Kapitel 5.

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Nach acht Tagen betritt eine Frau mittleren Alters unser Zelt. Ihr schwarzes Haar ist zu einem strengen Knoten zurückgebunden und sie trägt eine Militäruniform. "Quinn und Ash Walker?", fragt sie und blickt sich um. "Hier", antworte ich und hebe meine Hand. "Ihre Testergebnisse sind aus dem Labor gekommen. Sie beide sind als negativ getestet worden", teilt die Soldatin uns mit und hält zwei Papierscheine hoch. Die Laborergebnisse. Obwohl ich fest von diesem Ergebnis ausgegangen bin, atme ich dennoch erleichtert auf. Ash springt von seinem Hochbett über mir und grinst mich an. "Das ist eine super Nachricht", sagt er erfreut. "Stimmt", gebe ich ihm Recht. Die Frau räuspert sich: "Ich bringe Sie jetzt in das Camp. Folgen Sie mir bitte." Ich greife nach meinem Rucksack und schließe den Reißverschluss meiner Jacke. Auch Ash ist sofort aufbruchsbereit. Wir folgen der Frau, die sich beim Gehen als Miranda Wayne vorstellt, durch das Erstauffanglager zu einem Tor, das an beiden Seiten von bewaffneten Soldaten bewacht ist. Dahinter befindet sich Eden. Miranda zeigt einem der Soldaten die Papierscheine. "Unsere Eintrittskarten in die Sicherheit", sagt Ash feierlich. Ich strahle ihn an. Endlich. Der Soldat wirft einen prüfenden Blick auf die Papiere bevor er nickt und einen Daumen hochhält. Mit einem lauten Rattern öffnet sich das Tor und wir dürfen passieren.

Während wir durch das Camp laufen, weist uns Miranda ein. "Im Hauptgebäude finden Sie die Cafeteria und die Waschräume vor. Die Büros und ein paar Unterkünfte sind dort auch untergebracht", erklärt sie und zeigt auf das dreistöckige Backsteingebäude. Es erinnert mich an eine größere Version meiner alten High School. "Die Zelte beherbergen die meisten Zivilisten und die Sanitätsunterkünfte." Wir folgen ihr zu einem Zelt am äußeren Rand des Camps. An der Zeltplane ist eine schwarze 267 aufgemalt, die Miranda mit der Zahl auf den Papierstreifen vergleicht. "Das hier ist Ihr Zelt", sagt sie und hält die Plane hoch. Im Zelt stehen weniger Stockbetten als in unserer ersten Unterkunft. Ein alter Mann mit Basecap der Boston Red Soxs sitzt auf einem der unteren Betten und füllt ein Kreuzworträtsel in einer Zeitschrift aus. Ansonsten befinden sich keine weiteren Personen im Zelt. "Vor der Cafeteria hängen Listen für die freiwilligen Dienste aus. Bitte tragen Sie sich dort ein, wenn Sie sich eingerichtet haben" sagt Miranda. "Sie wissen ja wo Sie diese finden."


Ash ist sich in seiner Wahl sicher. Wir stehen vor den Aushängen und lesen uns durch die verschiedenen Dienste, aus denen wir uns einen aussuchen müssen. „Ich gehe auf jeden Fall zu den Trackern. Ich möchte nach weiteren Überlebenden suchen." Er ist vollkommen begeistert. In den letzten Tagen habe ich ihn immer wieder dabei erwischt, wie er die schwarzen Jeeps bewundert hat. Ich traue ihm diesen Job zu. Mein Bruder hat ein gutes Herz und wäre ein perfekter Retter. Trotzdem bin ich besorgt um ihn, wofür ich mich selber rüge. Ash ist fünfzehn! Er ist kein Kind mehr, und kann selbst entscheiden, was er machen möchte. Mein Bruder muss meinen besorgten Blick bemerkt haben, denn er verdreht die Augen. "Quinn, ich bitte dich nicht um deine Erlaubnis. Das ist allein meine Entscheidung", sagt er ernst. Ich nicke, denn ich weiß, dass er Recht hat. "Was wirst du machen?", fragt er mich um das Thema zu wechseln. Ich überfliege die restlichen Angebote. Neben Küchendienst erscheint mir der Sanitätsdienst als die beste Wahl. Außerdem wird mir bei dem Gedanken daran, vielleicht mit Caleb zusammen zu arbeiten, angenehm warm. Ich greife nach dem Kugelschreiber in meiner Hosentasche und trage meinen Namen auf eine der freien Linien ein. Auf der Liste stehen Uhrzeit und Ort für die Einweisung. Ich schreibe sie mir auf den Handrücken und gebe den Kuli dann an meinen Bruder weiter. Mit krakeliger Handschrift schreibt er seinen Namen auf die Liste der Tracker. Ich erinnere mich noch gut daran, wie Mum mit ihm vergeblich nach der Schule an seiner Handschrift geübt hat. "Fertig?", frage ich Ash und er nickt. Ich schiebe den Kugelschreiber zurück in meine Hosentasche bevor wir uns zurück zu unserem Zelt aufmachen.

Die Seuche #FirstBookAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt