Eine weitere Auftrags-Reizwortgeschichte.
(Wörter: EndoplasmatischesRetikulum, Dalai Lama, Keine Ahnung, Oachkatzlschwoafspitzl, Unterhose, Essen,Desoxiribonukleinsäure, Feuerwehrauto)"So, Mirjam", nehme ich in dem Lehnstuhl ihr gegenüber Platz. Sie reißt ihren Blick von den Gemälden meiner Vorfahren rings um uns herum los, schaut mich fragend an.
Ich setze fort: "Du hast mir den Auftrag gegeben, eine Geschichte für dich zu schreiben. Nun...ich bin dabei auf ein kleines Problem gestoßen..."
"So?", zieht sie fragend die Augenbrauen hoch.
"Ja. Schau. Es ist irgendwie schwierig, Wörter wie 'Desoxyribonukleinsäure' oder 'Endoplasmatisches Retikulum' in einen Text einzubauen, der spannend sein soll und der nicht unbedingt von einem Biologietest handelt."
"Hm...", überlegt sie: "Und was, wenn du die täglichen Abenteuer einer Zelle beschreibst, was sie so macht, was sie erlebt?"
"Okay, wie baue ich dann 'Feuerwehrauto' und 'Dalai Lama' ein?", frage ich zurück.
"Tja, könnte es nicht...ich meine, einen Dalai Lama der Zellen geben und vielleicht irgendwelche Feuerwehrauto-Zellen?", grinst sie, wissend, wie weit hergeholt und vollkommen verrückt das ist. Aber ich spiele mit, ergänze mit gezwungen ernster Miene: "Und diese Eukarioten leben dann alle in einem 'Oachkatzlschwoafspitzl', und dieses Eichhörnchen trägt 'Unterhosen' und hat 'keine Ahnung' vom Leben?"
Sie lacht auf: "Ja genau."
Ich schaffe es nicht mehr, ausdruckslos dazusitzen und wir prusten beide los.
Irgendwann haben wir uns wieder beruhig und ich schlage meinen Notizblock auf, lasse den Kugelschreiber klicken: "Also gut. Wir fangen an. Wie nennen wir unsere Zellen denn?"
"Wie wärs mit Felix", schlägt Mirjam vor.
"Felix, nun gut...", murmle ich, beginne zu schreiben, gleichzeitig vorzulesen: "Es war einmal vor langer langer Zeit im Körper eines Eichhörnchens welches gerne Unterhosen trug. Da lebte eine kleine Zelle mit Namen Felix ganz am äußeren Ende des sogenannten Oachkatzlschwoafspitzls. Denn von da aus konnte er so viel von der Welt sehen. Jedes Mal, wenn sie einen Baum hinaufkletterten, sah er, wie der Boden in weite Ferne rückte und alles plötzlich so richtig klein wurde, sogar die Menschen, die aus der Nähe wahre Riesen waren. Nur...", setzte ich den Stift ab, schaue Mirjam fragend an: "So, welchen Konflikt könnte diese kleine Zelle denn nun haben? Mit welcher Herausforderung hat sie zu kämpfen?"
"Keine Ahnung, bin keine Zelle", zuckt Mirjam mit den Achseln.
"Okay, hab schon eine Idee", murmle ich geheimnisvoll, setzte den Stift erneut an: "Nur an diesem Tag sollte etwas ganz gehörig schiefgehen. Felix war noch recht jung und unerfahren. Viele der anderen Zellen rund um ihn herum existieren schon wesentlich länger als er, hatten auch schon so viel mehr gesehen als er. Deshalb war es auch jene Zelle, welche alle nur den 'Dalai Lama' nannten, weil er schon so alt und weise war, die vor Felix selbst bemerkte, dass mit ihm etwas ganz gehörig nicht stimmte", ich lege eine Kunstpause ein.
"Oooh", raunt Mirjam, schaut mich gespannt an.
"Der Dalai Lama sprach: 'Felix, mein Kind, dein Endoplasmatisches Retikulum scheint verstopft zu sein. Du kannst kein Material in dir herumschicken, bis es wieder frei ist und deshalb auch keine Proteine aufbauen.' 'Oh, was soll ich dagegen tun?', wollte die junge Zelle natürlich sofort besorgt wissen. 'Es muss einmal durchgespült und gereinigt werden', kam es zurück. 'Aber, wie mache ich das?' 'Die Menschen würden in so einem Fall ein Feuerwehrauto holen, wir Zellen aber können das ganz gut selbst. Sag einfach deinen Leuten im Zellkern, sie sollen dort aufräumen.' 'Okay', zögerte Felix: 'Sind die nicht damit beschäftigt, die Desoxyribonukleinsäure auszulesen und Baupläne für Proteine zu schreiben?' 'Die sind sehr vielseitig, du wirst sehen', zwinkerte ihm der Dalai Lama zu."
"Können Zellen zwinkern?", wirft Mirjam ein.
"Jetzt schon", grinse ich, schreibe weiter: "Und tatsächlich, kaum dass Felix den Befehl gegeben hatte, machte sich ein Putztrupp auf, einen wahren Berg von sinnlosen und unbrauchbaren Aminosäuren aus den verschlungenen Gängen des endoplasmatischen Retikulums zu entfernen. 'Danke', sagte Felix. 'Gern geschehen', erwiderte der Dalai Lama: 'Vergiss nur eines nicht: Wir Zellen können sehr gut auf uns selbst aufpassen. Alles was wir brauchen, können wir selbst herstellen und wenn es uns schlecht geht, können wir uns selbst helfen. Tu es einfach.' 'Werd ich', versprach Felix."
Ich setze den Stift ab.
"Aus?", hakt Mirjam nach.
"Aus", bestätige ich, klappe das Notizbuch zu.
"Ist die Geschichte nicht etwas kurz?"
"Findest du? Ich glaube nicht. Und sonst kann man ja immer noch etwas dazuschreiben", grinse ich.
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AcakNeben meinen Büchern entstehen zeitweise aus Lust und Laune heraus, oder durch Aufträge auch diverse kürzere Texte, welche nun hier gesammelt präsentiert werden können. (Coverbild: https://pixabay.com/de/bücher-tür-eingang-italien-farben-1655783/)