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Als ich am nächsten Morgen aufwache weiß ich, dass das mein Letzter Tag auf Erden sein wird. Meine Gleider schmerzen unvorstellbar, mein Kopf pocht, meine Zunge fühlt sich taub und geschwollen an. Meine Sicht ist verschwommen und ich fühle meine Fingerspitzen und Zehen nicht mehr.

Stöhnend richte ich mich langsam auf. Das alles bereitet mir Höllenqualen.

Heute bewege ich mich kein Bisschen. Ich komm doch sowieso nicht in diese beschießene Stadt!! Dann kann ich auch gleich hier liegen bleiben und sterben.

Langsam greife ich nach meinen Leberbeuteln und würge die letzten beiden Fleischstreifen und Beeren runter. Ich greife nach meinem Tagebuch und leges es neben mich, um meine letzten Worte zu notieren, meinen Abschiedsbrief an die Welt zu Ende zu schreiben.

Ich nehme mein Messer aus der Scheide und betrachte es lange und eingehend.

Ich kann all mein Leid ganz einfach jetzt beenden... aber nur Feiglinge, Schwächlinge und Nieten begehen Selbstmord. Und ich bin das alles nicht. Ich bin Prinzessin Eadlyn von Europa, Erbin des Thrones und des Reiches, erste meines Namens, ich bin die Zukünftige Königin, ich werde keinen Selbstmord begehen!

Ich stecke mein Messer weg.

Wobei...ich bin auch eine Mörderin...ich habe zwei Menschen, beides Mörder, umgebracht. Ich wurde wegen Sippen-und Königsmord auf eine Lebenslängliche Haft verurteilt. Mir wurde mein Titel und mein Erbe aberkannt, ich bin nichts mehr, als der Schatten einer Prinzessin, der Geist einer Idee...der Staub einer niemals einkehrenden Zukunft...ein nichts...nichts als ein bisschen Dreck unter den Fingernägeln eines toten Sklaven...ich bin Dreck genauso wie der Sand um mich herum!

Ich möchte suftzen, aber ein Stöhnen kommt heraus. Ich greife nach meinem Tagebuch und beginne mit tauben, zitternden Händen zu schreiben. Ich schreibe all die Worte nieder die ich nie gesagt habe.

Ich schreibe darüber wie mein Vater meine Mutter mit seinen Dienern betrogen hat, wie mein Bruder und ich ihn mal erwicht hätten. Wie mein Bruder mir danach gestanden hätte, dass unser hoher Vater sich auch an ihm vergangen hätte. Wie der König seinen neunjährigen Sohn vergewaltigt hat. Meine Mutter die in all ihrer Verzweiflung Trost bei ihren Angestellten gesucht hat. Ich habe mein Leben lang still geschwiegen aber jetzt kommen die Gehimnisse heraus.

Wie mein Vater mich als kleines Kind immer geschlagen hat. Wie er mich mal ausgepeitscht hat, als er betrunken war. Wie er mir gedroht hat mir die Zunge rauszuschneiden, wenn ich jemals auch nur ein Wort darüber verliere, was er meinem Bruder angetan hat. Wie er mir gedroht hat meine Finger abzuschneiden, sollte ich einen Brief an die Presse schreiben. Er sagte mir, er würde mir die Füße abschneiden, sollte ich versuchen aus dem Palast zu fliehen...ich schrieb alles nieder.

Am Ende schrieb ich: ,,...vielleicht bin ich doch froh, dass er Tod ist und vielleicht hätte ich ihn selbst umgebracht, hätte mir dieser Mann dieses Aufgabe nicht schon abgenommen..."

Darunter setzte ich noch ein paar letzte Worte und unterschrieb dann. Mein Lebenswerk ist vollendet, jetzt kann ich in Frieden sterben.

Die Sonne steht mitlaweile im Zenit. Ich lege mich in den Sand und blicke zum Himmel, ohne den Umhang über mich gelegt zu haben.

Ich fühle wie mich das Leben verlässt.

"Sand. Er ist überall. In jeder noch so kleinen Ritze und wenn man ihn weg wischt, kommt er trotzdem wieder. Er ist in den Schuhen und wenn man die dann trägt scheuert der Sand die ganze Zeit. Ich hasse Sand.
Aber ich bin allein umgeben von Sand, zum sterben verurteilt und habe irgendwann angefangen ihn zu lieben. Er ist mein einziger Freund und ein steter Begleiter. Er hört mir immer zu und verlässt mich nie. Der Sand wird immer da sein",führe ich einen letzten Monolog.

"Ich bin unschuldig",flüstere ich noch.

Dann schließen sich meine Augen und ich fühle wie der Tod nach mir greift. Wie meine Seele in einen Haufen Splitter zerfällt. Wie eine Träne über meine Wange rinnt. Der Tod nimmt mein Herz, reißt es heraus und zerdrückt es in seiner Hand. Vor meinem inneren Auge sehe ich Elena. Sie streckt die Hand nach mir aus, ich ergriff sie und sie zieht mich in den Himmel.

Ich verlasse diese Welt und meinen Körper. Ich blicke zurück auf die Hölle inder ich gefangen war und sehe meine Leiche daliegen.

Das Leid ist vorbei. Ich bin Tod. Meinen Übereste werden zerfallen, der Sand aber wird fortbestehen.

Der Sand wird niemals vergehen.

Der Sand wird immer sein...

↠ѕαи∂↞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt