gucken ob dein Geld noch da ist. Deine Brieftasche?"
„Ich hab nur mein Ausweis, ein bisschen Geld und mein Handy. Wo ist das?"
„Das hat Julian im Müll gefunden. Tut dir noch was weh?"
„Mein Kopf. Nur mein Kopf." Erik rieb sich wieder die Stirn, wodurch die Wunde wieder aufging und neues Blut heraussickerte. Dann schaute er auf seine verschmierte Hand. „Ach verflucht. Hast du ein Tampon für mich?", fragte er mich und lachte leise.
„Haha. Kannst du mir jetzt endlich mal sagen, was verflucht noch mal passiert ist?" Erik setzte sich auf und ich wich zurück, bevor er mich mit seinen langen Beinen umsemmeln konnte. Ich blieb noch weiter in der Hocke und musterte Erik.
„Ich hab gesehen das die Scheißhausfliege dich angemacht und mit seinen Wichsgriffeln angegrabscht hat."
„Scheißhaus...was?"
„Scheißhausfliege, Mina. Der hat an dir geklebt wie eine Scheißausfliege", erklärte er mir.
„Okaaaay."
„Ja. Ich hab halt gesehen, dass du davon nicht gerade der Fan warst und habe den Typen nach draußen befördert. Da haben wir uns dann in die Haare bekommen. Er hat mir in die Rippen geboxt, da ist alles okay, und ich bin hinterher." Erik zischte und rieb sich wieder die Stirn. „Der hat dann irgendwo gelungert und wollte auf mich los gehen. Ich hab ihn eine reingehauen und er mir. Und jetzt bin ich hier auf der Bank."
„Die Jungs haben sich schon echte Sorgen gemacht. Ich auch übrigens."
„Hm. Mein Kopf."
„Nicht, dass du eine Gehirnerschütterung hast. Ich rufe uns ein Taxi und dann fahren wir ins Krankenhaus."
„Bitte nicht. Dann kriegt das die Geschäftsführung mit, die Öffentlichkeit und dann ist die Kacke am Dampfen. Ich will nicht deswegen in der Öffentlichkeit landen. Auch wenn es heißen würde, dass ich dich verteidigt habe."
„Du musst das aber abklären, Erik. Nicht das du eine Gehirnerschütterung hast, oder eine verschissene Gehirnblutung."
„Ibuprofen und schlaf reicht schon."
„Vergiss es", sagte ich.
„Ich will nicht ins Krankenhaus, Mina!", schmollte Erik.
„Hör mir mal zu du Otto, fahren wir schon nicht. Aber ich habe da eine andere Idee."
„Was kommt jetzt?"
„Meine Kontakte. Hoffentlich ist Amanda wach. Ihre Mutter ist schließlich herausragende Krankenschwester und da lässt sich sicherlich etwas einrichten."
Ich setzte mich neben Erik, während ich mit Amanda telefonierte.
„Meine Mom hat eh Schicht. Fahr da hin und bis daher ist das schon abgeklärt."
„Danke. Du hast was gut bei mir."
„Äh, nee. Du hast noch sämtliche Dinge gut bei mir. Das ist eine Kleinigkeit. Melde dich, okay."
„Wenn ich das nicht vergesse", gab ich zurück und bestellte ein Taxi zur Baustelle an der Thier Galarie.
Erik und ich standen nebeneinander und warteten aufs Taxi. Es war ein Wunder, dass er gerade stehen konnte und kein bisschen am schwanken war. Und ich ließ ihn auch kein bisschen aus den Augen. Er war da und redete zwischendurch mit mir. Scherzte sogar.
Unterwegs zum Krankenhaus rief ich meine Schwester an, die den Jungs irgendwie Bescheid geben sollte, dass ich Erik gefunden hatte und mit ihm auf dem Weg ins Krankenhaus war. Nur, dass das mit dem Krankenhaus nicht erwähnt werden sollte.
Die Mutter von Amanda, fing uns sofort ab, als wir das Krankenhaus betraten und verschwand mit Erik und mir in einen der vielen Schockräume, die zur unserer Verwunderung nicht alle besetzt waren.
„Na dann gucken wir mal", sagte sie. „In der Zwischenzeit darf ich ja wohl wissen was passiert ist, oder?"
„Klar", sagte ich. Erik murmelte, dass ich es machen soll. Er hatte nicht gerade Lust alles zu erzählen. Er wollte doch nur ins Bett.

***
Ein bisschen ein längeres Kapitel was genau 3800 Worte zählt. Läuft bei mir mehr, als wie bei der Nationalmannschaft. Was ist denn mit denen kaputt? Wenigstens durfte Maggo ran an den Speck und es brachte ein bisschen Wind in die Bude, was leider nicht genützt hat. Irgendwie wirkten die meisten auch überfordert, oder eher lustlos. Was ist eure Meinung zu dem Spiel gegen die Mexikaner?

Noch einen schönen Sonntag wünscht euch Dia

Nur ein Schuss [ED37] ✔️. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt