12 | Eine unruhige Nacht
Gegen halb sechs hielt ich auf dem kleinen Parkplatz des Trainingsgeländes der Eintracht Dorstfeld. Ich seufzte. Immer wieder diese schicken Neuwagen der anderen Eltern.
Ich kam mir da ein bisschen blöd vor mit meinem kleinen Lupo. Aber was solls.
Ich stellte mein Auto zum Parken ab, was ich nicht weiter erläutern muss. Ich denke, dass weiß bereits jeder der einen legal erworbenen Führerschein hat, wie das funktioniert.
Trainingstasche, Finja und Auto abschließen.
"Du Mama."
"Was denn?"
"Ich glaube der Marco war traurig."
"Wieso sollte er traurig gewesen sein?"
"Na, weil ich nicht mit denen schwimmen gehe."
"Du kannst doch auch nichts dafür, dass du ein Tunier hast. Und schließlich gibt es auch noch andere Tage, wo Nico und du euch verabreden könnt. Wenn du das überhaupt willst."
"Keine Ahnung", sagte Finja schulterzuckend.
Finja schnappte sich die Trainingstasche aus meiner Hand und verschwand in der Mädchenumkleidekabine. Ich gesellte mich widerwillig zu den anderen Eltern, die bereits am Tratschen und Lachen waren. Einige der Frauen waren wirklich schlimm. Vor allen Dingen die Mutter vom Leandro. Nein, nicht den Neffen meiner Schwester, der war ja auch viel zu Jung, um für die U7 Bambinis zu spielen. Sondern ein ganz anderer, fiel fieser und komischer Leandro, der so abartig von seiner Mutter abstammte, dass Finja den schon Mini-Tusse nannte. Natürlich nur hinter dem Rücken. Es waren kleine Kinder und da soll eben kein böses Blut umherschwirren.
Das galt auch für die kleinen Testspiele und Tuniere. Nicht ausflippen, es ist nur ein Spiel.
Die Kleinen spielten ja eh immer Fairplay und hatten andere Regeln, als wie die anderen großen Gruppen, aber trotzdem gab es zwischendurch Eltern die am herumbrüllen und meckern waren. Einfach grauenvoll. Was wohl passieren würde, wenn es später mal einen Schiedsrichter geben würde?
Ich begrüßte alle Elternpaare mit einem Handschlag und diese grüßten mich auch zurück. Bei Leandros Mutter stellten sich mal wieder meine Nackenhaare auf. Wie kann man nur so gruselig und komisch sein? Wie? Als ihre Hand meine berührte, rauschte ein kalter Schauer über meinem Rücken.
"Ist der Opa heute gar nicht da?", wollte ich wissen.
Einige antworteten mir gar nicht, was echt normal war. Sie hielten sich für was Besseres, da sie eine vernünftige Familie führten, mit einem Ehemann und nicht alleinerziehend. Wenn die nur wüssten, dass ich mir mehr den Arsch aufriss, als wie die Mütter die zu Hause blieben, da ihr Mann am meisten verdiente. Aber wieso mit mir reden, oder etwas über mich erfahren?
Ich hatte keinen Mann, der einen dicken geleasten Porsche fuhr und konnte mir außer Heimaturlaub nach Leipzig nichts weiter leisten. Wenn die wohl wüssten, dass die Miete meiner Wohnung vom Amt bezahlt wird, dann wäre ich hier ganz durch.
"Der Opa liegt mit einer Grippe flach", wenigstens einer der Männer antwortete mir.
"Ach, okay", sagte ich und ließ die anderen stehen. Ich setzte meinen Weg zur kleinen Kaffeebude fort, wo selbst an Trainingstagen Kaffee, Getränke und Süßigkeiten verkauft wurden. An solch warmen Tagen sogar ein schönes Eis.
Ach, der Opa, der war unser kleines Maskottchen. Ein Renter der schon damals für die Eintracht Dorstfeld gespielt hat und sich vor allen Dingen für den Nachwuchs interessiert, da er gerne mal Tipps an die Trainer weitergab. Trainer selbst wollte er nicht werden. Er wollte eben unser Maskottchen bleiben, welches wild auf Russisch herumfluchte, wenn die anderen Jugenden ein Spiel hatten.
Nachdem ich mir ein Becher Wasser geordert und bezahlt hatte, stellte ich mich abseits. Wieso sollte ich mich noch bemühen mit irgendwem da zu reden, wenn die mich eh immer ignorierten oder mir keine Beachtung schenkten. Anfangs hatte ich es immer versucht, versucht irgendwie ein Gespräch zu führen, aber es kam nie etwas zurück von den anderen.
Ich setzte mich auf die Tribüne und trank immer wieder von meinem Mineralwasser, schaute zwischendurch auf meinem Handy nach, ob irgendwas Neues anstand. Nur die Leute haben auf meine Kommentare geantwortet, die ich unter ihre Instagrampost gepfeffert habe. Keine Lust darauf zu antworten. Nicht mit diesem Grummeln im Bauch wegen den anderen Eltern.
Nach einer Stunde war das Training vorbei und ich war mehr als erleichtert nach Hause zu kommen.
"Du gehst zu Hause baden", sagte ich zu Finja, die mir nach dem Training einen neuen Becher mit Mineralwasser aus der Hand zog. Sie nickte, als sie den Plastikbecher leer trank. Dann schmiss sie den Becher in den Müll.
"Geh dich umziehen und komm zum Auto, okay?"
"Ja, Mama", rief sie und lief in Richtung Kabinen. Nach weiteren fünf Minuten kam sie mit ihrer Trainingstasche aus dem Gebäude gelaufen und drückte mir diesen in die Hand. "Ich bin voll müde."
"Ich auch", sagte ich. So war es auch wirklich. Ich war echt müde und gerädert und wollte einfach nur in mein Bett. Kaum zu glauben, dass ich Morgen wieder Frühschicht habe. Vier Uhr aufstehen, mich fertig machen und dann auf meine Schwester warten die auf Finja aufpassen würde.
Zuhause hatten Finja und ich noch nicht mal großartig Hunger aufs Essen. Ich ging Duschen, Finja danach baden und dann machten wir uns fertig fürs Bett.
"Gute Nacht", sagte ich und drückte Finja einen Kuss auf die Stirn. "Schlaf schön", einen Kuss auf die linke Wange. "Träum süß", einen Kuss auf die rechte Wange. "Bis Morgen", einen Kuss auf das Kinn. "Ich liebe dich" einen Kuss auf die Nasenspitze. Finja grinste müde.
"Schlaf du auch schön, Mama. Ich liebe dich", sie hatte sich meine Hand geschnappt und drückte mir einen Kuss auf die Handfläche. "Wir sehen uns dann nach der Schule", sagte ich seufzend und fuhr ihr noch mal durch die weiche Haut ihrer Wangen. Ihre Haare waren gerade Sperrgebiet, da ich diese auf schnellsten Wege geflochten hatte.
Ich machte Finjas BVB-Nachtlicht an und lehnte die Tür ein wenig an, um dann völlig müde, gähnend und mit tränenden Augen in mein Bett zu fallen.
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Nur ein Schuss [ED37] ✔️.
Fiksi Penggemar|| Ich hätte niemals gedacht, dass mich ein kleiner erzwungener Anruf in solch ein mir unbekanntes Leben stoßen wird. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich wieder so schnell verlieben könnte. Nicht mal in einer Millionen Jahren. Niemals hätte i...