Ich eilte nach draußen auf dem Pausenhof, eine wütende Katharina stapfte mir hinterher.
K: "Toll, dass du nicht nur dich selbst, sondern auch Michael, mich und auch Sebi vor der ganzen Klasse zum Affen gemacht hast!"
O: "Halt bloß Sebi da raus, du weißt genau, was er davon halten würde."
K: "Tut mir leid, du kanntest ihn ja so gut. Olivia, es tut mir wirklich leid für dich, aber wir kannten ihn alle gut, und nur weil du nicht trauern kannst, kannst du es mir nicht verbieten!"
O: "Nur weil ich meine Gefühle nicht einem Teddy-Bären erzählen will heißt das nicht, dass ich nicht trauern kann."
K: "Nein, du säufst deine Trauer lieber weg und haust mit dem nächstbesten Typen auf einer Feier rum, auf der du garnicht sein solltest."
Das hat gesessen. Um uns herum hat sich langsam eine kleine Menschenmasse gebildet, die gespannt unserer Auseinandersetzung folgte. Bis auf unser Geschrei war es totenstill auf dem Pausenhof. Sie hat mich vor der ganzen Schule beleidigt. Nicht, dass es nicht eh schon jeder wusste, aber mich so bloßzustellen war unter aller Sau.
O: "Vielleicht solltest du auch nur mal eine Sekunde daran denken, dass Ablenkung auch eine Option ist, anstatt seine Trauer vorzuführen und eine Show daraus zu machen."
K: "Die einzige, die hier Theater macht, bist du!"
O: "Entschuldigung, dass es mir schlecht geht, wenn mein Freund gerade gestorben ist!"
K: "Du hast Sebi doch garnicht richtig geliebt, sonst wärst du nicht nach 3 Wochen mit dem Nächsten abgegangen!"
Jetzt reichte es mir. Ich wollte schreien. Ich wollte weinen. Und am liebsten wollte ich ihr heftig ins Gesicht schlagen. Unsere interessierten Zuschauer zogen scharf die Luft ein, als Katharina mir das an den Kopf warf. Gespannt gierten sie nach meiner Reaktion. Ich war wie eingefroren. Mein ganzer Körper zitterte. Auf einmal hörte man das Aufschreien eines Motors und ein schwarzes Motorrad rauschte durch die Menge. Die Schüler sprangen erschrocken auseinander, um dem mysteriösen Fahrer auszuweichen. Er fuhr direkt auf mich zu, hielt vor meinen Füßen an und hielt mir einen Helm hin. "Steig auf." Ich fackelte nicht lange.
Ich schnappte mir den Helm und setzte ihn beim Aufsteigen über den Kopf. Ich sah Katharina noch einmal kalt an, bevor ich die Klappe über die Augen zog und wir mit einem lauten Aufheulen vom Pausenhof rasten.Ich wusste nichtmal, wer er war. Und es war mir egal. Ich hatte nichts zu verlieren. Die einzigen Menschen, die mir wichtig waren, waren tot oder scheiße. Ich wollte einfach nur weg von ihnen, raus aus dieser Hölle. Sobald wir aus der Stadt waren, gab der Vordere Gas und wir brausten mit 160 km/h die Landstraße entlang. Erst klammerte ich mich um den muskulösen Oberkörper vor mir, doch nach einiger Zeit löste ich mich von ihm und streckte die Arme aus. Und dann schrie ich, so laut ich konnte, solange es meine Lunge ausgehalten hat. Ich schrie und fühlte mich dabei so, als ob ich fliegen würde, wegfliegen von dem schrecklichen Ort, weg von diesen bescheuerten Menschen. In den Kurven hielt ich mich wieder fest und lehnte mich in die Seite, um das Fahren nicht zu erschweren. Der Fahrer dachte allerdings nicht daran, langsamer zu werden, und fuhr weiter durch die Pampa. Erst in einem Waldstück, schon 30 Kilometer entfernt, bremste er das Gerät und hielt schließlich an. Ich stieg ab, zog den Helm runter, schmiss ihn zur Seite und ließ mich auf den Boden fallen. Dann weinte ich bitterlich. Ich schloss die Augen und heulte wie ein Schlosshund vor mich hin.
Erst als ich mich ein wenig beruhigt hatte machte ich die Augen wieder auf und schaute nach oben. An dem Motorrad gelehnt saß Jonas, der genüsslich eine Zigarette rauchte und mich beobachtete.
Ich setzte mich auf. Dann nahm ich die rote Schachtel aus meiner Tasche und steckte mir auch eine Zigarette an. Ich wischte mit dem Handrücken über meine Augen, was schwarze Striche auf meiner Haut hinterließ. Ich sah wohl aus wie ein Panda, doch nichts war mir in diesem Moment gleichgültiger. Jonas' Blick lag auf mir, musterte mich eindringlich, dann stand er auf, nur um sich neben mir ins Gras zu legen. Wir lagen auf dem Boden und schauten in den Himmel, nur die Kippen brachten uns dazu, uns überhaupt zu bewegen.
O:"Die Welt ist scheiße."
J:"Du hast aber lange gebraucht, um das zu bemerken."
Jonas stütze sich auf seinen Ellenbogen ab und kramte in seiner Jackentasche nach dem Tabak, um noch eine Zigarette zu drehen. Mit dem Filter zwischen den Lippen verteilte er den Tabak auf dem dünnen Pape und drehte sie kurz, um sie wieder auf zu machen und etwas darüber zu Bröseln. "Was ist das?" "Gras.", antwortete er mir, bevor er über das Papier leckte und den Joint schloss. Dann zündete er ihn an und ein widerlich süßer Geruch drang in meine Nase. Er lehnte sich wieder zurück, mit einem Arm hinter dem Kopf. "Willst du mal ziehen?"Oli, ich hab mir das mit dem Motorrad angesehen, weil Katharina echt scheiße war, aber ich bitte dich, halt dich von diesem Arschloch fern. Sebi. Sie lügt. Sie lügen alle. Ich weiß, dass sie lügt. Bitte, Oli, zieh nicht an diesem Joint. Du hast mir gesagt, du würdest niemals Drogen nehmen. Du hast mir gesagt, du würdest mich nie verlassen.
Ich nahm den Joint aus Jonas' Hand und zog daran. Ich spürte nichts. Es hat sich nichts verändert.
"Von einmal ziehen wirst du nicht high.", sagte er und war schon dabei den nächsten zu drehen. "Schenk ich dir. Ich hab selbst."
Also zog ich erneut an der süßen Zigarette und musste erstmal heftig husten, bevor ich mich einigermaßen an den Geschmack gewöhnte. Irgendwann wurde mir etwas schwummrig und ich merkte, wie sich mein Körper immer mehr entspannte. Als die Glut meinen Finger gefährlich nahe kam drückte ich ihn auf dem Boden neben mir aus und legte mich auf die Seite. Jonas lag wie vorher da und starrte in den Himmel, der mittlerweile etwas dunkler geworden war. O mein Gott, wir hatten Schule geschwänzt. Auf einmal musste ich lachen. "Was ist? Warum lachst du?" "Jonas ich hab Schule geschwänzt." Belustigt schaute ich ihn an und grinste über beide Ohren. "Ja du hast Schule geschwänzt." "Ich bin Motorrad gefahren." Nun musste auch er etwas schmunzeln. "Ja du bist Motorrad gefahren." "Ich bin ein Gangster!", schrie Ich ihn an und prustete los. "Ich werde mich vor dir in Acht nehmen, kleiner Drache."
"Die ganze Welt muss sich vor uns in Acht nehmen."____________________
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Sie wissen, was sie tun.
Teen Fiction„Wann verstehst du endlich, dass du bei mir nicht sicher bist?" „Wann verstehst du endlich, dass ich keine Sicherheit suche?" Er ist ihre erste große Liebe. Die Liebe von der Sorte, die man niemals vergisst. Seit seinem Tod wurde Olivias Herz kalt...