Kapitel 2.

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Erst nahm ich vereinzelte Stimmen wahr, die ich allerdings nicht zuordnen konnte. Was war geschehen? War das alles nur ein dummer Traum? Und wo war ich jetzt?

Ich schlug die Augen auf und wurde von Licht geblendet, sodass ich erst nichts erkennen konnte. Als sich meine Augen schließen an die Helligkeit gewöhnt hätten sah ich mich um.

Sina saß neben mir auf dem Boden in irgendeiner Ecke und lächelte mich, wenn auch etwas schwach, an. Ich lächelte leicht zurück. Dann sah ich mir den Raum etwas genauer an. Er war relativ groß und besser beleuchtet als der Raum in meinem Traum. Doch an den Wänden und auf dem Boden waren überall Blutspritzer und blutige Fuß- und Handabdrücke zu sehen. Einige Jugendliche saßen an den Wänden und schliefen oder starrten nur vor sich hin.

Ich richtete mich auf und sah meine Freundin an. "Wo sind wir?" Fragte ich sie leise und sah besorgt wie ihr eine Träne die Wange runter kullerte. "Sina? Was ist passiert?" Eine plötzliche Angst stieg in mir auf. "Tom... ist... tot..." Brachte sie schluchzen hervor. Ich sah sie kurz geschockt und verwirrt an, bis mir klar wurde, dass das, was ich für einen grässlichen Traum gehalten habe, kein Traum, sondern die schreckliche Realität war. Mir wurde wieder schwindelig, als ich an den entstellten Tom dachte, mit seinen losen Körperteilen. Ich spürte wie ich anfing zu weinen.

Nachdem Sina und ich uns wieder beruhigt hatten gab sie mir ein Becher mit Wasser und ein Stück Brot. Während ich mich dazu zwang etwas zu essen erzählte mir Sina, dass, nachdem Tom gestorben war, eine Tür zu diesen Raum geöffnet wurde. Sie sagte, dass, als sie dieses Raum betraten, mit blutiger Schrift 'Tom ist tot. 10 übrig.' an einer Wand geschrieben stand und dass sich hier ein Tisch, mit Bechern und angenageltem Brot befunden hat.

Ich knabberte an meinem Brot herum, wohl wissend,  dass es vielleicht das letzte Mal war, wo ich was zu essen bekommen könnte. Doch ich bekam nichts runter. Unauffällig legte ich es neben mich, so dass Sina es nicht bemerkte. Denn ich wusste, dass sie mich sonst dazu bringen würde, es zu essen. Und darauf hatte ich absolut keine Lust.

"Und jetzt?" Fragte ich, um sie von meinem Brot abzulenken. "Wir haben beschlossen erst einmal zu schlafen und uns auszuruhen, um dann morgen die zweite Aufgabe zu suchen und hinter uns zu bringen."  "Dann sollten wir uns wohl auch mal hinlegen, oder?" Sina nickte. Wir lehnten uns beide nebeneinander an eine Wand und irgendwann hörte ich, wie Sinas Atem immer ruhiger und gleichmäßiger wurde. Nach einer Weile schlief ich ebenfalls ein.

"Hej Leute! Ich hab die zweite Aufgabe gefunden!" Ich schreckte aus meinem unruhigen Schlaf hoch und sah mich um. In einer der Ecken stand Paul, der Freund von Stephanie. Er hielt einen Zettel hoch in die Luft und wedelte damit herum. Ich stupste Sina an, die noch immer schlief.

Nachdem ich mein Rest Brot von gestern in meine Tasche gepackt hatte (wer weiß wann ich das nächst mal was zu essen bekommen würde) liefen wir gemeinsam hinüber zu Paul, der bereits von den anderen umringt war. Als er sich sicher war, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller hatte las er grinsend vor.

"Aufgabe 2.:

Um die zweite Tür öffnen zu können braucht ihr einen kleinen Schlüssel. Dieser war in einem der Brote versteckt, welches speziell präpariert wurde. Um heraus zufinden wer den Schlüssel gegessen hat, müsst ihr ein Gift zu euch nehmen, was nur mit dem präparierten Brot zum Tode führen kann.

Wenn derjenige tot ist, müsst ihr seinen Magen auf schneiden und den Schlüssel ins Schloss stecken.

Bleibt eurem Blut treu, solange es noch fließt.

Die Erwählten"

"W-was haben die damit gemeint?" Fragte Miriam erschrocken. Ihre Augen waren gerötet, als hätte sie die ganze Nacht geschlafen.  "Soweit ich es verstanden habe" Fing Liam an. "war in einem der Brote, die wir gegessen haben der Schlüssel für die nächste Tür versteckt. In diesem Brot war vermutlich irgendein Stoff, der, wenn er mit diesem Gift, was jeder von uns wohl noch einnehmen muss, in Berührung kommt, tödlich ist. Nachdem der, der dieses Brot gegessen hat gestorben ist, müssen wir ihm den Magen auf schneiden und den Schlüssel rausnehmen." Miriam wurde bleich. "Das heiß... das jeder es sein kann?!" Rief sie, die Augen weit aufgerissen. "Ja." Sagte Paul, der Liam so zuvor gekommen war. "Aber woher sollen wir das Gift nehmen?" Fragte ich. "Oder ein Messer?" Fragend sah ich jeden einmal an. Doch normal hatte eine Idee. "Ihr dürft mich feiern." Sagte Paul dann und grinste breit. Wir sahen ihn nur verwirrt an. "Und wieso?" Fragte Sina ihn, mit einem genervten und dennoch neugierigen Unterton in der Stimme.  "Weil ICH so schlau war und das Messer aus dem anderen Raum mitgenommen habe. Deswegen!" Er zwinkerte mir provokativ zu und ich rollte mit den Augen. "Gut mitgedacht Paul." Meinte Liam, aber ich konnte sehen, dass er sich am liebsten auf Paul gestürzt hätte. Auch wenn ich nicht genau wusste warum. Er war zwar ein Arsch und ein Angeber, aber bisher hatte er doch noch nichts allzu schlimmes gemacht. "Und was ist mit dem Gift?" Fragte ich erneut. "Wo sollen wir das hergekommen?" "Vermutlich ist es hier irgendwo versteckt. Vielleicht hinter einer der Wände." Überlegte Liam laut. "Ja wahrscheinlich. Ein anderes Versteck gibt es hier ja anscheinend nicht." Sagte Stephanie.

Alle gingen zu einer der Wände und klopften diese dann, auf der Suche nach einem Hohlraum, ab. Ich war umgeben von Klopfen, unterschiedlicher Lautstärke und Geschwindigkeit. Es hörte sich beinahe wie ein Lied an. Ein Lied, das mir einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen ließ.

Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich wieder auf meine Suche zu konzentrieren. Langsam arbeitete ich mich vor. Ich klopfte in unterschiedlichen Höhen und unterschiedlicher Intensität.

Meine Knöchel waren bereits ganz wund und geschwollen und ein wenig Blut tropfte träge auf den Boden und hinterließ eine klitzekleine Pfütze.

Ich sah mich um. Die meisten waren noch dabei, die Wände abzusuchen. Doch manche saßen schon ebzkraftet und vollkommen hoffnungslos in irgendeiner Ecke und starrten ins Lehre oder sahen uns, in Gedanken versunken, dabei zu, wie wir immer weiter suchten.

Ich lehnte mich gegen die Wand und rutschte daran herunter bis ich relativ bequem auf dem Boden saß.

Ich musterte den Tisch, der, wie im ersten Zimmer, in der Mitte des Raumes plaziert war. Er war aus einem dunklen Holz gefertigt und war mit eleganten Mustern verziert. Ohne das ganze getrocknete Blut und die vielen Kratzer überall und die hässlichen, verrosteten Nägel im Holz, mit denen wohl das Brot aufgespießt wurde, wäre er wunderschön und beeindruckend gewesen. Doch so jagte er mir irgendwie Angst ein. Ich fragte mich, wie viele Menschen in diesem Raum wohl bereits gestorben sind oder ihren Verstand verloren haben. Ich bekam eine Gänsehaut.

Wer tat sowas bloß? Wer schickte Jugendliche in den Tod? Und das, auf die wohl schlimmste Art und Weise? Dieser jemand konnte doch bloß Geistesgestört sein!

Plötzlich viel mir etwas auf. Dort im Boden, unter dem Tisch und schön in desen Schatten verborgen, befand sich eine kleine Luke. Ich richtete mich mühsam auf und ging zum Tisch hinüber. Dann hockte ich mich hin und tatsächlich! Dort im Boden war ein kleines Loch, was wohl als Griff dienen sollte. Ich quetschte meine Finger in die viel zu kleine Öffnung und versuchte, die eingelassene Platte, die nun immer besser zu erkennen war, hoch zu heben. Ich rutschte ab. Mist! Wieso musste ich nur so fette Wurstfinger haben?!

Ich fluchte leise. Meine Finger waren jetzt schon aufgeschürft und Blutüberströmt. Ich wischte sie an meiner Jeans an und hinterließ dort rote Blutspuren, was mir im Moment scheiß egal war.

Ich blickte auf. Niemand schien mich bemerkt zu haben. Sie waren alle zusehr damit beschäftigt die Wand ab zuklopfen oder seinen Gedanken zu folgen. "Hey Leute! Ich hab was gefunden!" Rief ich schließlich. Sofort kamen alle zu mir gestürzt. "Hier unter dem Boden ist ein Loch. Vermutlich ist da das Gift drin versteckt. Aber ich kriege das Ding hier nicht ab." Bei dem Wort 'Ding' schlug ich leicht auf den Boden, worunter dieser Hohlraum versteckt war.

"Lass mich mal!" Murmelte Liam und schubste mich leicht zur Seite. Er griff unter die Platte und zog sie mit aller Kraft nach oben. Man sah schon, wie er rot im Gesicht wurde, und wie seine Fingerkuppen anfingen zu bluten und die schwere Platte glitschig werden ließ, als er sie endlich soweit hochgehoben hatte, sodass ich schnell eine kleine Flasche rausnehmen konnte. Mit einem Knall, ließ Liam die Platte fallen und sah angewidert auf seine vom Blut verschmierten und verklebten Finger.

Ich drehte die kleine Gasflasche zwischen meinen Fingern hin und her musterte sie von allen Seiten.

Der Boden war ein Sechseck, die Seiten verliefen steil nach oben und die Öffnung wurde mit einem eleganten Glaskorken verschlossen. Im Inneren des Gefäßes glänzte eine hellgrüne bis türkise Flüssigkeit. An der Flasche war ein kleiner Zettel befestigt auf dem 'Jeder zwei Tropen' stand.

Ich stand auf und stellte die kleine Flasche auf den Tisch, so dass jeder sie gut sehen konnte. Eine Weile  sagte niemand ein Wort und diese Stille machte mir Angst.

"So... wer will erst?" Hörte ich mich sagen, ohne es wirklich geplant zu haben.

Test 11Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt