Nun sind schon einige Tage seit meiner Ankunft hier vergangen. Ich helfe tüchtig auf dem Hof mit wo ich nur kann, denn ich möchte keinem zur Last fallen. Dorotha und Willi sind immer noch so freundlich zu mir. Ich habe die zwei richtig ins Herz geschlossen. Doch meine Sorgen werden immer größer. Ich ertappe mich, wie ich immer öfter an meine Eltern denke und an meine Freunde und was durch deren Köpfe geht. Und allen voran denke ich an meine Mutter. Ich hoffe, dass sie sich nichts antut. Dass sie das durchsteht. Sie muss es wissen, dass ich noch am Leben bin. Muss es fühlen. Ahnen. Oder? Und Luca. An ihn denke ich so wenig. Ich fühle mich so schlecht, dass ich nicht an ihn denke, doch es kommt mir nicht so wichtig vor. Ich vermisse ihn nicht so, wie alle anderen. Und egal, wie schön diese Welt ist, ich vermisse meine eigene. Eine Welt, wo Blumen nicht leuchten und Schmetterlinge nicht schimmern. Eine Welt, in der ich nicht wie ein Außenseiter betrachtet werde.
Mittlerweile reagieren die Leute, die am Hof mitarbeiten entspannter, wenn sie mich sehen. Sie gewöhnen sich langsam an mich. Dorotha hat ihnen erzählt, dass ich von sehr weit her komme und sie scheinen es zu akzeptieren. Doch meine Ankunft hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Das merke ich, als ich mit Willi zum Markt gehe, um Fisch zu kaufen.
Ich fühle mich unwohl, als ich durch die engen Gassen dieser seltsamen Stadt gehe. Sie ist wirklich groß und erstreckt sich über eine weite Fläche. Sie scheint kein Ende zu nehmen. Willi hat mir erzählt, dass sie das Zentrum und der Sitz des Königshauses ist. Die Häuser sind dunkelgrau und einheitlich. Im unteren Bereich gibt es keine Fenster. Erst ab den zweiten Stockwerk erscheinen sie. Es erinnert sehr an ein riesengroßes Labyrinth. Der Boden ist gepflastert und ich merke, dass auf Sauberkeit geachtet wird. Überall stehen Wachen herum und bewahren Ordnung und Sicherheit. Auf mich wirkt es eher wie eine Rundumbewachung.
Und jeder Mensch hier hat wunderschöne mandelförmige Augen. Ich fühle mich, als wäre ich mitten im japanischen Mittelalter. Nur, dass alle hier verschiedenste Haarfarben außer Blond aufweisen. Seltsam.
Ich trage eine Kopfbedeckung und verstecke mein Haar darunter, dass es nicht so auffällt. Wobei meine Gesichts und Augenform schon verrät, dass ich nicht von hier bin. Jeder sieht mich mit großen Augen an und macht einen Bogen um mich. Ich merke, wie hinter vorgehaltener Hand geredet wird, andere zeigen mit ihren Fingern auf mich.
"Willi?", beginne ich.
"Hm?", entgegnet er.
"Alle starren mich so an", flüstere ich ihm zu. Kaum zu glauben, wie sehr ich diesem alten Mann schon nach so kurzer Zeit zu vertrauen begonnen habe.
"Mach dir nichts draus. Die Leute reden gern. Du bist halt außergewöhnlich und schön obendrein", sagt er mit dem Stolz eines Vaters in der Stimme. Ich fühle mich geschmeichelt.
"Sehen die Städte bei dir daheim auch so aus?", fragt Willi neugierig.
Ich sehe mich nochmals um. "Nein, gar nicht. Sie sind irgendwie... schmutziger. Und die Leute sehen alle anders aus. Keiner ist gleich", antworte ich.
Er schmunzelt und sagt dann daraufhin: "Ich gehe mal dort rüber einige Fische kaufen. Du kannst dich ruhig etwas umsehen."
Ich sehe ihn etwas beunruhigt an woraufhin er hinzufügt: "Keine Sorge. Dir passiert schon nichts. Lass die Leute reden. Sollen sie. Trage ihre Blicke mit Stolz." Er zwinkert mir nochmals zu, dann verschwindet er in der Menge.
Ich fühle mich unwohl. So allein unter all diesen Blicken. Unter all diesen Menschen. Trage es mit Stolz, sagte er. Und genau das werde ich tun. Ich straffe meine Schultern und strecke meinen Rücken, Kopf nach oben. Sollen sie mich doch alle anschauen.
Ich gehe von einem Stand zum nächsten und sehe mir die Waren an. Ich habe solche Dinge noch nie gesehen. Von solchen Fischen noch nie gehört. Da sind Fische mit lila Schuppen, Pelze aus Federn von Vögeln, die es bei uns nicht gibt und Gerüche von Gewürzen die so intensiv sind, dass es mir teilweise die Tränen in die Augen treibt. Alles ist so vielseitig, so faszinierend. Ich weiß gar nicht wo ich alles hin soll.
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Reminiscence - Meine Erinnerungen
FantasíaIch weiß nicht, ob ich ertrunken bin. Ich weiß nicht, ob ich gestorben bin. Was echt ist und was nicht. Doch ich weiß eines. Da wo ich gelandet bin muss ich schnell lernen und mich anpassen. Denn wenn ich es nicht tue, nun, ich möchte nicht wissen w...