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Endlich war das Wochenende gekommen. Das "Date" am Vortag war gut verlaufen. Mike und ich hatten uns super unterhalten und ich hatte Einiges über ihn erfahren. Allerdings nichts über die seltsamen Schuhe und viel wichtiger noch: die Abdrücke.

Ich fragte mich, warum mich die ganze Sache so beschäftigte. Vielleicht waren es doch nur ganz normale Abdrücke gewesen und vielleicht gehörten sie noch nichtmal zu Mikes Schuhen.

Beim Gedanken an Mike, musste ich grinsen. Das Date gestern war wirklich schön gewesen. Mike war echt ein netter Kerl. Leider löste er aber nichts in mir aus -
ganz im Gegensatz zu Len.

Ich musste seufzen.
Auf der anderen Seite: im Punkt Nettigkeit, konnte sich Len echt mal eine Scheibe von Mike abschneiden! Sein Benehmen in letzter Zeit war wirklich fürchterlich! Ich öffnete mein Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Prompt viel mein Blick auf das Nachbarhaus. Lens Haus. Gerade wurden im ersten Stock Vorhänge aufgezogen und ebenfalls ein Fenster geöffnet. Ein verwuschelter brauner Kopf reckte sich heraus. Len schaute zu mir herüber. Ich blieb stocksteif stehen und starrte ihn an. Er tat das Gleiche. Gefühlte Minuten standen wir einfach nur da und starrten uns an. Chloe, sagte ich beschwörend zu mir selbst. Du musst den Blickkontakt abbrechen. Nicht er, du! Jetzt! Er brach den Blickkontakt ab. Blitzschnell schloss er das Fenster und entfernte sich soweit davon, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Endlich erwachte ich aus meiner Hypnose-Starre. "Shit!", fluchte ich.

Dann schmiss ich mich auf mein Bett und fing an zu heulen. Alle sich in mir angestauten Gefühle brachen wie eine Welle über mich herein. Ich hatte keine Ahnung, wieso. Ob es wegen Len war? Oder einfach nur die allgemeine Verwirrung? Erschöpfung? Ich wusste es nicht.

Ich weinte nie lange und so rappelte ich mich auch dieses Mal schnell wieder auf. Ich zog mich an, trug etwas Concealer unter die geröteten Augen auf und ging runter. Ich wollte ein bisschen raus. Weg von meinem Alltag und einfach etwas ausspannen. Ich ging zum See, an den Len mich geführt hatte und setze mich auf den Steg. Sogar am Tag konnte man von hier eine schöne Version der Skyline sehen. Der Anblick beruhigte mich und ich atmete tief durch.

Keine Ahnung wie lange ich so da saß, aber irgendwann hörte ich ein Rascheln hinter mir. Schritte kamen näher. Ich drehte mich um. "Na toll! Hätte ich mir ja denken können!" Len sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

Wütend stand ich auf. "Ach ja? Du hast keinen Grund sauer zu sein! DU bist derjenige, der sich daneben benimmt- nicht ich!", schnauzte ich ihn an.

"Was!? Aber-", setzte er an.
"Lass mich ausreden!", schrie ich wütend. Ich hatte ihm noch einiges mehr zu sagen, wenn er nun endlich einmal zuhörte. Der ganze Ärger und die negativen Gefühle kochten wieder hoch.
"Dauernd ignorierst du mich! Warum? Ich versteh das nicht! Was hab ich dir getan?"
Meine Finger verkrampften sich zu Fäusten, die mir aber nur noch mehr Energie für meine Rede gaben.
Len starrte mich entsetzt an. "Stimmt es nicht was ich sage?", schrie ich ihm ins Gesicht. Ohh, ich war sehr gut darin mich aufzuregen! Len sagte nichts. Er schaute mich nur an. Das machte mich nur noch wütender.
"Du bist so ein Feigling! Sag endlich was! Willst du dich nicht verteidigen?"

Ich machte einen Schritt rückwärts, als er auf mich zukam. "Verdammt Le-" Um mich herum wurde es kalt - und nass. Sehr nass und sehr kalt. Ich bekam keine Luft mehr.
Die plötzliche Kälte schnürte mir die Kehle zu. Ich ruderte wild mit den Armen.

Dann, ganz plötzlich, bekam ich wieder Luft. Irgendetwas war fest auf meine Lippen gepresst. Ich wollte meine Augen öffnen, aber meine Lider waren unglaublich schwer. Einige Zeit geschah nichts, dann zog jemand an meinem Körper. Eigentlich fühlte es sich eher an, als würde etwas an mir vorbeirauschen. Dann wurde ich wieder bewusstlos.

Ich erwachte auf einer Liege in einem - wie ich vermutete - Krankenzimmer. Um mich herum standen Len und zwei Mädchen, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Sie redeten miteinander. Ich schloss schnell wieder meine Augen, um das Gespräch unauffällig mitanzuhören. "Das ist sie also?", fragte eins der Mädchen. "Ja, das ist sie. Aber ich schwöre euch, das war ein Unfall. Ich wollte nicht-", sagte Len. "Hey", bremste ihn die Zweite. "Schon gut, wir sagen es Keinem." Die Erste seufzte. "Natürlich nicht. Die Frage ist eher... wie bringen wir Chloe wieder hoch, ohne, dass sie etwas merkt?" Ich wurde hellhörig. Was sollte ich nicht merken? Len antwortete ihr: "Unmöglich. Ich muss es ihr sagen." "Was? Bist du irre?", zischte die Erste. "Leyna, komm runter. Das ist leider die einzige Möglichkeit!", beruhigte sie die Zweite. "Es gibt noch eine andere, Mereya", sagte Leyna vorsichtig. "Nein. Nicht in diesem Fall!", fuhr Len sie an. "Du magst sie wirklich gerne, hm?", fragte Mereya.
"Ja", flüsterte Len. "In Ordnung, dann warten wir draußen. Sag es ihr, wenn sie aufwacht.", sagte die Stimme, die ich mittlerweile Mereya zugeordnet hatte. "Komm Leyna." Ihre Schritte entfernten sich.

Ich lag noch eine Weile still da, dann öffnete ich vorsichtig meine Augen. Len sprang ruckartig von dem Stuhl neben meiner Liege auf. "Gott sei Dank! Du bist wach", sagte er und kam auf mich zu. Zuerst wollte ich lächeln, aber dann erinnerte ich mich an unseren Streit. "Was ist? Alles okay? Wie geht es dir?" Len klang so besorgt, wie bei unserem ersten Treffen am See, als ich gestolpert und hingefallen war. Das brachte alle Erinnerungen zurück. "Du kannst nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert", flüsterte ich. Meine Stimmbänder fühlten sich rau an. "Ohh..." Len nickte. "Chloe es tut mir alles wahnsinnig leid. Ich musste, ich meine, ich wollte nicht... aber jetzt kann ich's dir sagen..." Er schaute mich hoffnungsvoll an. Ich verstand kein Wort. "Len. Was-ist-los?" "Kannst du aufstehen?", fragte er. "Was hat das damit-?", fragte ich, aber Len unterbrach mich. "Kannst du aufstehen?", wiederholte er seine Frage mit Nachdruck. Ich fühlte mich noch etwas schlapp, aber schon deutlich besser. "Ich denke, ja." Ich setzte mich vorsichtig aufrecht hin. Mir war etwas schwindelig und übel, aber es war auszuhalten. Langsam rutschte ich von der Liege und stellte mich aufrecht hin. Len wollte mich stützen. "Lass mich", sagte ich vielleicht etwas zu grob, denn Len schaute mich betroffen an. Ich ging ein paar Schritte. Es funktionierte gut. Der Schwindel ließ langsam nach. Meine Beine waren nur etwas schlapp. Len bat mich ihm zu folgen. Wir verließen den Raum und kamen in einen Flur, dessen Wände aus Glas bestanden. Vor den Fenstern wiegten sich seltsame Pflanzen in fließenden Bewegungen im Wind.

Len setzte sich auf eine Bank an einer der Glaswände. Ich folgte seinem Beispiel. Die Bank war so ausgerichtet, dass man perfekt nach draußen schauen konnte. Ich beobachtete die merkwürdige Landschaft. Irgendetwas kam mir daran bekannt vor, aber ich konnte nicht sagen was es war. "Len, was machen wir hier?", fragte ich. "Schau weiter nach draußen...", antwortete er. Ich tat ausnahmsweise was er sagte, weil ich keine Lust auf einen weiteren Streit hatte. Plötzlich sah ich einen Fisch vor dem Fenster.
Er flog einfach so dort entlang. Moment, nein, er... schwamm! "OH MEIN GOTT", schrie ich panisch. Obwohl ich bereits ahnte was los war, schrie ich weiter: "Scheiße, Len! WO ZUR HÖLLE SIND WIR?" Ich lief panisch umher. Len stellte sich mir in den Weg und hielt mich fest. "Okay! Beruhig dich! Es ist alles in Ordnung. Wir sind unter Wasser. Aber uns passiert nichts.", sagte er beschwörend. Ich stellte fest, dass es keinen Sinn hatte, weiter Panik zu schieben, also setzte ich mich wieder auf die Bank, atmete tief durch und sagte dann: "Ich glaube du bist mir eine Erklärung schuldig!"

Unter WasserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt