Da bin ich wieder. Liverad. Die Stadt, die in kürzester Zeit mein neues zu Hause geworden ist. Lange war ich ja nicht weg. Doch als wir so durch die Gassen dieser Zeitlosen statt reiten, scheint sie ihren Charme verloren zu haben. Die drachenartigen Vögel scheinen nicht mehr so magisch zu sein, wie zu beginn und der belebte Markt lenkt nicht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich kann nur an eines denken: ich werde gleich verkauft werden. An einen Prinzen. An einen verdammt abstoßenden Prinzen. Was, wenn er ein Sadist ist? Was, wenn er mich schlecht behandeln wird? Mich schlägt? Demütigt? Was, wenn er mich vergewaltigt? Ich habe so viel Angst, dass sich meine Finger unwillkürlich in den Sattel meines Pferdes krallen.
"Beruhigt Euch", vernehme ich die Stimme Zens hinter mir. "Der Prinz ist kein schlechter. Er liebt lediglich die Frauen."
Na super. Das hilft mir auch nicht weiter. Was, wenn ich ihn abstoßend finde? Wie soll ich das ertragen? Als wir vor den Palastmauern ankommen, schicke ich noch ein Stoßgebet gen Himmel, ehe ich meinen Blick aufrichte und starr nach vorne sehe. Es soll keiner merken, wie viel Angst ich habe.
Hätte ich nicht so große Panik, würde ich von dem Palast fasziniert sein. Seine Mauern sind gepflegt und weiß. Vor dem Palast erstreckt sich ein wunderschöner Palastgarten mit den verschiedensten Blumen darin. Ich sehe Gärtner arbeiten und neue Blumen pflanzen und Blumen ausreißen. Wachen sind überall Postiert und sie tragen eine schwarze Uniform mit einem Schwert am Rücken. Meine Hände fangen an zu schwitzen, als wir vor den großen Treppen, die zum Eingang des Palastes führen, stehen bleiben.
Zen steigt als erster ab, doch ich scheine wie versteinert zu sein und rühre mich nicht, bis er mich an den Hüften packt und mich vom Pferd holt. Ich kann nicht mal protestieren. Mein Mund fühlt sich so trocken an und meine Hände zittern. Ich habe solche Angst. Als sich die schweren Türen öffnen und der Prinz heraustritt, jagt mir ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Doch ich stelle mich aufrecht und stolz hin. Ich möchte nicht, dass mich jemand für schwach hält. Ich bin nicht schwach. Ich kann das. Ich bin die Tochter meiner Mutter. Ich gebe nicht auf.
Langsam schreitet der Prinz die Stufen, gefolgt von zwei Wachleuten, hinunter. Er lässt mich dabei nicht ein mal aus den Augen und ich tue es ihm gleich. Halte dem Blick stand Nika, denke ich. Als er vor mir stehen bleibt, kann ich ihn genauer in Augenschein nehmen.
Er ist größer als ich. Nicht sehr viel, aber doch größer. Seine Haare sind dunkelbraun und so auch seine Augen. Er sieht stark aus und trägt ein Schwert mit sich herum. Seine Haut sieht gebräunt aus und sein Blick scheint sicher. Unerschütterlich. Ganz im Gegensatz zu mir. Alles an ihm scheint pures Selbstbewusstsein auszustrahlen und ich fühle mich, als würde ich unter seinem Blick immer kleiner werden.
"Bezahlt den Mann, er hat gute Arbeit geleistet", befielt der Prinz mit einer autoritären Stimme, der man sich nicht gerne widersetzen möchte.
Als Zen sein Geld erhält, dreht er sich um und geht, ohne noch ein Wort zu sagen. Nun bin ich wirklich alleine. Nun ist alles fremd. Ich merke, wie ich den Blick langsam abwende und zu Boden schaue. Meine zitternden Hände habe ich ineinander verschränkt. So viel zum Thema Selbstbewusstes Erscheinungsbild.
"Wisst Ihr, wer ich bin?", fragt mich der Prinz, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Ich sehe auf und sage: "Der Prinz."
Er nickt. "Mein Name ist Prinz Iro von Shenj. Rechtmäßiger Thronfolger des Königs, meines Vaters." Und mit einer sanfteren Stimme fragt er mich: "Und dürfte ich Euren Namen erfahren?"
"N-Nika. Nika More", antworte ich. Verdammt, ich habe gestottert.
"Nika. Ein wirklich ungewöhnlicher Name für eine ungewöhnliche Frau. Es freut mich, Eure Bekanntschaft machen zu dürfen", sagt der Prinz, nimmt meine Hand und führt sie an seine Lippen. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Arm, als ich seine Lippen auf meiner Haut spüre. Und es ist keine positive Reaktion.
"Folgt mir, Nika. Es wird Zeit Euch die Quartiere zu zeigen."
Innen drin ist der Palast noch viel prunkvoller als von außen. Die Fenster haben goldene Rahmen, die Böden sind aus feinstem Marmor und künstlerische Deckenleuchter schmücken und erhellen die Räume. Es sind überall Gemälde postiert und Bilder an Wände gemalt Worden. Figuren von Soldaten aus Stein sind an den Fenstern angereiht und Blumen geben den Räumen etwas mehr Leben. Als wir den Treppen in den nächsten Stock folgen, bleibt fast mein Atmen stehen, so berauschend sieht alles hier aus. Die Halle mit der Treppe ist mit einem wunderschönen, großen Kronleuchter verziert, die Treppen selber sind aus Gold und oben angekommen sehe ich ein edles Piano stehen. Ich komme aus dem staunen nicht mehr heraus.
Die Wachen haben uns auf dem Weg nach Oben irgendwann mal allein gelassen, somit sind nur mehr ich und der Prinz unterwegs. Er bleibt vor einer schwarzen Tür stehen, die einen goldenen Rahmen hat und öffnet sie mit einem Schlüssel. Als wir den Raum betreten, habe ich das Gefühl, dass meine Kinnlade mit dem Boden bekanntschaften macht, denn dieser Raum hat all meine Erwartungen übertroffen. Nein, übersprengt. Weit übers Ziel hinaus geschossen.
Statt einem Kerker, oder einem einfachen Zimmer, stehe ich in einem Raum der so groß ist wie mein Zimmer, Wohnzimmer und Küche zu Hause vereint. Ein Himmelbett steht in der Mitte des Raumes und wurde mit dunkelroten Bezügen überzogen. In einem Eck steht ein Schreibtisch mit Papier und Feder. In einer anderen Ecke, steht ein großer Spiegel und ein gigantischer Schrank. Blumen schmücken den Raum und an der Decke hängt ein wunderschöner Kronleuchter. Sogar einen Balkon hat das Zimmer, große Fenster und ich kann das gesamte Königreich von meiner Position aus sehen.
"Dort drüben habt Ihr ein Badezimmer und im Schrank findet Ihr viele neue Kleider. Gefällt es Euch?", fragt der Prinz hinter mir und ich drehe mich langsam um.
Ich nicke langsam, nicht wissend, was als nächstes folgen wird. Prinz Iro tritt an eines der Fenster und starrt hinaus.
"Nika, ich möchte nicht, dass es Euch bei mir schlecht geht, also werde ich Euch den Schlüssel zu Eurem Zimmer geben. Doch versucht nicht weg zu rennen. Ich habe überall Wachen postiert und Euch auch einen Leibwächter zugeteilt. Auch wenn Ihr ihn nicht seht, er wird Euch sehen", sagt Iro und dreht sich zu mir um. "Ihr seid mein Gast und so sollt Ihr auch behandelt werden. Habt Ihr noch irgendwelche Fragen an mich?"
"Wieso... wieso bin ich hier?", frage ich langsam.
Der Prinz legt den Kopf schief und tritt näher an mich heran, weshalb ich gezwungen bin einen Schritt zurück zu gehen. "Ich liebe schöne Dinge und noch mehr mag ich es sie zu sammeln. Ihr seid wirklich einzigartig, Nika. Und ich möchte Euch besser kennen lernen."
Besser kennen lernen? Aha. "Wie meint ihr das... besser kennen lernen?", sage ich, während meine Stimme immer leise wird und zu zittern beginnt.
Iro ergreift meine Hand und führt sie zu seiner Brust eher er antwortet: "Wenn Ihr darauf hinaus wollt, dass ich mich an Euch vergreife, dann irrt Ihr. Ihr seid keine Hure, oder eine Mätresse. Das habe ich sofort gesehen, als ich Euch das erste mal erblickt habe." Er streicht mit der anderen Hand über mein Haar und meine Wange. Sein Blick ist weich als er sagt: "Ihr habt so wunderschönes, weißes Haar. Und so unpassende Augen. Wieso sind Eure Augen nicht genauso weiß, Nika?"
Dann lässt er mich wieder los und geht zur Tür. Beim hinausgehen sagt er noch: "Ich werde für einige Tage nicht hier sein. Versucht Euch einzugewöhnen und erkundet den Palast und den Palastgarten. Wir sehen uns schon bald wieder."
Dann schließt er die Tür hinter sich und ich stehe alleine in Mitten des Raumes. Ich stehe noch lange so da und lausche dem Schlagen meines Herzens, ehe ich auf dem Boden zusammen breche und anfange, ohne Unterbrechung zu heulen. Ich heule, weil ich erleichtert bin. Heule, weil ich diesem Mann ausgeliefert bin. Heule, weil ich mich so verwundbar fühle. Ich habe das Gefühl, dass mich meine Probleme zu ersticken drohen, als ich mich langsam zum Bett schleife und mich darauf fallen lasse.
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Reminiscence - Meine Erinnerungen
FantasyIch weiß nicht, ob ich ertrunken bin. Ich weiß nicht, ob ich gestorben bin. Was echt ist und was nicht. Doch ich weiß eines. Da wo ich gelandet bin muss ich schnell lernen und mich anpassen. Denn wenn ich es nicht tue, nun, ich möchte nicht wissen w...