Das Training wird immer schwerer und anspruchsvoller. Meine Tage bestehen aus stundenlangem Spuren lesen, schmerzhaften Schwertkämpfen, Tier und Pflanzenkunde und der Kunst, Schmerzen auszuhalten. Ich spüre, wie meine Muskeln mit jedem Tag immer stärker werden. Ich kann nun weitere Strecken laufen, ohne müde zu werden, meine Reflexe sind ausgeprägter und ich habe gelernt, auf die kleinsten Geräusche zu hören. Ich bin froh darüber, denn die Lage, in der wir uns befinden, wird immer kritischer und gefährlicher. Ständig eilen Nachrichten über feindliche Überfälle herein und ständig verschwinden Leute, oder werden verletzt. Der König hat bereits Truppen ausgesandt, um einen Verteidigungswall aufzubauen, doch ich glaube nicht, dass das viel bringen wird. So wie es jetzt aussieht, wird es zum Krieg kommen... und das schon sehr bald.
Ich stehe gerade vor dem Spiegel und ziehe meinen braunen Trainingsanzug an. Mittlerweile sitzt er nicht mehr so gut wie zu Beginn, da ich zum einen abgenommen habe und zum anderen etwas mehr Muskeln bekommen habe. Doch da mein Training schon bald abgeschlossen sein sollte, wollen sie mir keinen neuen geben. "Bald" hm. Bald könnte bei Luca genauso gut in drei Jahren sein. Ich seufze und kämme mit meinen Fingern durch meine lang gewordenen, blonden Haare.
"Sie sind wirklich schön", spricht eine mir sehr bekannte Stimme hinter mir. Ich drehe mich überrascht um und erblicke Zen wie er mich, auf der Fensterbank sitzend, lächelnd ansieht. Ich hebe eine Augenbraue und frage: "Was machst du hier drinnen? Und seit wann bist du da?"
Er erhebt sich von der Fensterbank und geht in meinem Zimmer herum. "Noch nicht sehr lange. Bin durch das Fenster gekommen. Ehrlich Nika, hast du denn im ganzen Training gar nichts gelernt? Du hättest mich eigentlich bemerken müssen."
Ich verdrehe die Augen und drehe mich wieder zum Spiegel ehe ich antworte: "Ich habe dich bemerkt."
"Na klar hast du das", erwidert er sarkastisch. Ich ignoriere ihn und sehe wieder meine langen Haare an. Sie sind so unpraktisch geworden und hindern mich beim Kämpfen. Ich meine, ich binde sie immer zu, aber das habe ich satt. Lange Haare haben und sie immer zubinden zu müssen gefällt mir nicht. Also nehme ich eine Schere in eine, und eine Haarsträhne in die andere Hand und schneide sie auf Schulterhöhe ab.
"Was machst du da? Wieso hast du das gemacht?", fragt Zen aufgebracht, kommt auf mich zu und hält mich davon ab, meine restlichen Haare abzuschneiden, indem er meine Hand festhält.
Ich blicke zu ihm auf und sage: "Meine Haare sind zu unpraktisch und stören." Er seufzt und fährt mit einer Hand durch sie durch. "Aber sie sind so schön." Und kaputt, füge ich in Gedanken hinzu. Sehr kaputt.
"Sie werden wieder wachsen. Es sind doch nur Haare", sage ich beruhigend und befreie meine Hand aus seinem Griff, während ich den Rest abschneide. Zen sieht mir währenddessen zerknirscht zu, als hätte ich ihm eine gescheuert. Als ich fertig bin, habe ich kurze Haare, die gerade noch meinen Hals erreichen und ich fühle mich erleichtert.
"Ich muss jetzt los zum Training. Man sieht sich!", rufe ich als ich zur Tür laufe.
Doch da höre ich aufgebrachte Rufe von draußen schallen und ich drehe mich wieder zu Zen um. Dieser zuckt mit den Schultern und wir laufen beide hinaus um zu sehen, was der ganze Aufruhr soll. Unter all den Bediensteten, Soldaten und höher gestellten, die sich im Schloss versammelt haben, entdecke ich Luca und eile zu ihr.
"Was ist hier los?", frage ich beunruhigt. "Ein Angriff?"
"So etwas in der Art. Der Prinz ist verschwunden", antwortet sie mit sorgenvollen Augen.
"Was? Wie konnte das passieren? Er ist doch immer umringt von Wachen!", fragt Zen irritiert.
"Nicht dieses mal. Du weißt doch wie er ist. Er ist allein los gegangen um sich den Schaden im Land anzusehen. Sein Reittier wurde gefunden, sein Schwert auch, aber er ist seit gestern nicht wieder aufgetaucht", antwortet Luca.
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Reminiscence - Meine Erinnerungen
FantasíaIch weiß nicht, ob ich ertrunken bin. Ich weiß nicht, ob ich gestorben bin. Was echt ist und was nicht. Doch ich weiß eines. Da wo ich gelandet bin muss ich schnell lernen und mich anpassen. Denn wenn ich es nicht tue, nun, ich möchte nicht wissen w...