Vom Regen in die Traufe

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"Pass auf, verdammt! Die Straßen sind glatt", schrie Toni John zu, der sie mit Mühe durch die verschneiten Straßen manövrierten. Das Auto, dass Mr Alforth ihnen geborgt hatte, war ideal. Egal wie die Situation heute enden würde, Toni war darauf vorbereitet. Nachdem sie um halb neun mit der weißen Corvett das Parkhaus verlassen hatten, mussten sie noch einige Stunden in Johns Wohnung verbringen. Das Newton-Hotel hatte nachtsüber scharfe Sicherheitsmaßnahmen, die es einem unmöglich machten, auf die Weise in das Gebäude zu kommen, wie sie es zu tun gedachten. Es war ein teures Hotel, aber als Bankräuber hatte man natürlich so seine Mittel, dachte Toni bei sich. Jeder von ihnen drei hatte sich einen schwarzen Mantel, Lederhandschuhe und kugelsichere Westen angezogen. Auch wenn sie nicht mit Widerstand rechneten, sollte man jemanden, der es schaffte, eine Mafia-Bank ausrauben nicht unterschätzen. Alforths Wagen war aus mehrfach gehärtetem Metall und kugelsicheren Scheiben, was es zwar unscheinbar aussehen, aber auch stärkerem Feuer standhalten ließ. Das Nummernschild war auf einen anderen Wagen registriert, der zwar ebenfalls Mr Alforth gehörte, auf dem Papier jedoch einem Familienvater aus Colorado. Sie alle drei trugen unter ihren Mänteln nicht die üblichen Revolver, sondern drei Modelle der P1911, alle mit Schalldämpfern. Es musste nicht mehr Lärm gemacht werden als möglich, in New York war eine Schießerei in der Öffentlichkeit drei mal gefährlicher als in Los Angeles. Hier gab die Polizei darauf acht, dass sich die braven Bürger immer schön sicher fühlten. Außerdem waren sie allesamt mit Maschinenpistolen versteckt, die sich leichter unter dem Mantel verstecken ließen, als ein Sturmgewehr.
John riss das Lenkrad erneut herum und die Corvett schlitterte um die Kurve in die Lincolnstreet. Es waren nicht viele Passanten um diese Zeit unterwegs. Quitschend brachte John den Wagen zum stehen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße glitzerte der Schnee auf den Fensterbänken des Newton-Hotels im Sonnenlicht. Die Fassade wirkte unwirklich. Das Gebäude hatte sechs Stockwerke, das von ihnen gesuchte Zimmer lag im zweiten Stock. Das Gebäude war von oben betrachtet ein großes Sechseck, hatte aber nur ein Treppenhaus und nur einen Aufzug. "John, du übernimmst die Feuerleiter. Wenn irgendwer außer mir und Leo darunter kommt, knallst du ihn ab, egal wer", wies Toni den Fahrer an. John nickte und wollte gerade die Tür aufreißen, als er erstarrte. "Was ist?", fragte Toni ungeduldig, er folgte seinem Blick und erkannte - Jamie Miller, Informant der Carpenter-Company und seit zwei Jahren als Maulwurf in der Cistaro-Familie eingeschleußt. Jamie war ein magerer Kerl mit eingefallenem Gesicht. Und genau dieser trat soeben durch die Vordertür des Hotels auf die Straße, sah sich kurz gehetzt um und ging dann schnell in Richtung Parkplatz. Toni riss die Tür auf und stieg aus. "Jamie", rief er quer über die vierspurige Straße. "Was hast du hier zu suchen!?" Jamie Miller wandte den Kopf und starrte entsetzt zu Toni hinüber. Wie eingefroren stand er da, Toni ihm keine fünfzehn Meter gegenüber. Toni sah, wie er nach Worten suchte, dann entschied er sich um und rannte blitzschnell zum Parkplatz davon. Toni hetzte los, hinter sich hörte er, wie zwei weitere Autotüren geöffnet wurden und Leo und John hinter ihm her rannten. Toni schwang sich über die Schranke hinweg und rannte weiter. Jamie war ungefähr hundert Meter von ihm entfernt, er schlug einen Haken und lief auf das Parkhaus zu. Toni blieb stehen, er wusste, dass er ihn hatte. Er stützte sich auf seine Knie, und holte Luft, während Leo und John ihn einholten. "Wo ist er hin?", fragte Leo, aber er antwortete nicht. Er richtete sich auf und ging schnellen Schrittes auf das unterirdische Parkhaus zu. Plötzlich ertönte ein lauter Fluch aus der Richtung. Jamie hatte nicht gewusst, dass das Tor nur mit Schlüsselkarte zu öffnen war. Er, Leo und John bogen um die Ecke und blickten zu Jamie hinüber, der vor dem verschlossenen Tor stand und keinen Ausweg mehr hatte. Der Fuchs war gefangen. "Es ist aus, Jamie", rief Toni. "Gib auf."
Auf einmal ging alles sehr plötzlich.
Jamie griff blitzschnell in die Innenseite seiner Jacke, aber Toni war noch schneller. Er riss die P1911 hervor und bevor Jamie wusste, wie ihm geschah, hatte ihn die Kugel mitten in den Bauch getroffen. Er schrie auf, als sich ein hellroter Fleck langsam auf seinem blauen Shirt ausbreitete. Er schrie ein weiteres mal und spuckte dieses mal Blut auf den Boden vor ihm. Er sank auf alle viere, keuchte, und fiel dann zu Boden. John betrachtete ihn angewidert. Toni hob die Waffe und schoss ihm eine weitere Kugel zwischen die Augen. Der keuchende Atem blieb schlagartig aus. Jamie Miller war tot. "Schafft ihn schnell weg", murmelte Toni. "Wenn ihr fertig seid, geh du, John, zur Feuerleiter und Leo, du kommst nach. Zimmer zweihundertvier." Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück zur Straße, er blickte sich unauffällig um und öffnete dann die große Tür des Hotel Newton. Er ging mit gesenktem Blick direkt in Richtung des Treppenhauses und versuchte sich dabei wie ein Gast zu verhalten, der von einem Morgenspaziergang zurückkehrte. Die einzige Person in der Eingangshalle war eine breit gebaute Frau an der Rezeption, die gebannt auf den Bildschirm ihres Computers blickte und keine Notiz von ihm nahm. Als er das Treppenhaus betrat, sprang er hastig und zwei stufen auf einmal nehmend bis in den zweiten Stock. Als er dort angekommen war, steckte er eine Hand in die Innentasche seines Mantels und legte sie fest um den Griff seiner Waffe. Er öffnete die Glastür, die auf den Gang zwischen den einzelnen Zimmern führte, einen Spalt und blickte auf den Flur hinaus. Der Boden des Flurs war aus weißem Marmor, die Wände waren gelb tapeziert und die Zimmertüren waren aus Mahagoni. Eine blondgelockte Frau mit weißem Pelzmantel ging langsam den Flur entlang auf den Aufzug zu. Toni wartete, bis sie mit dem Fahrstuhl nach unten gefahren war, dann betrat er den Flur. Er ging auf eine kleine Tür zu, in der offenbar Zubehör für Putzkräfte und Hausmeister gelagert wurde. Sich noch einmal umblickend zog er seine Waffe, richtete sie auf das Schloss und schoss, das Geräusch durch den Schalldämpfer verringernd, das Türschloss auf. Er drückte die Klinke herab und verschwand schnell im Inneren. Der Raum war annähernd quadratisch und nicht tapeziert. Überall waren Regale, gefüllt mit allen möglichen Reinigungsmitteln, Handtüchern und Toilettenpapier. Direkt vor ihm fand er, was er suchte. Eine Sammlung Warnschilder für nasse Böden, Reperaturarbeiten und einen defekten Aufzug. Er griff nach Letzterem, löschte das Licht wieder und trat zurück auf den Flur. Dann schlich er zum Aufzug hinüber, darauf bedacht, auf dem Marmorboden keine lauten Geräusche zu verursachen. Er stellte das Warnschild vor die Tür, damit ihr Opfer nicht auf die Idee kam, über den Fahrstuhl zu fliehen. Plötzlich öffnete sich die Tür des Treppenhauses und Toni fuhr erschrocken herum, die Hand schon fast in seiner Tasche. Leo trat heraus. "Was habt ihr mit Jamie gemacht?", flüsterte er ihm zu, als er in Hörweite war. "Verbrannt", antwortete dieser leichthin. In einer der Mülltonnen. Hat gestunken wie die Pest sag ich dir!" Toni nickte, dann ging er auf die Zimmertür ihm gegenüber zu. Nummer zweihundertsiebzehn. Links von ihm befand sich Zimmer zweihundertachtzehn, sie musste also nach rechts. Immer noch auf Zehenspitzen und Leo ebenso leise hinter sich, ging Toni weiter, die Zimmertüren mitzählend. Zweihundertfünfzehn, vierzehn, dreizehn...
Sie bogen um eine Ecke.
Zweihundertsechs, fünf, vier! Er gebot Leo halt, als sie vor der Tür von Zimmer Zweihundertvier standen, die Waffe zog er nun aus dem Mantel und begab sich auf zur andere Seite der Tür. Er nickte Leo zu, dieser legte ein Ohr an das Holz und horchte. Nicht das leiseste Geräusch ertönte. Sie würden die Tür nicht eintreten können, das Holz war zu stabil. Außerdem würde eine aufgetretene Tür jedem auffallen, der vorbeikäme. Sie mussten sich anders Zutritt verschaffen. Toni überlegte angestrengt. Das Schloss aufschießen? Nein, das würde man im Inneren der Wohnung merken. Andererseits hatten sie auch nicht viele andere Optionen. Er warf Leo einen fragenden Blick zu, der zuckte lediglich mit den Schultern. Kurzentschlossen drückte Leo den Lauf seiner Waffe gegen die Tür, wickelte noch zusätzlich ein Stofftaschentuch über die Mündung und drückte ab. Ein leises Klicken ertönte, die Tür sprang einen Spalt auf. Leo riss die Tür auf und hielt den Lauf seiner Maschinenpistole in die abgedunkelte Wohnung vor ihm. Leo tat es ihm gleich, steckte seine P1911 wieder ein und zog die MP7. Vor ihnen lag eine kleine Diele mit einer Tür zur linken und einer zur rechten Seite. Sie führten wohl zu Bad und Schlafzimmer. Am Ende schloss der kleine Flur an ein geräumiges Wohnzimmer an. Toni betrat, langsam und sehr leise, das Zimmer zweihundertvier. Hinter ihm rückte Leo nach und schloss die Tür zum Flur hin. Toni bedeutete Leo mit der linken Hand, sich das Schlafzimmer vorzunehmen, während er sich selbst langsam dem Wohnzimmer näherte. An der Ecke verharrte er kurz, dann machte er einen schnellen Schritt in den Raum hinein und riss die Waffe hoch. Ihm stockte der Atem. Die Wände waren voll geschmiert mit roter Farbe, keine erkennbaren Muster, nur wilde Linien, die sich kreuz und quer über alle vier Wände erstreckten. Über den künstlichen Kamin hatte jemand einen art Zielscheibe gemalt, in ihr steckten ungefähr zehn Messer in allen unterschiedlichen Längen und Klingenformen, die alle ziemlich nahe am Zentrum des Kreises in die Wand geschlugen waren. Außerdem fanden sich überall Handabdrücke, teils in der selben roten Farbe wie die restlichen Schmierereien, teils in dunkleren Tönen. Plötzlich spürte er eine Hand auf seiner Schulter, er drehte sich ruckartig um, aber es war nur Leo. "Im Bad sieht es scheiße gruselig aus, wie irgend so eine Satani... Ach du scheiße, hier ist's ja noch schlimmer." Er ließ den Blick durch den Raum gleiten. "Hast du im Schlafzimmer nachgeguckt?", zischte Toni ihm zu und ging auf die Balkontür zu. "Ne, im Bad. Schlafzimmer war abgeschlossen." Toni erstarrte. "Pass auf, dass niemand aus dem Zimmer abhaut, ich geh gleich rein", flüsterte er. Aber erst wollte er etwas überprüfen. Er öffnete die Balkontür und trat hinaus. Seine Augen mussten sich erst wieder an das grelle Sonnenlicht gewöhnen. Die Balkons aller Zimmer waren zum Innenhof hin gebaut worden, in dessen Mitte ein großer Swimmingpool angelegt worden war, den man wohl aufgrund der Kälte leergepumpt hatte. Eine Schneeschicht lag auf Balkon und Geländer, niemand hatte versucht, hier zu entkommen. Dies wäre jedoch zweifelsfrei ohnehin ein schwieriges Unterfangen gewesen, die Balkons lagen zu weit auseinander, um von einem zum nächsten zu klettern, und die Wand bot nicht ausreichend halt, um nach unten zu klettern. An Springen war nicht zu denken. Ein Schrei zerriss seine Gedanken. Leo! Er drehte sich um, riss die Balkontür auf und trat zurück in das Zimmer. Seine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, während er sich blind in Richtung des Schlafzimmers vortastete. Er erstarrte. Leo kam um die Ecke getaumelt, aus einer klaffenden Wunde an seinem Kopf lief das Blut in Strömen zu Boden, Leo presste sich eine Hand gegen die Wunde, mit der anderen stützte er sich gegen die Wand und verursachte einen weiteren Handabdruck aus scharlachrotem Blut. Ein heiseres Gurgeln ertönte aus seiner Kehle, dann brach er plötzlich zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen. Toni blieb wie festgefroren stehen und starrte auf die dunkle Gestalt, die sich hinter Leo aufgebaut hatte. Es war ein Mann, schlank, hochgewachsen und ein Messer in der Hand, länger als sein Unterarm. Er trug eine Maske, eine weiße Maske mit langem Vogelschnabel und zwei kleinen runden Löchern, durch die Toni zwei Augen anstarrten. Ein Schauer lief ihm über den Rücken Es war zu dunkel, um mehr zu erkennen. Starr standen sie da und blickten sich an. Toni hob zitternd seine Waffe, richtete sie auf die Gestalt und wollte schon schießen, als der Mann blitzschnell sein Messer hob, ausholte und warf. Toni warf sich zur Seite, die Klinge bohrte sich hinter ihm in die Tapete und blieb zitternd steckend. Als Toni sich wieder aufrappelte, war der Mann verschwunden. Toni griff seine Waffe fest mit beiden Händen und rannte los. Die Tür zum Flur stand weit offen. Er sprang auf hinaus ,blickte den Flur entlang und sah gerade noch, wie die Tür zum Treppenhaus ins Schloss fiel. Toni hechtete den Gang entlang, der Trick mit dem Aufzug hatte geklappt. Er riss die Tür auf, stürzte auf die Treppe und rannte nach unten, ignorierte das Aufschreien der Dame am Empfang und die vor ihm fortlaufenden Gäste, sobald sie die Waffe sahen. Er stürzte zur Tür hinaus auf die Straße. Keine Spur von dem Mann. Das war unmöglich, er musste hier irgendwo sein. John kam angerannt. "Was ist los, wo ist Leo?"
"Tot", antwortete Toni kurz. John nickte. "Wo ist das Schwein", fragte er Toni. "Hast du ihn?"
"Er ist also nicht hier rausgekommen?" John schüttelte den Kopf "Niemand. Hätte ich gemerkt." Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Der Mann war überhaupt nicht aus dem Zimmer gelaufen, er hatte einfach die Tür aufgerissen und sich im Schlafzimmer versteckt. Toni überlegte. Es hatte keinen Sinn, Ihr Mann konnte jetzt schon überall sein, auf dem Dach oder durch einen anderen Ausgang geflohen. Verdammt, sie hatten ihn fast! Wann würden sie seine Spur wiederfinden? Hätte Jamie ihn nicht gewarnt, dann hätten sie ihn überraschen können, ihn töten und ohne großes Ausehen wieder verschwinden, aber es war schief gelaufen. Leo war tot, sein Mörder entkommen. So in Gedanken versunken, hätte er fast die schwarze Limousine nicht bemerkt, die im Schritttempo auf ihn zufuhr. Im letzten Moment riss John ihn zu Boden, bevor die Fenster des Wagens sich öffneten und Kugelfeuer die Glastür des Newton-Hotels zerfetzte. "Cistaro", zischte John. Jetzt ist es aus, dachte sich Toni. Jamie hat gesungen, der verdammte Scheißkerl! Schreie ertönten, John und Toni rannten geduckt hinter den geparkten Autos, Kugeln verfolgten sie. Wir müssen zurück zum Wagen!, überlegte Toni fieberhaft. Aber der war genau gegenüber von dem Hotel geparkt, und dort stand die schwarze Limousine. John lugte über das Dach des Autos, hinter dem sie sich versteckt hatten. Er legte seine Waffe an und schoss auf die abgedunkelten Fenster des Wagens. Die Kugeln schlugen in das Glas, zeigten aber keine große Wirkung. Toni zog John in eine Seitengasse zwischen zwei Hotels. Sie rannten an mehreren Mülltonnen und aufgeschreckten Obdachlosen vorbei, bis sie in einem kleinen Innenhof angekommen waren. Hier gab es keinen Ausweg, die sie umgebenden Häuser hatten glatte Wände und die Zäune sahen unnachgiebig und stabil aus. Toni riss sein Handy aus der Tasche, wählte mit zitternden Fingern eine Nummer und hielt es sich ans Ohr. Nach einmaligem Ertönen des Signaltons meldete sich am anderen Ende eine vertraute Stimme zu Wort. "Hallo?", kam es von Lamuel Alforth.
"Ich bin's, Toni!"
"Ah, was gibt es?"
Toni musste schlucken, dann fragte er: "Mr Alforth, haben sie Jamie gesagt, er soll ihn warnen?"
Es gab eine Pause.
"Nein, Toni. Habe ich nicht. Jamie ist nicht mehr zu trauen, er handelt auf eigene Faust."
"Nicht mehr", sagte Toni.
"Ah, gut", kam die erfreute Antwort.
"Mr Alforth, die Cistaro haben uns eingekesselt. Wir sind so gut wie tot, Jamie hat sie gewarnt. Sie müssen uns helfen, schicken sie ihre Leute in die Lincolnstreet."
Wieder gab es eine Pause, Toni hörte die Limousine auf der Straße auf und ab fahren, während John unruhig hin und her lief.
Dann seufzte Mr Alforth.
"Wissen sie Toni, ich hoffe ein Mann von ihrem Status wird meine Entscheidung nachvollziehen können. Aber ich kann meine Beziehung zu den Cistaro nicht für sie aufs Spiel setzen. Es war mir eine Freude Toni, leben sie wohl." Ein Klicken ertönte. Alforth hatte ihn im Stich gelassen, sie verraten. Fassungslos starrte Toni Vincesci auf sein Handy, bis ihn John wieder in die Realität zurückriss. "Was ist, wann schickt uns Alforth seine Leute?" Toni brauchte eine Weile, bis seine Worte zu ihm durchdrangen. "Überhaupt nicht", antwortete er schließlich. "Er lässt uns hier krepieren." John starrte ihn an. "Dieser elende Bastard", murmelte er. In diesem Moment flog eine ganze Salve Kugeln direkt an Johns Kopf vorbei. Sie hatten sie gefunden. Die Obdachlosen rannten aus der Gasse zu ihnen in den Hinterhof, aber das Feuer aus der schwarzen Limousine zerfetzte ihnen den Rücken und ließ sie zu in ihre eigenen Blutlachen zu Boden fallen. John und Toni rannten in den Schatten einer großen Abfalltonne und verharrten. Sie hörten quitschende Bremsen, dann öffneten sich Türen. Eine kalte Männerstimme schrie etwas auf italienisch, Toni verstand es nicht. Dann Schritte. Jemand kam in den Hof, Toni sah unter unter der Tonne hindurch, mehrere paar Füße stiegen über die Leichen hinweg. Sie blieben stehen, jemand anderes schrie etwas, erneut auf italienisch. Toni sah, dass John neben ihm ganz ruhig blieb, obwohl ihm der Schweiß von der Stirn lief und seine Augen blutunterlaufen waren. Jemand lachte. Sie blieben regungslos in ihrem Versteck. Toni lugte ein weiteres mal hinter seinem Versteck hervor. Sieben Männer, alle in billige graue Anzüge gekleidet und mit Maschinengewehren, liefen umher und suchten in und hinter den Mülltonnen nach ihm und John. Toni drehte sich um. John blickte ihn an, die Hände so fest um seine UMP geklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. Toni zeigte ihm sieben Finger, John nickte langsam und schloss die Augen. Dann bewegte er seine Lippen und zählte lautlos runter. Drei... zwei... eins...
Die beiden Männer sprangen auf die Füße, stützten ihre Waffen auf den Deckel der Mülltonne und schossen. Die Kugeln flogen mit dem vertrauten Ratatam aus Tonis MP7 und er durchsiebte einem Mann, der ihnen am nächsten stand, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit. John erledigte den Fahrer der Limousine, der noch immer neben der geöffneten Fahrertür stand mit einem sauberen Kopfschuss, der Blut und Hirnmasse an die Wand hinter ihm spritzte. Einem zweiten jagte er eine Salve Kugeln in den Bauch, er war der einzige, der schnell genug reagiert hatte um noch seine Waffe zu heben. Drei Kugeln schlugen in die Wand hinter Toni, eine vierte in die Mülltonne und eine fünfte streifte sein Ohr. Er hörte es rauschen, merkte aber nichts weiter. Sie beide duckten sich wieder in ihre Deckung, der Ausfall hatte ganze fünf Sekunden gedauert. Schon bretterte das Feuer über sie hinweg. Die Backsteinmauer bröckelte nur so weg, ganze Klumpen lösten sich und fielen zu Boden. Mit lauten Plonks bohrten sich die Geschosse in die zum Glück bis zum Rand gefüllte Tonne, der Inhalt an vergammelten Lebensmitteln und Verpackungen fing die Geschosse ab. Tonis und Johns Finger luden die Waffen rasend schnell nach, dann ertönte eine Stimme ganz in ihrer Nähe. "Sie laden nach! Jetzt" Toni duckte sich an der rechten Seite der Mülltonne hervor und ließ den Mann mit drei Kugeln in den Bach zu Boden sacken. Sein Schrei wurde übertönt von dem erneuten Losbrechen des Kugelregens, der donnernd in die Wand einschlug, aber Toni hatte sich bereits wieder hinter der Tonne verschanzt. "Kommst du an seine Waffe ran?", zischte John. "Ich hab nicht mehr viel." Toni riskierte einen Blick, die Gali AR des Mannes lag keine zwei Meter vor ihm auf den Boden, allerdings in Reichweite der drei übrigen Schützen. "Nein", antwortete er John. "Na dann", kam es heiser von ihm. "Alles oder nichts, Toni." Er sprang erneut auf die Füße. Die Hülsen flogen aus der Waffe, als er sie mit einem lauten Rattern leerschoss. Toni blinzelte und stand ebenfalls auf. Die Schulterstütze seiner Waffe schlug gegen seine Brust, als er den Schwarm Kugeln auf den ersten der drei Männer niedergehen ließ und ihn sowie seinen Begleiter niedermetzelte. Der letzte Überlebende sah seine Mitstreiter zu Boden gehen und ergriff kurzerhand die Flucht. John schmiss seine leergeschossene UMP zu Boden, zog die P1911 aus der Tasche, sprang über die Tonne und rannte ihm hinterher. Keine Zeugen. Toni sah John stehen bleiben und ihn ein mal abdrücken. Er hörte ihn einmal kurz und freudlos auflachen, dann ertönte ein gedämpfter Schrei und John schoss stumm ein zweites mal. Der Schrei erstarb. Toni stand auf und klopfte sich den Dreck von Mantel. Er war an mehreren Stellen angesengt und stank wie die Pest. Vorsichtig tastete er nach seinen linken Ohr, es blutete immer noch. Er zog ein Taschentuch hervor und wischte sich das getrocknete Blut aus dem Nacken, swine Handschuhe waren an den Fingerkuppen des Zeigefingers aufgerissen. Toni blickte sich um. Eine art Nebelschleier hing über dem Hinterhof, überall lagen tote Körper von Obdachlosen und Killern in riesigen Blutlachen, außerdem war der Boden übersät mit leeren Patronenhülsen. Toni ging zwischen den Leichen umher, trat ein paar mit dem Fuß weg und hob schließlich die teuerste Waffe, die er fand auf. Dann vernahm er in der Ferne das rasche Näherkommen einer Polizeisirene. Er drehte sich um und folgte John aus dem Hinterhof hinaus zurück an die Straße. Die schwarze Limousine stand immer noch mit geöffneten Türen da, zur Hälfte in der kleinen Gasse, die andere Hälfte versperrte ein paar sich sammelnden Fußgängern den Weg. Einer der Passanten ging um den Wagen herum und warf einen Blick in den Hof. Keine zehn Sekunden später sah Toni ihn mit entsetztem Gesichtsausdruck aus der Gasse rennen. John ließ den Motor der weißen Corvett anspringen. Toni öffnete die Beifahrertür und stieg ein. "Wohin?", fragte John.
Toni antwortete nicht. Er wusste es nicht. Aber er wollte verdammt nochmal Alforth abknallen. Ihm war aufgegangen, dass es doch reichlich unwahrscheinlich war, dass Jamie erst den Mann im Hotel vor ihnen gewarnt hatte und direkt darauf den Männern von Cistaro gesagt hatte, wo sie ihn finden würden. Alforth musste dahinter stecken, Jamie hatte ihm mitgeteilt, wo der Mann wohnte, bei der Weihnachtsfeier in Carpenters Firma. Und Alforth hatte diese Info an Cistaro weitergegeben, wohl wissend, dass es eine Eskalation zwischen Cistaros Leuten und Toni geben würde. Nein, Jamie konnte es nicht gewesen sein, immerhin hatten sie ihn abgeknallt, sobald er das Hotel verließ. Alforth war schuld, und Toni würde ihn bezahlen lassen.
Dann fiel ihm etwas ein. Ein sehr alter Trick, den er selbst so oft angewandt hatte. Und gleichzeitig fiel ihm auch ein, von wem er diesen Trick gelernt hatte.
"John", sagte er. "John, ich glaube, Alforth hat Sprengstoff hier im Auto."
Johns Hände zuckten merklich, aber er fasste sich wieder. "Macht Sinn...", kam nur von John. Tonis Verstand arbeitete schnell, die Bombe würde hochgehen, sobald sie den Zündschlüssel herausziehen würden.
"Springen?", fragte John und in seiner Stimme schwang ein Zittern mit. Anhalten ging nicht, die Bremse würde den Sprengstoff sofort zünden, sie mussten also bei dem Tempo, dass sie hatten weiterfahren ohne zu bremsen.
"Ja", antwortete Toni. "Fahr zur Brücke." "Ins Wasser springen?", fragte John. "Nein, wir fahren rein. John schien zu überlegen. "Ja", sagte er dann. "Anders geht's wohl nicht."
"Fahr ins Wasser, dann mach die Tür auf und schwimm nach oben, aber direkt, wenn wir ins Wasser kommen. Nicht warten, bis wir unten sind."
John nickte. Erneut lief ihm der Schweiß übers Gesicht. "Schon komisch, was?", fragte er und machte eine scharfe Kurve. "Vom Regen in die Traufe." Toni nickte. Ihm war übel. Der Fluss kam in Sicht. "Gib Vollgas, durch die Leitplanke. Und mach die Tür auf, bevor wir ins Wasser klatschen." John gehorchte. Er riss das Lenkrad herum und raste durch das Geländer in den Fluss hinein. Toni riss seine Tür auf und den Bruchteil einer Sekunde klatschte das Auto durch die Wasseroberfläche. Wasser füllte das Auto binnen Sekunden. Toni blieb keine Zeit zum Luft holen. Er sah John, wie er sich abstieß und durch das Wasser in Richtung der aufgewühlten Oberfläche schwamm. Toni tat es ihm gleich. Er merkte, wie er Kopfschmerzen bekam von der Temperatur des Wassers. Seine Kleidung zog ihn nach unten, er streifte seinen Anzug ab und schwamm nach oben. Ungefähr zehn Meter trennten ihn von der Luft, die ihm langsam ausging, er spürte bereits, wie ihn schwindelig wurde. Er kam nicht weiter, er schaffte es nicht. Das Wasser war eisig und hielt ihn umklammert. Toni spürte, wie seine Kehle sich zuschnürte, aber er musste weiter, keine drei Meter über ihm war Luft! Seine Ohren pochten, aber er musste nach oben, er musste... Jemand packte seinen Arm. Und auf einmal war da Luft. Gierig sog er sie ein, als hätte er wochenlang nicht mehr atmen können. neben ihm im Wasser schwamm John. "Alles klar?", fragte er Toni. Dieser spuckte einen Schwall Wasser aus und hustete heftig. "Danke. Danke John. Scheiße. Scheiße verdammt nochmal." Er fluchte auf jede erdenkliche Art und in jeder Sprache, die ihm geläufig war, während er neben John schnell in Richtung Ufer schwamm.

Am Ende will ich lachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt