15 | Ist in seinem Kopf was kaputt gegangen?

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15 | Ist in seinem Kopf was kaputt gegangen?

Ich saß auf dem komischen drehbaren Hocker, den die meisten Ärzte hatten und fuhr im Zimmer gelangweilt auf und ab, während Anna Erik untersuchte und die Platzwunde schnell zuklebte.
„Kannst froh sein, dass du keine Gehirnerschütterung hast", sagte Anna. „Noch irgendwo einen Schlag drauf bekommen?"
„Nö", antwortete Erik. Er sah meinen warnenden Blick und zog sein schwarzes T-Shirt hoch. „Rippen. Aber das tut nicht allzu weh."
„Was meinst du mit nicht allzu?"
„Das es nur weh tut, wenn ziemlich Druck drauf ausgeübt wird. Sonst nichts."
„Probleme beim Atmen?"
„Nein."
„Der blaue Fleck sieht schlimmer aus. Ist aber nichts." Anna tastete Erik zwischen den Rippen ab. „Alles gut."
„Danke", sagte ich.
„Und jetzt seht zu, dass ihr hier rauskommt, okay. Ich habe keine Lust auf irgendwelchen Stress."
Damit war sie aus dem Schockraum verschwunden.
„Du kannst dein T-Shirt wieder richtig ziehen", machte ich Erik drauf aufmerksam.
„Jopp", sagte er und zog sein T-Shirt wieder gerade. Dann setzte er sich auf der Liege auf und fuhr sich durch das gewuselte Haar. „Ich brauch einen Kaffee."
„Du trinkst Kaffee?"
„Nee. Wenn dann mal einen Latte Macci. Aber sonst kannst du den Kack bei mir vergessen."
Er rutschte von der Liege runter. „Wo ist eigentlich mein Handy?"
„Das hat Julian. Hoffentlich hat Saskia die Nachricht gelesen."
Wir verließen den Schockraum und ich schaute im Gehen auf mein Handy. Erik ging neben mir und schaute ebenfalls auf mein Handy.
„Nur zwei graue Häkchen. Verflucht. Nicht das Julian schon die Bullen gerufen hat. Kennst du eine Nummer der Jungs auswendig?"
„Ich kenne meine noch nicht mal auswendig und die habe ich schon zwei Wochen."
„Hm. Dann versuche ich das mal über Instagram."
„Kannst du vergessen. Julian hat Nachrichten deaktiviert weil er andauernd Boob-Pics bekommen hat und Sarah ausgeflippt ist."
„Na dann", meinte ich. „Und nun?"
„Hm, vielleicht wäre es eine Idee, wenn du auf meinem Handy anrufen würdest. Schließlich hast du meine Handynummer."
„Ach du..." ich fing an zu lachen und suchte in meinen Kontakten nach Erik. „The Brain ist wieder am stissl."
Nummer gefunden und auf Anruf gedrückt.
Erik und ich blieben vor dem Krankenhaus stehen und warteten bis irgendwer an das Handy ging.
„Wir wollten in der Stadt suchen und nicht in Pirmasens. Wo bist du Mina?"
„Ich hab Erik gefunden. Ihn geht es soweit tippitoppi."
„Oh Gott. Wo seid ihr!?", fragte Julian erleichtert.
Erik blickte mich an. „Nichts vom Krankenhaus sagen", sagte er.
„Puh, keine Ahnung, Julian. Aber hier ist ein Baum."
Erik presste die vollen Lippen aufeinander und fing an zu lachen. Alter, wie kann man als Kerl nur solche verfluchten Schmolllippen haben? Meine waren jetzt auch nicht gerade Kylie Jenner Arschlochlippenmäßig, aber bei Kerlen fand ich das irgendwie schon immer toll. Gott. Abschweifen. Das kann ich auch gut.
Julian der hysterisch gelacht hat, wurde langsam zickig. „Wo seid ihr!?"
„Wir sind gleich da. Keine Panik", sagte ich und legte einfach auf. Ich steckte mein Handy weg und schlenderte mit Erik den Taxistand an.
Nachdem der Taxifahrer uns wieder an der Baustelle an der Thier Galarie rausließ und Erik bezahlte, schlenderten wir nebeneinander in Richtung iRoom.
„Danke", sagte ich zu Erik und stupste ihn mit dem Ellenbogen an.
„Für was?"
„Dafür das du dir die Platzwunde eingefangen hast, nur um den Typen die Leviten zu lesen."
„Ich mag sowas einfach nicht", sagte Erik. „Da kriege ich immer einen Hals. Wer weiß was er noch gemacht hätte. Deine Ohrfeige war auch nicht schlecht."
„Jahrelange Übung", sagte ich trocken.
„Danke auch dir."
„Für was?"
„Dafür das du die Klappe gehalten hast. Damit die sich nicht noch weiter sorgen machen."
„Sagen wir einfach nur, dass es ein Kratzer ist und das Pflaster von mir ist. Ich denke das mit dem Einhornpflaster werden die schon abkaufen."
„Deshalb hat der Taxifahrer mich so blöd angeschaut."
„Siehst doch eigentlich richtig süß aus. Du hast deswegen übrigens was gut bei mir."
„Hab ich das?"
Erik dachte sofort nach und blieb stehen. Dann blickte er zu mir.
„Dann löse ich das jetzt schon ein. Mittwoch Abend nimm dir nichts vor. Da gehen wir Essen."
„Als Dankeschön fürs Lügen?", fragte ich und musterte Eriks Gesicht.
„Nein, als Date."
„Date!?"
Noch bevor ich was sagen konnte, noch bevor ich Widerrede geben konnte, noch bevor ich meinen Mund aufmachen konnte, um etwas zu sagen, hörten wir die Jungs erleichtert rufen. Ich war leicht überfordert. Ein Date? Freiwillig von einem Kerl? Ein Kerl der freiwillig ein Date mit mir will, obwohl er weiß das ich eine Tochter hatte?
Anscheinend war die Verletzung an seinem Kopf doch schlimmer als gedacht. Die Jungs blieben vor Erik stehen, bombardierten ihn schreiend und mich mit fragen. Während Erik genervt zurück schrie, dass sie sich alle beruhigen sollten, stand ich immer noch mit offenem Mund da. Ich hatte immer noch keinen Dunst was ich sagen sollte. Ist in seinem Kopf irgendwas kaputt gegangen?
Ein Date. Ein verfluchtes Date. Ein verdammt verfluchtes Date mit einem Typen der weiß, dass ich eine sechsjährige Tochter habe. Yeih.
Mein geschockter Gesichtsausdruck verzog sich zu einem breiten Grinsen.
„Was grinst du so bescheuert?", wollte Mario wissen und musterte mich komisch.
„Nichts. Alles okay", sagte ich und konnte meine Freude nicht unterdrücken.
„Wieso hat Erik dann ein Einhornpflaster auf der Stirn?"
Ich zuckte mit den Schultern, presste meine Lippen aufeinander und verschwand in Richtung iRoom.
„Was grinst du so bescheuert? Was ist denn passiert? Erik!"
„Habt ihr Erik gefunden?", fragte Ann Kathrin mich, als ich die Mädels ansteuerte die vor dem iRoom standen. Ich antwortete nicht groß auf die Frage, ging an ihr vorbei, packte meine kleine Schwester am Arm und zog sie von den anderen Mädels weg.
„Äh, hallo?"
„Erik geht es gut. Alles gut", rief ich rüber und zog Saskia noch ein wenig abseits.
„Was'n bei dir los?"
„Du musst Mittwochabend bitte auf Finja aufpassen."
„Wieso?"
„Mach es einfach. Details bekommst du, wenn wir beide wieder nüchtern sind." ich wandte mich an die Mädels. „Hey, gibt es hier noch eine gute Bar oder ein Club?"
„Es ist zwölf Uhr?"
„Ja und. Die Nacht ist noch jung."
„Ich kann nicht mehr. Ich bin echt müde", sagte Scarlett.
„Wie alt bist du?", wollte Ann Kathrin wissen.
„Alt nicht gerade."
„Also heul nicht rum. Die Nacht ist noch jung und wir sind es auch. Also kommt."
„Wenigstens eine", sagte ich.
„Dann wünsche ich euch viel Spaß. Ich habe keine Lust mehr. Ich rufe mir ein Taxi. Ich muss morgen Abend zu einem Fotoshooting und von da aus darf ich meinen Hintern in die Schweiz bewegen."
„Wieso?", wollte ich wissen.
„Trainingslager der Nationalmannschaft und mein Freund ist da. Die WM ist in einer Woche?"
„Schon? Wow. Wieso sind Mario und Erik nicht in der Nationalmannschaft?"
„Weil Jogi den Schuss nicht gehört hat. Mehr müssen wir nicht darüber sagen."
„Okay."
Nachdem Scarlett sich von uns abgekapselt hatte, ging ich neben Ann Kathrin durch die Dortmunder Innenstadt. Saskia, Lisa und Sarah gingen hinter uns.
„Mina, magst du mir mal sagen, wieso ich Mittwoch auf Finja aufpassen soll?"
„Hab eine Spätschicht reingedrückt bekommen", log ich. Ich hatte keine Lust vor den anderen Mädels darüber zu reden. Saskia würde den richtigen Grund schon erfahren, wenn der Alkohol ganz aus unseren Körpern verschwunden ist und die Mädels nicht mehr dabei waren. Also morgen Mittag irgendwann.

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