Kapitel 7.

31 7 0
                                    


Asher

Der Müsliriegel schmeckt nach Pappe. Ich stopfe ihn zurück in meinen Rucksack und sehe die Straße hinunter. Mittlerweile ist der Schnee geschmolzen, und die Sonne scheint. Aber das Haus erkenne ich trotzdem. "Alles klar, Buddy?", fragt mich Will. Er dreht einen Apfel in seinen Händen, während er eine Landkarte studiert. "Ich kenne dieses Haus", sage ich. Will sieht auf und folgt meinem Blick. "Bist du schon einmal hier gewesen?" Das tote Mädchen, das Blut an den Wänden. Ich nicke. Will wendet sich wieder der Karte zu. "Der Ort heißt Toledo.", stellt er kurz darauf fest und tippt auf einen Punkt auf der Karte. Er hat sie auf der Tragfläche des Jeeps ausgebreitet und steht davor. Ich lasse meine Beine über den Rand baumeln und schaue seitlich auf die Karte. Es ist ein kleiner Ort inmitten von Grün. Toledo. Ich forme das Wort in meinem Mund. Es ist kein besonderer Name. Ich würde ihn schnell wieder vergessen, anders als dieses Haus. "Asher?" Will hat die Karte zusammengefaltet und sieht mich mit hochgezogenen Brauen an. Anscheinend wartet er auf eine Antwort. "Hast du was gesagt?", frage ich. Ich bin mit meinen Gedanken völlig abgetrieben. "Ob du hier mit deiner Schwester warst, bevor wir euch gefunden haben?", wiederholt er. Ich nicke langsam. "Wir hätten dort nicht reingehen sollen. Aber wir wussten einfach nicht, dass sie dort liegt", erkläre ich ihm leise und blicke auf meine Stiefel. Ich weiß nicht, ob ich Will davon erzählen sollte, aber es tut auf eine Weise gut mit jemand anderem als Quinn über das Mädchen zu sprechen. Meine Schwester schweigt das Thema so gut wie tot. Will richtet sich ein Stück auf und steckt den Apfel in seine Tasche. "Was hast du gesagt?", fragt er nach. Seine Stimme klingt merkwürdig ungläubig. "Ein Mädchen hat sich in dem Haus das Leben genommen. Das glaube ich zu mindestens", antworte ich und schlucke. Ich sehe ihren blassen Körper genau vor mir. "Ihr Anblick war schrecklich." Ein Schütteln überkommt mich, und ich ziehe meine Beine eng an meinen Körper. Eigentlich ist es egal, ob ich mit Quinn oder Will über das Mädchen rede. Bei beiden möchte ich lieber das Thema wechseln. "Können wir bitte über etwas anderes reden?" Aber Will schüttelt überraschend energisch den Kopf. "Ash, wie sah dieses Mädchen aus?", fragt er eindringlich. Ich runzle die Stirn. "Ihr Haar war geflochten und sie war jung. Sie hat sich erschossen, deshalb war überall Blut." Ich möchte wirklich nicht weiter darüber reden und springe von der Tragfläche. "Können wir bitte weiterfahren, Will? Ich glaube nicht, dass wir hier noch Überlebende finden werden", bitte ich und sehe ihn an. Will starrt zurück. Er hat seine Hände um das Metall gepresst, sodass sich seine Knöchel weiß hervorheben. "Ist alles klar mit dir?" Ich bin mir nicht sicher, was ich von seiner Reaktion halten soll. Sie macht mir ein wenig Angst. "Sie hat es getan", flüstert er schließlich. Er ist kaum zu hören, aber die Bitterkeit in seiner Stimme entgeht mir nicht. Ich schiebe meine Hände in die Taschen und blicke zu Boden. Das Mädchen hat mich wochenlang in meinen Träumen verfolgt und es ich war froh, als ich endlich wieder ruhig schlafen konnte. "Sie war wahrscheinlich infiziert. Sich zu erschießen hat ihr einiges erleichtert." Es sollte nicht abfällig klingen, aber ich will das Mädchen so schnell wie möglich wieder vergessen. "Sie hat diesen Tod nicht verdient", erwidert Will und seine Verbitterung ist nicht zu überhören. Ihr Tod scheint ihn ganz schön mitzunehmen. Ich weiß nicht, wie viele Seuchenopfer er bereits gesehen hat, aber seiner Reaktion zufolge können es nicht viele gewesen sein. „Ich glaube, dass sie es einfach hinter sich bringen wollte. Wahrscheinlich ist sie schon durch die Hölle gegangen und wollte es einfach nur noch beenden", sage ich. Will schüttelt den Kopf und legt den Kopf in den Nacken. Mir entgeht nicht, dass er die Augen zukneift und langsam ausatmet. „Sie muss schreckliche Angst gehabt haben", flüstert er und öffnet seine Augen wieder. Sie kommen mir viel dunkler als sonst vor. Ein beklemmendes Gefühl breitet sich in mir aus. „Können wir bitte nicht über das Mädchen reden?", bitte ich ihn ein letztes Mal. Wills Augen weiten sich und er starrt mich an. "Du versteht es nicht, Asher! Du hast doch keine Ahnung wie das ist!", brüllt er und schlägt auf die Tragfläche. Ich zucke zusammen. "Verdammt!" Will legt den Kopf in den Nacken und holt tief Luft. Ich spüre kochend heiße Wut in mir aufsteigen. Am liebsten würde ich ihn genauso anschreien. Ihm von Mum erzählen, die auf dem Küchenboden lag und sich vor Schmerzen krümmte. Ich kenne das Gefühl! Will soll von Dad erfahren, der weinte, weil er mich nicht in den Arm nehmen konnte, um verdammt nochmal seinen Sohn nicht anzustecken! Ich will Will anbrüllen, weil Dads Tod einfach nicht ertragen kann, doch ich tue es nicht. Stattdessen greife ich nach dem Zippo in meiner Tasche und umgreife es so fest, wie ich kann. "Es tut mir Leid", presse ich hervor. Will sieht mich noch immer nicht an, doch er nickt. "Du bist zu jung. Ich kann dir nichts vorwerfen."


Ich muss mir angewöhnen, die Kapitel früher am Tag zu veröffentlichen! Bei mir kann man sich grandios im Warten üben. Trotz der Verspätungen scheint die Geschichte aber doch ein paar Leser anzulocken, worüber ich mich wirklich sehr freue:)

Die Seuche #FirstBookAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt