Kapitel 4

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Ich nehme helles Licht war. Meine Augenlider sind schwer, ich kann sie nicht öffnen. Ein paar mal erhasche ich einen kurzen Blick auf eine weiße Wand, ich höre ein monotones Piep-Geräusch. Piiiep Piiiep Piiiep. Nochmal versuche ich mit aller Kraft, die Augen zu öffnen, mit Erfolg. Wieder kann ich nicht klar sehen. Für einen kurzen Moment ist dort die Hoffnung, dass ich ihn wieder sehe, wenn sich mein Blick aufklart. Doch er ist nicht da. Stattdessen sitzt meine Mutter neben mir, sie schläft, den Kopf auf dem Bett neben meiner Hand liegend, die sie mit beiden Händen umschlossen hält. Mein Blick schweift durch den Raum. Weiße Wände, weiße Decke, weiße Bettwäsche... Ich bin im Krankenhaus. Und das nervtötende piepende Ding neben mir zeichnet meine Herzschläge auf. Außer diesem Geräusch ist dort nur die Sonne, die durch das Fenster herein scheint. Auf dem Tisch neben mir liegt ein Stapel Zeitschriften. Die Mädchen, die Bravo, die Bravo Girl... Ich dachte Mama hätte mittlerweile begriffen, dass ich keine dieser Zeitschriften mochte. Zudem ist man mit 18 Jahren schon irgendwo ein bisschen zu alt für solche Zeitschriften. Da ich sonst aber nichts zu tun hatte, nahm ich mir die Bravo Girl und begann darin zu blättern. Outfits im Jungs-Check, ehrlich? Da mich das irgendwie nicht so interessiert übersprang ich die Seiten. Ich landete auf mehreren Seiten über eine dieser Musik-Casting-Shows, überflog sie, doch wirklich interessant fand ich sie auch nicht. Eine Seite weiter befand sich ein Interview mit einem Sänger. Den Namen kannte ich, alle Mädchen in meiner Klasse fanden ihn total toll. Ich las das Interview. Dann blätterte ich um, auf der kommenden Seite waren mehrere Bilder des Sängers. Ach du liebe Güte. Braune Augen, braune Haare, dieselbe Narbe, die die rechte Augenbraue an der Spitze vorne einmal durchteilt. Das Gesicht kannte ich. Die Person dazu hatte heute morgen erst meine Hand gehalten. Oder? Doch, doch hatte sie. Indem Moment als ich das Bild ansah spürte ich wieder dieses magische Gefühl von heute Morgen. Der Sänger, den ich eben gerade noch als oberflächliche Geldquelle der Plattenindustrie eingestuft hatte, war auf einmal auch der junge Mann, der heute morgen dieses Gefühl in mir auslöste, das alles veränderte.
Irgendwie hilflos und gleichzeitig fasziniert betrachtete ich eines der Bilder, es zeigte ihn von der Seite, lachend, ein ehrliches, leuchtendes lachen. Ein Lachen, dass tief in mir drin etwas berührte und meine Gefühle damit nur noch verstärkte. Mit einem mal war es als wäre ich süchtig. Ich wollte ihn lachen sehen. Ich wollte der Grund sein, der ihn zum Lachen bringt.
Oh man, was ist bloß los mit mir?
Um mich abzulenken griff ich nach meinem Handy, dass neben dem Zeitungsstapel auf dem Tisch lag.
340 Whatsapp-Benachrichtigungen, 23 Anrufe, 36 SMS? Wie lange war ich denn bitte nicht an meinem Handy?! Ein Blick auf den Sperrbildschirm verrät mir, dass heute Sonntag ist. Moment mal, hatte ich nicht an einem Montag diesen Unfall? Liege ich etwa seit 6 Tagen jetzt schon hier? Warum habe ich denn an die vergangenen 6 Tage keine Erinnerungen mehr?

Wincent und Emilia (Wincent Weiss-Fanfiction) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt