Gott beschützt dich

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Sophie stand auf dem kleinen Balkon, hatte sich ans Geländer gelehnt und starrte gedankenverloren in den prasselnden Regen. Es war früh am Morgen und sie hatte sich zum Schutz gegen die Kälte eine Jacke angezogen. In der Nacht hatte sie seltsame Träume gehabt, Träume von großen schwarzen Krähen, von einem Fluss aus Blut, der in einen großen Abgrund floss und von einem hohen brennendem Turm. Sophie hatte noch nie solche Träume gehabt und wusste nicht was sie damit anfangen sollte, war das eine Art Vorzeichen? Oder nur ein Produkt ihrer Fantasie? Noch während sie darüber nachdachte, hörte sie wie hinter ihr die Balkontür aufgeschoben wurde und ihre Mutter trat neben sie an das Geländer. "So früh schon wach?", fragte Lily munter. "Ja ich... Ich hatte einen komischen Traum", antwortete Sophie langsam. Stirnrunzelnd blickte ihre Mutter sie von der Seite an. "Einen Alptraum?"
"Nein, nicht direkt. Es war kein beängstigender oder schlimmer Traum, er war einfach ... seltsam", antwortete das siebzehnjährige Mädchen und drehte sich zu ihrer Mutter um. Auf deren stumme Frage in ihren Augen begann Sophie zu erzählen, und als sie geschlossen hatte, war der Blick ihrer Mutter immer noch genau so fragend. "Hast du irgendwas komisches geguckt? Ich hab dir gesagt, auch wenn du siebzehn bist ist eine Serie ab achtzehn nicht unbedi..." "Ich habe bei Annie geschlafen", unterbrach ihre Tochter sie augenrollend. "Ach was solls, es war nur ein komischer Traum." "Und die Hütte im Wald ist auch ganz sicher. Kommt, lasst uns die Hexe im Wald suchen und danach schauen wir ein Video, dass uns in sieben Tagen umbringt", antwortete Lily sarkastisch, aber mit einem Grinsen auf den Lippen. Seufzend drehte Sophie sich um und mit einem "Und ich gucke zu viele Horrorfilme?" ging sie zurück in das Zimmer ihrer kleinen Schwester. Annie lag wach auf dem Bett und blickte sie aus großen braunen Augen an. Sie ist definitiv die hübscheste fünfjährige auf dem ganzen Planeten, dachte sich Sophie, zog die nasse Stoffjacke aus und hängte sie über einen Stuhl. "Warum bist du schon wach?", fragte Annie sieh als sie zurück zu ihr unter die Bettdecke huschte. "Das selbe könnte ich dich fragen", konterte Sophie in gespielter Strenge. Dann seufzte sie, weil Annie sie vorwurfsvoll ansah. "Ich war nur kurz frische Luft schnappen. Auf dem Balkon." dann schaltete sie das kleine Nachtisch in Form einer roten Koralle aus, legte sich hin und schloss die Augen. Nach einigen Minuten seufzte sie erneut.
"Hör auf mich anzustarren Annie!"
"Warum warst du schon wach? Normalerweise schläfst du immer bis Mom dich aus dem Bett ziehen muss!"
"Ich wollte nur mal kurz an diefrische Luft, okay?!" Entnervt öffnete sie die Augen und erschrak, als sie die Tränen in Annies Augen sah. "Warum lügst du mich an?", fragte sie leise. "Süße, nicht weinen", flüsterte Sophie immer noch leicht erschrocken und fuhr ihrer Schwester beruhigend durch das lockige Haar. "Ich hab nur einen komischen Traum gehabt", murmelte sie. "Ich will, dass die bösen Träume dich in Ruhe lassen.", flüsterte Annie und kuschelte sich eng an sie. "Es war doch nur ein Traum Annie. Nichts weiter als ein Traum." Das kleine Mädchen schloss die Augen und eine Träne lief ihr über die Wange. "Ein Traum ist nie nur ein Traum. Ein Traum ist ein Zeichen von Gott, wovor wir am meisten Angst haben, und was passiert wenn wir unsere Angst nicht ernst nehmen." Sophie zog eine Augenbraue hoch. "Wow. Wo kam das denn jetzt her?" "Das hast du mir mal in einem Traum von mir gesagt", murmelte sie und nach ein paar Minuten zeigte ihr gleichmäßiger Atem Sophie, dass Annie wieder eingeschlafen war.

Sophie kam es vor, als wären nur Minuten vergangen, seit sie die Augen geschlossen hatte, doch die durch die Vorhänge strahlende Sonne bewies ihr das Gegenteil. Sie wollte sich gerade wieder zurück in ihr Kissen werfen, doch in diesem Augenblick steckte ihre Mutter den Kopf zur Tür hinein und eine Welle von Pfannkuchen-Duft durchflutete das Zimmer und ließ ihre Müdigkeit schwinden. "Immer noch nicht ausgeschlafen?", fragte Lily und ging hinüber zu dem großen Fenster. Sie zog die Vorhänge zur Seite und das gleißende Licht machte ein ruhiges Weiterschlafen unmöglich. Sophie murmelte etwas Unartikuliertes und streckte sich gähnend. "Wie viel Uhr ist es?", wollte sie wissen. "Spät genug großes Mädchen. Aufstehen, sonst lässt Annie dir nichts mehr übrig." Murrend erhob sich Sophie aus dem Bett und wankte ihrer Mutter hinterher aus dem Zimmer.

Am Ende will ich lachenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt