Der Kontakt ist wieder geknüpft

1K 59 4
                                    



Mik: Hey Kleiner, ja ich hock grad am PC, hab mein neues Video grade fertig geschnitten und jetzt werde ich mich wohl gleich aufs Ohr hauen. Ich würde mich mega freuen, wenn du nach Berlin kommst! Dann musst du mir aber vorher ein Bild von dir schicken, dass ich weiß wie du aussiehst. Auf deinem Profil hast du ja keine Bilder. Und ich will dich ja auch erkennen. Gefallen dir meine Vids? Ich weiß, viel Blödsinn dabei, aber hey, so bin ich.

Ich las Miks Nachricht und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Klammheimlich suchte ich auf verschiedenen Plattformen nach Bildern von ihm. Ich kannte zwar schon einige, aber ich wollte mir sein Gesicht nochmal in Erinnerung rufen, bevor ich ihm ein Bild von mir schickte. Die Cap, die Sonnenbrille auf einigen Bildern und der lässige Blick ließen ihn ein wenig badboymäßig wirken. Ich wäre im Leben nicht darauf gekommen dass er schwul sein könnte. Er wirkte eher wie jemand der sich nichts sagen ließ und sein Ding durchzog. Das gefiel mir, wie ich vor mir selbst zugeben musste.

Dennis: Hey Mik, deine Videos sind cool, bei einer der Parodien habe ich mich fast totgelacht. Gut finde ich auch, dass du so viel lehrreichen Kram mit dabei hast. I like! Ich geh auch gleich schlafen, aber wenn du willst mach ich schnell noch ein Bild und schicks dir rüber. Dann weißt du auch mal mit wem du schreibst! Einen Moment...

Kaum hatte ich die Nachricht gesendet, da begann ich auch schon meine Digitalkamera heraus zu kramen und schoss ein unbeholfenes Selfie von mir. Erst auf dem Bild sah ich, dass ich einen riesigen Fleck auf dem Shirt hatte, was wohl meiner Tollpatschigkeit geschuldet war. Kurzerhand zog ich das Shirt aus, warf es in die Ecke und machte das Bild einfach mit freiem Oberkörper. Als ich einigermaßen zufrieden war, schloss ich die Kamera an den Computer an und wenige Minuten später war das Bild versendet. Miks Antwort kam prompt.

Mik: Lecker ;-) Ne, im Ernst, du brauchst dich wirklich nicht verstecken. Und schön dass ich jetzt weiß auf wen ich mich in Berlin freuen kann!

Ich spürte wie ich bei seinem Komentar rot anlief, konnte aber nicht anders als mich über deine Worte zu freuen. Aber hey, wer bekommt denn nicht gerne Komplimente? Mit einem Grinsen im Gesicht tippte ich meine Antwort.

Dennis: Danke :D Ich bin ja mal gespannt wie das wird. Ich war noch nie bei einem Fantreffen. Schreiben wir morgen nochmal? Ich hab morgen Schule und muss mich jetzt echt aufs Ohr hauen.

Mik: Alles klar, dann schlaf mal schön. Bis Morgen.

Als ich im Bett lag dachte ich noch eine ganze Weile über den Chat nach und daran, dass ich mich nun festgelegt hatte mit nach Berlin zu fahren. Ich würde Laura gleich morgen schreiben, dass ich mitkommen würde. Obwohl sie ja sowieso schon für sich festgelegt hatte, dass ich mit musste. Also gab es da sicher kein Problem. Ich schlief über meine Gedanken hinweg ein und hatte dabei völlig vergessen, Sophie zu schreiben, mit der ich üblicherweise vor dem Schlafen noch mal textete.

Die Schule plätscherte so vor sich hin am nächsten Tag. Laura hatte ich schon das Ok gegeben, dass sie für uns die Zugtickets buchen konnte, und nun saß ich an meiner Bank und ließ den Schultag über mich ergehen. In den Pausen quatschte ich mit meinen Freunden, und auf dem Schulhof achtete ich zum ersten Mal darauf wem Worte wie „Schwuchtel" oder „Schwuli" hinterher gerufen wurde. Da das in meiner Klasse niemanden betraf, war mir das nie aufgefallen, doch jetzt bemerkte ich es dass es mindestens einen Jungen hab, der sich wacker hielt diese Kommentare weitestgehend zu ignorieren. Es war ein eher schmächtiger Junge mit weichen Gesichtszügen. Ob er wirklich schwul war, oder nur diesen Titel erhalten hatte, konnte ich nicht sagen, doch völlig unabhängig davon tat es mir leid, dass jemand so runter gemacht wurde mit einem Wort das schlicht keine Beleidigung sein sollte.

Ich dachte an Mik und beschloss ihn zu fragen ob er in seiner Schulzeit auch damit zu kämpfen hatte.

Als die Schule aus war, war ich mit Sophie bei ihr zuhause verabredet, und wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag in ihrem Zimmer. Da ihr Zimmer keine Tür hatte, kamen wir gar nicht in die Versuchung etwas Unanständiges anzufangen. Ihre Eltern hatten diese Tür zur Restauration an einen befreundeten Tischler gegeben, der diese Aufgabe nun schon seit Monaten aufschob. Vielleicht hatten ihre Eltern auch nur dieses Alibi gewählt um zu rechtfertigen, dass sie ihre Tochter nicht unbeaufsichtigt mit einem Jungen allein lassen wollten.

So kuschelten wir ganz unschuldig auf ihrem Bett und ich roch an ihrem Haar und überlegte wie viel von dem süßlichen, milden Geruch ihr Eigengeruch war, und wie viel das Shampoo ausmachte. Mir war die Note etwas zu blumig.

Am Abend kam ich nachhause und hatte erstmal Hausaufgaben zu erledigen. Als ich endlich den Rechner einschaltete, war es bereits zwanzig Uhr.

Kaum dass ich das Chatprogramm geöffnet hatte, ploppte eine Nachricht von Mik auf.

Mik: Na, Denni? Alles gut? Dachte schon du kommst heute gar nicht mehr online.

Dennis: Ja, alles super. Die Freundin mit der ich nach Berlin komme, hat heute die Tickets gebucht. Also sehen wir uns in... 5 Monaten. Ist gar nicht lange hin ^^

Mik: Hast dus so eilig mich kennen zu lernen? ;-)

Mik: Noch da?

Dennis: Ja, wusste grad nicht was ich dazu sagen sollte^^

Mik: Schüchtern?

Dennis: Manchmal. Aber nur wenn ich jemanden noch nicht so gut kenne. Sonst bin ich eigentlich nicht schüchtern.

Mik: Bock auf camen? Das ist irgendwie persönlicher...

Dennis: Klar...

Wir stellten beide den Modus um, und nach einer kleinen Panne mit meiner Webcam konnten wir uns endlich gegenseitig in die Augen sehen. Oder so ähnlich.

Ich winkte, Mik winkte etwas verzögert zurück und wir begannen zu quatschen. Über was konnte ich später nicht mehr so genau sagen, doch es muss eine Menge gewesen sein, denn der Anruf streckte sich auf fast zwei Stunden. Mik erzählte mir von seiner Ausbildung, von seinen Videos und dem Aufwand der da hinter steckte, und ich berichtete ihm von meinen Klassen Kameraden, und wir sprachen über Sophie. Mik fragte mich was ich an ihr mochte, und ich traute mich Fragen zu stellen wie „Was magst du an Jungs" oder „Wie hast du das deinen Eltern verklickert?" Ich fand heraus das Mik einen Freund hatte, mit dem es aber zur Zeit nicht besonders gut zu laufen schien. Doch näheres wollte er darüber nicht sagen, was ich auch verständlich fand, schließlich kannten wir uns erst flüchtig.

Wärend er erzählte starrte ich auf seine Augen, seine Mimik und versuchte ihn mir mit einem Kerl zusammen vorzustellen, aber es gelang mir einfach nicht.

Als ich schließlich Abends im Bett lag, konnte ich lange nicht schlafen, weil mir dieses Gespräch einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.

More than youthful curiosity - eine Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt