Der 121. Tag

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Mit den ersten Sonnenstrahlen die sich über dem Horizont erstreckten und das letzte Licht der leuchtenden Wälder erlöschte, saßen wir bereits auf unseren Pferden und machten uns auf den Weg, den Berg zu erklimmen. Bis jetzt hat es geeignete Wege für die Pferde noch gegeben, da viele Pilger zu diesem Ort reisen und einen Weg geebnet haben, doch je weiter wir kommen, desto spärlicher und schmäler werden auch diese. 

"Hat dieser Wald denn eigentlich ein Ende?", fragt Davij genervt und rollt mit den Augen.

"Ist dir das offene Feld lieber, wo du sofort entdeckt wirst?", entgegne ich, als ich schaudernd an die Wölfe zurückdenke. 

"Da hat man wenigstens gesehen wie weit man gekommen ist. Hier sieht man nur einen Weg und immer dieselben Bäume", meint er und lehnt sich müde auf seinem Pferd zurück. 

"Wenn du im Unterricht aufgepasst hättest dann wüsstest du, dass das hier eine andere Baumart ist, als noch vor wenigen Minuten", mischt sich plötzlich Luca ein. Dann meint sie lautstark zu Eren: "Bist du dir sicher, dass Davij bereit ist?"

"Werden wir ja sehen", antwortet Eren.

"Ich kann euch hören!", ruft Davij und schnaubt dabei energisch. Dabei erinnert er mich eher an ein trotziges Pferd und nicht einen gefährlichen angehenden Schattenjäger.

Davij ignorierend wendet sich Luca plötzlich an Leyla und sagt: "Dort vorne ist der letzte Tempel. Ab da wird der Weg für die Pferde unmöglich. Kehre ab diesem Punkt zurück."

"Ja natürlich", erwidert sie und nickt. 

Als Luca von einem Tempel sprach, kam mir eine kleine Gedenkstätte in den Sinn oder vielleicht eine kleine Kapelle. Bis jetzt sind wir nur an so kleinen Kapellen vorbei gekommen, wo hübsche Bäume und eine ruhige Lichtung ein friedliches Bild vermittelten. Aber das hier.... das hier ist etwas anderes. Von weitem konnte ich schon die grüne Überdachung sehen, die perfekt in diesen Wald hinein passte. Und je näher wir kamen, desto mächtiger wirkte das Bauwerk, in dem Dritkas und diverse Götter verehrt wurden. Der Außenbereich bestand aus feuerrotem und gelbem Holz und in der Mitte der Wand des Tempels war ein grünes, offen stehendes Tor. Als wir näher kamen, sah ich drinnen einige Mönche herumlaufen und einen wunderschönen Tempelgarten bestehend aus den buntesten Blumen pflegen. Unweigerlich schoss mir das Bild eines Tempels aus meiner Erinnerung durch den Kopf. Doch ich konnte nicht sagen, woher ich diese Erinnerung hatte und verwarf sie daher schnell wieder. 

Als Luca ihr Pferd vor dem Tempel anhält, folgen wir alle ihrem Beispiel und steigen ab. Wir binden die Pferde aneinander und übergeben die Zügel Leyla. 

"Seid ihr euch sicher, dass ihr die Pferde nicht mehr brauchen werdet?", fragt sie etwas Sorgenvoll. 

"Entweder die beiden fliegen auf ihren Dritkas zurück oder sie fliegen gar nicht zurück", erwidert Luca schulternzuckend.

"Was meinst du mit gar nicht?", frage ich stirnrunzelnd. 

Überrascht dreht sie sich zu mir um und sieht mir mit ihren roten Augen direkt in meine grünen.

"Oh habe ich dir das noch gar nicht gesagt?", fragt sie amüsiert.

"Was gesagt?"

"Wenn du es nicht schaffst einen Dritka zu finden, wirst du entweder von den anderen Dritkas zerfleischt oder, falls du es überlebst, wirst du aus dem Königreich vertrieben", meint sie.

Mir bleibt der Mund offen stehen als ich das höre. Also deswegen war Zen so seltsam besorgt als ich ging. "Und das hättest du mir nicht vorher sagen können?", frage ich entgeistert. 

"Nein", antwortet sie und wendet sich an die anderen. "Machen wir uns auf den Weg. Es wird ein anstrengender Tag und ich will nicht, dass mir jemand runterstürzt."

Reminiscence - Meine ErinnerungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt