Mister Perfect

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Rebecca stellte ihm weitere Besucher vor, darunter der Chef der Firma Ventus, ein gepflegter älterer Herr, der ihm von seiner Firmenphilosophie erzählte. Bei Ventus, erklärte er, handelte es sich um eine sportliche Streetwear Marke, deren Zielgruppe junge Männer im Alter von 18-28 waren. Die Kampagne würde der Vermarktung der neuen Frühjahrskollektion dienen, die Dean repräsentieren sollte.

„Darf ich Sie etwas fragen?", warf Dean ein. „Warum ausgerechnet ich?"

„Um ehrlich zu sein hatten Sie die besten Bewerbungsfotos. Ihr Ausdruck ist einfach fantastisch. Wir glauben, dass sie ein authentischer Typ sind, mit dem sich viele junge Männer identifizieren können.", erklärte der Mann.

Dean wurde rot und erinnerte sich an diesen sehr privaten Moment in Castiels Fotostudio. Er hatte das Resultat nicht selbst gesehen, doch wenn das, was er gefühlt hatte, in seinen Augen zu lesen war, wagte er sich das Ergebnis nicht auszumalen. Eigentlich hätten diese Fotos nicht in die Öffent­lichkeit gelangen dürfen...

Dean flüchtete zur Toilette und wäre am Liebsten dort geblieben. Wenn er nicht bald einen gewissen Alkoholpegel erreichte, würde dieser Abend unerträglich werden. Unter diesem Vorsatz machte er sich auf die Suche nach etwas stärkerem als Champagner. Irgendwo musste doch eine Flasche Whiskey aufzutreiben sein.

Er gelangte in die Küche, wo offensichtlich so wenig gekocht wurde, dass sie immer noch schnee­weiß und blitzblank wirkte. Sowieso schien dieses Gebäude keinerlei Wohnzweck zu erfül­len. Er stöberte im Kühlschrank. Dort fanden sich nur einige Flaschen frisch gepresster Fruchtsäfte zum Mischen von Cocktails, nicht eine einzige Bierflasche.

„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?" Dean schlug hastig die Kühlschranktür zu und drehte sich zu dem Mann um, der ihn gerade angesprochen hatte. Er stand nur wenige Meter von Dean entfernt und verpackte ein Geschenk. Dean war so überrumpelt und fasziniert von seiner Erscheinung, dass er für einige Minuten gar nichts sagen konnte. Der Mann hatte ungefähr die Statur von Sam, leicht gebräunte Haut und ein ebenmäßiges, markantes Gesicht. Seine türkiesfarbenen Augen strahlten so hell, dass man glauben könnte das Meer darin zu sehen. Er hatte dichte Wimpern und volle Lippen. Sein blondes Haar schimmerte golden, er trug einen Seitenscheitel und ein maßgeschneidertes, marineblaues Hemd. Er bemerkte, wie Dean ihn anstarrte und lächelte.

„Wollen Sie mir helfen?" Seine Stimme spielte wie eine sanfte Melodie in Deans Ohren.

„Ich...äh..."

„Sie legen Ihren Finger auf das Band und ich mache einen Knoten, okay?" Dean näherte sich dem Tisch, tat wie befohlen und der Mann knotete das Geschenkband zusammen.

„Danke.", sagte er freundlich. „Ich finde es sieht gut aus, was meinen Sie?"

Er betrachtete sein kunstvoll verpacktes Päckchen. Dean nickte fachmännisch, obwohl er nicht den lei­sesten Schimmer hatte, um was es hier ging.

„Für wen ist es denn?", fragte er neugierig.

„Für meinen Exmann.", antwortete der fremde Mann und wurde bei diesen Worten ganz träume­risch, während Deans Herz in die Hose rutschte. „Ich möchte ihn zurückerobern."

Dean schluckte. Dass dieser Kerl ihm so selbstverständlich von seiner ehemaligen Ehe mit einem Mann erzählte, machte ihn unruhig. So wurde er selbst wieder daran erinnert, was er eigentlich ver­drängen wollte. Doch nun, da er schon mal einen homosexuellen Mann traf, musste er die Gelegen­heit beim Schopf packen und ihn dazu ausfragen.

„Wie lange waren Sie denn zusammen?", fragte Dean und tat als wäre das Thema ganz normal für ihn.

Er überlegte. „Etwa fünf Jahre."

EVER THINEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt