Sommerphilharmonie von @crystalleemonaid

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Sommerphilharmonie

Meine erste Assoziation mit dem Sommer war stets Polly in ihren wechselnden Früchtebikinis, mit goldenem Sand bestäubt, der ihre braungebackene Haut mehlierte und die eiskalten, nach Pflaumensaft schmeckenden Lippen. Ihr Name war eigentlich Philomena - eine ganze Sinfonie an Lauten mit dem vorpreschenden Auftakt - so wie unsere erste Begegnung -, dem staunenden Kern - der so wie sie, sich über jede Alltäglichkeit verblüffen konnte -, dem das Alberne ihres Wesens folgte und mit der Überraschung am Schluss gekrönt wurde. Phil-o-me-na. Die Philharmonie meiner Sommer.

Die bonbonbunten Bikinis waren mittlerweile verschwunden. Die schlaksigen Kinderglieder und klebrigen Finger auch. Geblieben waren nur die wildroten Haare, die hellen Augen, die jede Farbe annehmen konnten - je nach dem, mit was sie sich gerade beschäftigte, und das blubbernde Lachen, das ohne Vorwarnung sich aus ihrer Brust losbrechen und sich dann ihres ganzen Körpers bemächtigen konnte, bis sie sich wie ein Zitteraal, glucksend über den Sand wälzte.

Gedankenverloren knüpfte sie wilde Farne zu einem Kranz zusammen und steckte einzelne Gänseblümchen als Zierde hinein, während ihre Augen sich dunkel in den modernden Algen verloren, welche von den brandenden Wellen angespült wurden und einen Grenzstreifen zwischen der Welt der Menschen und der Naturgewalten bildeten. Wild reigende rostrote Sprenkel verteilten sich pointillistisch auf ihren Schulterblättern, wie die Flügelzeichnung eines Perlmutterfalters. Und ich hatte wieder dieses warme Gefühl im Bauch, das ohne Grund an meinen Mundwinkeln zog.

Als ob sie mich gespürt hätte, wand sie sich nach mir um und der feuchte Südwind schnitt sich an den lustig klimpernden Schalen der Meerschnecken in ihrem Haar und stimmte einer Panflöte gleich melancholische Melodien an. Sie kicherte wie eine Seemöwe und rutschte scharrend zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich fühlte den porösen Felsen unter meinen

Fingern, der vertraut nach Jod und Hitze duftete. Dort, im Schatten der Pension, in deren Hinterhof zum Trocknen aufgehängte Lacken im Wind flatterten und die harzenden Kiefern sich säumten, konnte ich dieses Wunder erleben, in den Nächten zum Mittsommer.

Ihr Lächeln erinnerte an die Unterseite eines Mantarochens, nur dass hinter dem Halbmond ihrer Lippen kleine, spitze Zähne aufblitzten. Ihr seliger Blick aber, mit dem sie in die Lichtreflexe der See zwinkerte, stand im kompletten Gegensatz zu ihrer Natur.

"Wäre es nicht schön, wenn es jeden Tag so sein könnte?", flüsterte sie dem Meer entgegen, welches die Worte in seinen rauschenden Wogen in Stücke riss und nur Silben zurück warf. Es fröstelte mich als ich bei dem Gedanken daran die Zehen in das Wellenkosen des Meeres tunkte.

"Wenn es jeden Tag so wäre wie jetzt, wäre es jetzt nichts Besonderes," gab ich zu bedenken ohne sie anzusehen. In die weiße Nacht über uns streckte sich die honigfarbene Zunge des Morgens, die nach dem orangen Sonnenbonbon leckte.

Polly platschte ihre Flosse heiter in die Gischt, die wie Sprühsahne den Fuß, des in das Wasser ragenden Steins, garnierte und strich sich einige quergeratene Schuppen glatt. Nun glänzten sie in allen Regenbogenfarben, während sie sich das Salz von den Handgelenken leckte.

"Wie lange kannst du noch bleiben, Polly?"

"Solange die Nacht weiß ist und du mich brauchst," erklärte sie und grinste unter ihrem zarten Knöcheln hervor. Eine rostrote Strähne schlängelte sich aus dem Tang ihrer Haare in ihr Gesicht und zwirbelte sich um ihre Nasenspitze.

"Werde ich dich denn jemals nicht mehr brauchen?", lachte ich in das Pfeifen des Windes und warf mich auf meine Arme zurück.

Sie zuckte die sommersprossenbestäubten Schultern und ihr, im Wasser tollendes, Fischende spritzte kühle Meereskleckse in mein Gesicht.

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