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"Okay...", begann er. "Bitte versprich mir, dass du jetzt keinen Schreck bekommst oder wegrennst oder so!" Er sah mich bittend an.

"Ich verspreche dir im Moment gar nichts!"

Er seufzte. "Okay, dann hör einfach nur zu."
Kurz zögerte er noch, dann rückte er endlich mit der Wahrheit raus. "Ja, es stimmt wir sind unter Wasser und um genau zu sein, bin ich hier ziemlich oft. Ich wohne hier sozusagen. Keine Sorge ich bin kein Meermann oder so. Im Prinzip bin ich genau wie jeder andere Mensch, nur habe ich... sagen wir: besondere Fähigkeiten. Eine davon ist unter Wasser atmen zu können. Das können alle, die hier unten wohnen." Ich sah ihn schockiert an.
"Hast du etwa Kiemen?" "Nein!", er lachte kurz auf. "Unsere Körper verfügen nur über eine andere Lunge. Im Prinzip ist es ein genetischer Fehler. Nur, dass er ziemlich praktisch ist und uns zu unserer ganz eigenen Art macht, den Nyx." Er lächelte mich unsicher an. Also wenn er mir gerade die Wahrheit sagte, dann war das ziemlich cool! Unfassbar unheimlich, aber cool. "Beweis es mir. Also, dass du da draußen atmen kannst. Das ist so unglaublich, dass es ziemlich schwer zu glauben ist." Er lächelte erneut, diesmal erleichtert. "Nichts leichter als das. Ich kann dir eine Taucherausrüstung besorgen, dann kannst du mit raus."

Er meinte es wirklich ernst und wie ein Verrückter wirkte er auch nicht auf mich. "Okay. Ich habe aber noch eine Frage. Ich weiß nur noch, dass ich in den See gefallen bin und dann habe ich anscheinend das Bewusstsein verloren. Wie bin ich lebend hier her gekommen?"

Len war schon ein Stück vorgelaufen. Er drehte sich um und kam zu mir zurück. Er nahm erst meine Hand legte dann seine Arme um meine Taille und zog mich immer näher zu sich hin, bis kein Wassertropfen mehr zwischen uns gepasst hätte. Ich schloss die Augen und einen winzigen Augenblick später spürte ich seine Lippen auf meinen. "So", flüsterte er. Wir lösten uns langsam von einander.

Er hatte mich geküsst, den ganzen Weg vom Steg bis hier unten. 'So' hatte ich überlebt. "Danke", flüsterte ich und erwiderte seinen Kuss. Kurze Zeit später standen wir in Neoprenanzügen und ich mit Tauchausrüstung auf dem Rücken vor einer großen Glastür. Len wollte gerade die Tür öffnen, aber ich hielt in zurück. "Moment! Kommt dann nicht das ganze Wasser rein?" "Nein. Du siehst gleich was passiert." Er grinste. "Okay", sagte ich immer noch etwas beunruhigt. "Und was ist mit dir? Dir wächst kein Fischschwanz oder so?" Er brach in Gelächter aus. "Nein! Ich habe doch gesagt, ich bin kein Meermann!" Und dann öffnete er die Tür. Ich wich automatisch einen Schritt zurück, aber das Wasser blieb tatsächlich wo es war. Len nahm meine Hand und stieg durch die Wasserwand. Dann war ich an der Reihe.

Es fühlte sich an wie Gelee. Nach circa drei Zentimetern kam das Wasser und ich fühlte mich federleicht. Ich war noch nie tauchen gewesen. Also zumindest nicht unter drei Metern im Schwimmbad. Ich schaute zu Len, der mich mit sich zog. Er öffnete demonstrativ seinen Mund und atmete das Wasser ein. Unglaublich.

Nachdem wir eine gefühlte halbe Stunde lang geschwommen waren, verließen mich langsam meine Kräfte und ich gab Len zu verstehen, dass ich ins Trockene wollte. Er deutete nach oben und wir schwammen zusammen zum Steg. Er zog mich die letzten Meter nach oben. Auf dem Steg setze ich zuerst die Sauerstoffmaske ab und Len half mir aus dem Rest der Ausrüstung. "Warte kurz. Ich hole Handtücher und deine Sachen", sagte er und verschwand erneut im Wasser. Ich legte mich erschöpft auf den Steg und dachte über Len nach. Erstaunlicherweise dachte ich nicht daran, dass er ein Nyx war, sondern an den Kuss, unsere Zeit im Wasser und ob wir jetzt ein Paar wären. Ich lächelte in mich hinein.

Wenige Augenblicke später tauchte Len aus dem Wasser auf und sprang elegant auf den Steg. Er hatte eine Art Kapsel bei sich, aus der er nun meine Sachen und zwei Handtücher holte. Er half mir aus dem Neoprenanzug und ich wickelte mich in ein Handtuch.
Ich zitterte ziemlich stark. Das Wasser war trotz des Anzuges noch sehr kalt gewesen.
Len nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich. "Chloe?", fragte er als das Zittern nachgelassen hatte.
"Ja"
"Es tut mir leid, dass ich dich ignoriert habe. Ich wurde gezwungen. Ich sollte unsere Art schützen. Es ist wichtig, dass du niemandem davon erzählst. Nur mit Mike kannst du drüber sprechen. Er weiß Bescheid. Wir kennen uns seit dem Kindergarten und er war lange mein bester Freund. Wir haben uns etwas auseinander gelebt, aber man kann ihm vertrauen!" Ich schaute ihn erstaunt an.

"Ich habe ihn gebeten sich mit dir zu treffen, damit du mich vergisst und ich dich. Aber es hat ganz offensichtlich nicht funktioniert." Len lächelte während er das sagte.

"Und was hat es mit den Schuhen auf sich?"

"Du meinst die mit den Stacheln? Du kannst auch welche haben. Damit verschwindet man unauffällig im Boden und landet bei uns unten in der 'Aquastation'. So nennen wir mein 2. Zuhause."

Jetzt wurde mir einiges klar. Deshalb auch die tiefen Abdrücke. Aber eine Frage erschien mir noch viel wichtiger. Waren wir zwei jetzt ein Paar?
"Ich bringe dich jetzt nach Hause, in Ordnung?", fragte er, weil ich erneut zu zittern begann. "Klar. Danke!", antwortete ich, obwohl ich am Liebsten noch viel länger bei ihm geblieben wäre. Er legt einen Arm um meine Hüfte und half mir hoch. Es fiel mir schwer zu stehen. Im Wasser hatte ich mich leicht gefühlt, aber jetzt spürte ich jeden einzelnen Muskel. Len bemerkte es und hob mich hoch. Ich protestierte, aber eine Sekunde später saß ich bereits auf seinem Rücken und er lief los.

Vor meiner Haustür setze er mich ab und wollte sich verabschieden. "Leg dich besser ins Bett. Morgen ist ja zum Glück keine Schule. Wenn du willst, komme ich vorbei.", sagte er und lächelte mich besorgt an. "Mir geht's gut. Wirklich!", antwortete ich. "Okay, dann...tschüss." Er strich mir noch einmal kurz über den Arm und wollte gehen. Ohne nachzudenken, hielt ich ihn zurück. "Du kannst trotzdem gerne vorbeikommen." Er schaute mich erleichtert an und ich ergriff meine Chance und küsste ihn ein letztes Mal für diesen Abend auf den Mund.

Unter WasserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt