4| Der Skatfreunde Entdeckung

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Es war unglaublich. Die Alte May hatte schon wieder einen Grand und zog Johann und Samuel ab. Sie würde Sie mit ihrem leichten Alt-Damen-Lächeln erneut Schneider spielen, wenn nicht sogar schwarz, und das würde vermutlich auch die nächsten Runden so bleiben.

Schon häufig hatte Samuel, wenn May ihn zum Tee eingeladen hatte, in ihrer Bibliothek nach der geheimen Skat-Bibel gesucht, die sie dort irgendwo versteckt haben musste. Andernfalls war ihr Können kaum zu erklären. Glück war mittlerweile – jedenfalls statistisch gesehen – unmöglich. Es sei denn, sie hätte die Fortuna zur Freundin gewonnen. Wobei dies gar nicht so abwegig schien, wenn er länger darüber nachdachte, war das sogar nicht unwahrscheinlich, immerhin kannte die alte Dame so ziemlich jeden, der irgendwie von Bedeutung war.

Sie hatten sich ja schließlich auch erst kennengelernt, als May ihren alten Freund Rufus, seinen Lehrmeister besuchte. Damals hatte er sich genötigt gefühlt den beiden zuzuhören, während Rufus und May sich damit abwechselten, alte Anekdoten zu erzählen. Er war schon halber weggedämmert, als das Gespräch auf das Skatspiel kam.

Rufus war kein großer Freund dieses Spiels und das merkte man ihm deutlich an. Um seinen Mentor aus der Klemme zu helfen, hatte sich Samuel überwunden und das erste Mal an jenem Abend etwas zur Unterhaltung beigetragen. Er war ein großer Fan des Skats, welches er schon in früher Kindheit von seinem Vater beigebracht bekommen hatte. Erst lernte er im Offizierskat die grundlegenden Regeln. Nachdem er begriffen hatte, welche Karte welche andere stechen konnte und wie viel die verschiedenen Karten einbrachten, wagten sie sich an die Königsdisziplin. Das Reizen. Sein Vater hatte ihm dafür extra eine Tabelle mit den Wertigkeiten der verschiedenen Spiele aufgezeichnet. Mit dieser könnte er dann das erste Mal an der väterlichen Skatrunde teilhaben. Er schaffte es sogar mehrmals zu gewinnen, auch wenn er mittlerweile davon ausging, das die anderen Spieler daran nicht ganz unbeteiligt waren.

Die Alte May warf nun einen Herzkönig in die Mitte. Als Samuel die Pikacht anfasste, um sich abzuwerfen, ertönte ein Schrei. »Sind Sie denn wahnsinnig! Tun Sie das nicht!«

Seine Mitspieler blickten verstört aus ihren Karten hoch. Auch Samuel drehte sich um, um den Zwischenrufer ausfindigzumachen. Es war ein älterer Herr, den er hier noch nie gesehen hatte.

»Wenn Sie die Karte spielen, sind Sie Schneider«, stellte der Unbekannte fest und rückte etwas näher heran.

»Wieso das denn?«

»Sie haben doch bis jetzt erst sieben Punkte erzielt. Es sind nur noch zwei Stiche zu Spielen und den nächsten Stich bekommen Sie nicht. Daraus schließe ich, dass Sie in diesem Stich noch mindestens vierundzwanzig Punkte machen müssten, um aus dem Schneider zu sein.«

Die Erklärung erschien ihm einleuchtend. Der Fremde hatte Recht, wenn er es jetzt nicht riskierte, dann waren Hans und er Schneider. 

Samuel bedankte sich bei dem Unbekannten und schmiss statt der Acht seine Zehn in die Mitte. Johanns Mundwinkel hoben sich zu einem gewinnenden Lächeln, als er den Stich mit dem Herzzehn für ihr Team nahm, war Samuel tatsächlich überrascht, hatte er doch gedacht, May hätte die Zehn zuanfang gedrückt.

Wie der Fremde gesagt hatte, gewann May den nächsten Stich und somit das Spiel. »Wollen Sie sich nicht zu uns setzen? Es wäre uns eine Ehre, einen Skatmeister bei uns aufzunehmen.« May sah den Unbekannten auffordernd an.

Dieser lächelte. »Sehr gerne.«

Johann rutschte ein wenig nach rechts, damit sich der Fremde einen Stuhl heranstellen konnte. »Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte er.

Der Fremde hielt kurz inne. »Ich bin Iacobus Gryphus.«

»Ein außergewöhnlicher Name.« Johann nickte anerkennend. »Wir sind übrigens Johann, May und Samuel. Sollen wir Geberskat spielen, dann können Sie sich beteiligen.«

Der GedankenleserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt