14 Ushio

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»Mann, das war ja ein schöner Reinfall«, murmelte Yuna, nachdem sie das Haus von Yamato-san verlassen hatte. Ein tiefer Seufzer folgte. Was jetzt?

»Ich bin genau so ratlos wie du. Interessant wäre zu wissen, ob das Kanade-Mädchen aus dem Haus entführt wurde, oder ob sie draussen geschnappt wurde. Und falls dem so wäre, weshalb sie überhaupt draussen war.«

Ich hab mir zwar Sherlock Holmes angesehen und bin eine Cumberbitch, aber ich werd sicher keine Meisterdetektivin.

»Was auch immer.«

Die Jägerin sah sich auf der Strasse um, doch absolut nichts erregte ihre Aufmerksamkeit. Irgendwie typisch, dass der einzige Yōkai, den wir finden, keine Ahnung von nichts hat.

»Wir könnten zum Haus zurückkehren und nochmals das Buch studieren. Möglicherweise habe ich einen Hinweis übersehen.«

Nein. Ich will mir gar nicht vorstellen was Rei gerade durchmacht. Wir müssen sie so schnell wie möglich finden.

»Zum Glück haben wir ja die notwendigen Bekanntschaften in der Umgebung, um uns unter den Yōkai zurecht zu finden. Gehen wir zu Benjiro auf einen Becher Sake und ein erfrischendes Bad.«

Yuna dachte an die roten Punkte im Meer. Das ist gar nicht so dämlich. Wenn es tatsächlich einen Oni hier gibt, könnten wir ihn fragen.

»Mach doch was du willst. Setz dich an den Strand und starre aufs Wasser hinaus. Ist mir völlig egal.«

Sie kicherte. Sag bloss du bist sauer, weil du nicht drauf gekommen bist.


Da der Oni nichts mehr entgegnete, machte sie sich auf den Weg zum Strand. Der Teich im Wald, wo eventuell die Unagi Hime lebte, stellte ebenfalls eine Option dar. Vielleicht wusste sie mehr. Während Yuna durch das Dorf schlenderte, drang ihr der Geruch von Rauch in die Nase. Sie stoppte und spähte um die nächste Ecke. Der alte Mann, den sie schon einmal gesehen hatte, sass auf seinem Stuhl und rauchte seine Kiseru.

Macht der eigentlich nichts anderes ausser rauchen?

Sie überlegte sich, ob sie ihn ansprechen sollte. Er hatte behauptet schon einmal mit Benjiro gerungen zu haben. Vielleicht konnte er ihr weiterhelfen und verraten wo sie den Kappa finden konnte. Das Mädchen rang noch mit sich, als er die Kiseru ausklopfte und dann ins Haus ging.

Yuna fasste dies als Zeichen auf, dass diese Begegnung einfach nicht sein sollte und setzte ihren Weg zum Strand fort. Beim Erreichen des Piers sah sie sich ein wenig um, aber sie konnte sich nicht für die Fischerei interessieren und verschwendete keine Zeit, um den Hafen auszukundschaften. Sie blickte aufs Meer hinaus, welches vom Mond kaum beleuchtet wurde, da er sich hinter einer Wolke verbarg. Das Rauschen des Ozeans in ihrem Gehör drängte sich als ständiger Begleiter auf. Yuna hielt ihren Blick auf das Wasser gerichtet und suchte nach irgendeinem Anzeichen für eine übernatürliche Erscheinung.


»Macht es mir doch nicht so verdammt schwer!«, rief sie dem Meer zu und schnaubte frustriert auf. Langsam stampfte die Jägerin dem Ufer entlang in Richtung des Waldes. Ein Plätschern erklang ganz in der Nähe.

»Ich wusste gar nicht, dass du auch draussen unterwegs bist, Ushio-san.«

Yuna fuhr herum und suchte die Wasseroberfläche ab. Ein menschliches Gesicht, das vollständig von Schuppen und nassem Haar gesäumt war, ragte aus dem Wasser auf. »Wie hast du mich genannt?«

Die Miene im Wasser verzog sich vor Schreck. »Ich habe dich verwechselt. Entschuldigung.«

Das Spitze des Schwertes bohrte sich in den Sand. »Das macht nichts. Du bist eine Meerjungfrau, oder?«

Ein japanisches SommermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt