Kapitel 8. Krankenbesuch

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Reglos lag Camilé in ihrem Bett, die Decke bis an ihre Nasenspitze hochgezogen, döste sie träge vor sich hin. Seit nun schon zwei Wochen lag sie in ihrem Bett und ging allerhöchstens Mal raus, um sich zu erleichtern. Gegessen hatte sie in den vergangenen Tagen kaum etwas. Bestenfalls ein paar Bissen Obst, mehr auch nicht. Sie schaffte es einfach nicht mehr hinunter zu kriegen, als gut für sie wäre, ohne, dass sie in der nächsten Sekunde auch schon das Gefühl bekam, sich übergeben zu müssen.

Die Sonne schien schwach durch ihre Vorhänge und tauchte ihr Zimmer in ein hässliches blasses gelb. Camilé wusste nicht wie spät es inzwischen war, doch sie ahnte, dass der Sonnenaufgang bereits Stunden her sein musste. Bestimmt war es schon später Nachmittag.

Ihr Verhalten war erbärmlich. Sie suhlte sich in ihrem eigenen Selbstmitleid und lebte im Grunde gar nicht mehr richtig. Sie war wie jemand der im Sterben lag. Halbtot lag sie da, wartete darauf, dass endlich ihr letztes Stündlein schlagen würde und die Qualen ein Ende nahmen. Was sollte sie auch sonst tun? Camilé hatte ihre Stimme verloren und egal was sie auch versuchte, sie bekam keinen einzigen Ton über ihre Lippen. Jedes Mal wenn sie sich räusperte und versuchte etwas zu sagen, war es als würden ihre Stimmbänder ihr den Dienst verweigern und die Laute gar nicht erst an die Oberfläche durchdringen lassen. Etwas in ihr blockierte ihre Stimme. Marco meinte, es sei bloßes Kopfspiel. Sie solle sich einreden, dass sie sehr wohl sprechen könne und jeden Tag trainieren, um ihren Klang wiederzufinden. Camilé wollte sprechen und sie wusste sehr wohl, dass sie es auch konnte, dennoch brachte sie keinen Ton heraus, egal wie sehr sie sich auch bemühte. Es war zum verzweifeln.

Ein Klopfen erklang an der Tür, woraufhin Camilé genervt mit den Augen rollte. Wenn ihre Mutter noch einmal versuchte mit ihr Stimmübungen zu machen, dann würde die Brünette nicht zögern und durch das geschlossene Fenster springen. Und sollte es wieder Marco sein... Dann würde sie ihr Schweigen fortsetzen und ihn so gut es ging ignorieren. So wie sie es auch mit den bisherigen Malen gehandhabt hatte.

„Cami?" Es war Nela, die einfach hereinspazierte. Camilé verfluchte sich selbst dafür, ihr einen Schlüssel zu ihrer Zimmertür gegeben zu haben. „Ganz schön dunkel hier drin.", stellte die 18-Jährige in einem Tonfall fest, der nicht nahe legen würde, dass in den vergangenen paar Tagen irgendetwas schwerwiegendes vorgefallen wäre. „Ich mach mal das Fenster auf. Die Luft hier drin ist inzwischen schon ziemlich abgestanden."

Die Jugendliche zog schwungvoll die Vorhänge zur Seite, woraufhin Camilé sich wie ein Vampir in den Schatten ihrer Decke verkroch.

„Schon viel besser, findest du nicht auch?", fragte Nela, als sie das Fenster kippte.

Ganz und gar nicht. Vorher hatte die dunkle Gruft, in der Camilé sich verkroch, viel besser zu ihrer Stimmung gepasst, als es jetzt, mit diesem viel zu helle Raum, der Fall war. Wieso konnte man sie nicht einfach in Frieden lassen?

Nela setzte sich an die Bettkante. „Deine Mutter meinte ich solle dir etwas Gesellschaft leisten. Nicht das ich nicht auch so gerne vorbei schauen würde. Es ist nur...", sie stieß einen tiefen Seufzer aus und Camilé wusste, dass die fröhliche Fassade der Schwarzhaarigen anfing auseinander zu brechen, weswegen sie die Decke etwas anhob, um das Gefühlschaos von Nela neugierig unter die Lupe zu nehmen. Nela starrte konzentriert auf ihre Hände, ballte sie zu Fäusten und ließ wieder locker. Das ganze wiederholte sie einige Male, bevor sie mit brüchiger Stimme ihre nächsten Worte wählte. „Ich gebe mir selbst die Schuld, für das was dir passiert ist."

Fassungslos starrte Camilé die kleine Gestalt auf ihrem Bett an. Die freche Göre war verschwunden und an ihrer Stelle saß da nun ein zerbrechliches Mädchen, nahe den Tränen. Zaghaft setzte sich die Brünette in eine aufrechte Position und wartete gespannt auf Nelas nächste Worte.

Marco & Camilé ( One Piece ) [ Abgeschlossen ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt