Kapitel 6. Stillschweigen

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„Wo tut es weh?"

Camilé deutete auf ihr rechtes Auge, welches, langsam aber sicher, dabei war sich blau zu verfärben, dann auf ihre aufgeplatzte Lippe, dann auf ihren Magen, der sie bei jeder Bewegung zusammenzucken ließ und den Schmerz bis in ihren Unterleib ausweitete. Und schließlich deutete sie auf ihr geschundenes Herz, wohl wissend, dass Marco diesen seelischen Schmerz mit seinen blauen Flammen nicht einfach verschwinden lassen konnte.

Vorsichtig fuhr Marco mit seinen Fingern über ihr Auge, welches sie bei seiner Berührung reflexartig schloss. Aus seinen Fingern loderte die Flamme der Wiedergeburt. Camilé spürte wie die Schwellung langsam zurückging und öffnete zaghaft wieder ihr Auge, nur um es gleich darauf wegen der hellen Flamme wieder zu schließen. Sanft fuhr sein Daumen über ihre Unterlippen, woraufhin sich neue Haut auf ihrer aufgeplatzten Lippe bildete, dass Pochen blieb jedoch beständig und wenn sie ihre Lippen bewegte, tat es immer noch etwas weh. Als er seine Hand schließlich auf ihren entblößten Bauch drückte, stöhnte Camilé unter seiner Berührung qualvoll auf.

„Es ist gleich vorbei.", versprach er ihr mit ruhiger Stimme, legte ihr die eine Hand auf den Rücken und ließ die Flammen in der anderen hell auflodern. Zärtlich strich er ihr über ihren nackten Bauch, woraufhin sich eine Gänsehaut auf Camilés Haut bildete und sie fest die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht laut aufzustöhnen vor dieser kleinen, aber peinigenden, Tortur.

„Versuch dich in den nächsten Stunden nicht allzu sehr zu bewegen.", riet er ihr, als er mit seiner Behandlung abschloss. „Der Schmerz wird schneller nachlassen, als es sonst der Fall wäre. Dadurch dass ich dich direkt am Anfangsstadium deiner Verletzungen behandeln konnte, wird die Heilung schneller durchgeführt und in wenigen Tagen wirst du nichts mehr von dem Schmerz spüren, den dir dieses Schwein zugefügt hat."

Er wusste wirklich nichts. Wie konnte der Schmerz einfach verschwinden? Ihr Verlobter, der Mann, den sie ihr ganzes Leben lang kannte und von dem sie dachte, sie würde ihn besser kennen als jeden anderen auf dieser Insel, hat sich als ein wahnsinniger Psychopath entpuppt. Dieser Mann, von dem sie einmal dachte, er wäre ihre Zukunft, hat sie geschlagen, wollte sie vergewaltigen und hatte ihr damit gedroht sie wie eine Gefangene bei sich einzusperren und weiß Gott was mit ihr anzustellen. Wie konnte dieser seelische Schmerz, den sie in Zukunft tagtäglich spüren würde, je ganz verschwinden?

„Camilé." Marcos sanfte Stimme riss sie aus ihren finsteren Gedanken, doch sie sah ihn nicht an, sondern starrte weiterhin mit ausdruckslosen Augen stumm auf den Boden. Der Pirat stieß einen tiefen Seufzer aus und setzte sich neben ihr auf sein Bett. „Es tut mir leid. Ich... ich wünschte ich wäre früher aufgetaucht um dir zu helfen und dir all diese Schmerzen zu ersparen."

Es war nicht seine Schuld, nicht im geringsten. Er hatte sie gerettet, bevor dieses Arschloch noch die Chance dazu gehabt hatte seinen mickrigen Schwanz rauszuholen und allein dafür war sie ihm unendlich dankbar. Die Tatsache, dass Ken tot im Wald lag erleichterte Camilé ungemein, doch gleichzeitig musste sie bei dem Gedanken an seine verrottende Leiche ein Würgen unterdrücken.

„Camilé, bitte, sieh mich an.", verlangte Marco nun bestimmter.

Zögernd hob die Brünette ihren Kopf. Als sie dem Blonden mit ihren leeren Blick entgegen sah, konnte sie in Zeitlupe beobachten, wie sich seine Augen, bei dem Anblick ihrer emotionslosen Miene, vor Entsetzen weiteten und sich gleich darauf Wut in ihnen widerspiegelte. Am liebsten hätte Camilé ihn beruhigt und ihm versichert, dass nun alles wieder gut werden würde, so wie er es ihr bereits versprochen hatte. Ihr konnte nichts mehr passieren, schließlich war Ken tot. Das waren seine Worte. Jedoch brachte sie es nicht fertig den Mund zu einer Antwort zu öffnen. Es war, als hätte sie ihre Stimme im Wald mit Kens Leiche hinter sich gelassen.

Marco & Camilé ( One Piece ) [ Abgeschlossen ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt