Vielleicht ist es besser so

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Bei unserem nächsten Treffen in Potsdam war die Stimmung zwischen uns komisch. Ich hatte inzwischen meine Ausbildung begonnen. Alles hatte sich verändert. Nur die Situation mit Mik war gleich geblieben. Sie war auf die gleiche Weise chaotisch, denn wir waren irgendwie ein Paar wenn wir zusammen waren und Kumpels, sobald wir unter Leute gingen, oder wir getrennt waren. Weder ein Liebespaar noch wirklich Freunde. Keine Freundschaft plus, denn natürlich waren Gefühle im Spiel. Was waren wir eigentlich?

Ich hatte mich so gefreut ihn in Potsdam zu besuchen, auch wenn es nur übers Wochenende war. Mik war auch froh gewesen mich zu sehen, doch die Tatsache, dass ich ihm immer noch nicht in die Augen sehen konnte, wenn er über Gefühle sprach und dass ich nach wie vor Panik bekam wenn ich daran dachte, dass jemand erfahren könnte, was zwischen uns lief, machte ihn traurig. Ich hätte ihn gerne aufgemuntert, oder ihm gesagt, dass ich meine Meinung geändert hatte, doch das brachte ich nicht über mich. Und so verlief das Wochenende ruhiger als sonst. Und auch irgendwie trauriger.

„Wir drehen uns im Kreis", sagte er irgendwann. Es war der Tag an dem ich Abreisen würde. Wir saßen in seinem Schlafzimmer, auf der Kante seines Bettes. Ich hatte gerade meine Sachen zusammen gesammelt und in meiner Tasche verstaut.

„Ich kann das so nicht mehr.", sprach er aus, was ich schon längst geahnt hatte.

„Aber wie soll es denn sonst sein?", fragte ich, obwohl ich die Antwort schon ahnte.

„Ich will, dass wir nicht nur ein Paar sind, wenn wir uns gerade mal ein Wochenende lang sehen. Ich will alles... oder nichts!" sagte er. „Willst du mit mir zusammen sein? Weil wenn nicht, sollten wir es vielleicht einfach sein lassen!"

Ich schniefte. Warum musste das gerade jetzt passieren. Mir war übel von dem was er sagte.

„Ich will nicht, dass es aus ist.", sagte ich kleinlaut. „Ich meine, vielleicht brauche ich einfach noch Zeit."

„Und die habe ich dir gegeben!", sagte Mik jetzt eine Spur lauter. „Wie lange läuft das jetzt schon so? Vielleicht habe ich einfach keinen Bock mehr dein Versuchskaninchen zu sein!"

„Aber du bist doch immer so cool damit umgegangen. Du hast mir geraten es nicht kompliziert werden zu lassen. In meinem Kopf.", sagte ich, ruhiger als Mik.

„Das war mehr ein Rat an dich, als meine eigene Taktik. Ich bin viel zu kopfig, auch wenn man mir das nicht immer ansieht. Ich liebe dich. Ich will mit dir zusammen sein. Aber das lässt du nicht zu. Und noch so ein Beziehungsungetüm wie mit Tommy halte ich nicht aus. Ich brauche endlich Klarheit. Auch wenn das bedeutet, dass es aus ist.", seine Stimme klang jetzt so zerbrechlich. Gerne hätte ich ihm gesagt, dass ich ihn auch liebte. Denn dessen war ich mir inzwischen fast sicher. Diese Gefühle waren aber so unter dem Druck der auf mir lag gedämpft, dass ich kaum Zugriff auf sie hatte.

„Wenn du es so nicht kannst, muss ich das wohl akzeptieren.", brachte ich krächzend heraus.

Mik sagte eine Weile nichts. Dann wurden seine Augen glasig.

„Also willst du mich nicht.", sagte Mik. Es war keine Frage. Eher eine Feststellung.

„Das ist es nicht. Aber ich glaube nicht, dass ich das kann.", sagte ich. Mir stiegen die Tränen in die Augen.

„Dann wars das.", sagte Mik. Auch er rang um Fassung, aber er versteckte das so gut er konnte.

„Können wir wenigstens Freunde sein?" fragte ich, doch meine Stimme brach bei dem Wort Freunde. Mik schwieg eine ganze Weile, bevor er antwortete.

„Wir könnten es versuchen.", sagte er schließlich.

Ich schluckte. Dafür, dass wir nicht zusammen waren, fühlte es sich aber schon ziemlich stark nach Schluss machen an. Ich hasste das.

„Du verpasst deinen Zug", sagte er und stand auf. Ich erhob mich auch. Wir einigten uns darauf, dass er mich heute nicht zum Zug brachte. Es würde alles nur noch schwieriger machen. Vor seiner Wohnungstür hielt ich inne.

„Machs gut Miki" flüsterte ich und streckte ihm die Hand zu einem unverbindlichen Handschlag hin. Nun lief ihm eine Träne über die Wange, die er energisch weg wischte.

„Komm her", sagte er leise, und zog mich ein letztes Mal an sich. Wir lagen uns in den Armen und weinten. Keiner von uns wollte diesen Bruch. Doch er musste wohl sein, wenn wir so unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft hatten.

Drei Tage später saß ich in der (Berufs-)Schule und tippte auf meinem Handy. Immer wieder verfasst ich Nachrichten an Mik, die ich dann doch nicht abschickte.

Dennis: Hey Mik wie geht's dir?

Dennis: Hey, was machst du so?

Dennis: Ich vermisste dich!!

Dennis: Können wir nachher nochmal reden? Ich glaube ich will...

Dennis: Ruf mich einfach heute Abend mal an, okay? Wir müssen reden.

Dennis: Kann es sein, dass ich noch ein paar Sachen bei dir liegen habe?

Dennis: Ich will dich nicht verlieren! :(

Keine dieser Nachrichten schickte ich ab. Doch immerhin konnte er sehen, dass ich an ihn dachte, wenn er online war.

Mik

Seit einer Viertelstunde stand auf meinem Bildschirm ‚Dennis schreibt', aber es erreichte mich keine Nachricht. Verfasste er jetzt einen Roman an mich, oder was? Vielleicht wollte er mir auch schreiben, fand aber nicht die richtigen Worte?

Oder er wollte mir schreiben ohne mir zu schreiben. Also nur zeigen, dass er mir gerne schreiben würde.

Ich begann meiner seits Nachrichten zu verfassen. Ich schickte sie ebenfalls nicht ab, aber Dennis sollte sehen, dass ich ihm ebenfalls gerne geschrieben hätte.

Mik: Denk doch einfach noch mal über die Sache nach.

Mik: Komm einfach zurück zu mir. Sei mein Freund. Es wird nichts passieren, außer dass du uns beide damit Glücklich machst.

Mik: Ich liebe dich.

Mik: Bleib bei mir.

Mik: Ich brauche dich doch!!

Diese Zeilen würde er niemals lesen. Wenn er sich doch nur nicht so festgefahren hätte. Dann wäre alles so einfach gewesen. Jetzt war es nur traurig, und verschroben und kaputt. Aber was sollte ich sagen? Gefühle lassen sich eben nicht so einfach abstellen. Und ich war verrückt nach meinem Babyboii.

Zwei Wochen später fiel mir auf, dass ich bereits Zugkarten für den Herbst gekauft hatte, um Dennis zu besuchen. Sie hingen an meiner Pinnwand und ich starrte sie von meinem Sofa aus an, unschlüssig was ich damit nun tun sollte.

Irgendwann im September. Das war noch eine Weile hin.

Vielleicht war es schon einen Versuch wert sich freundschaftlich zu treffen? Immerhin waren diese Tickets bezahlt. Vermutlich würde ich mich mit diesem Besuch nur selbst verletzen. Aber ich kannte mich. Ich war jemand der sich fast instinktiv selbst Schmerzen verursachte, wenn es um Herzensangelegenheiten ging. Irgendwie brauchte ich diesen Schmerz. Vielleicht würde ich dann auch besser darüber hinweg kommen, wenn ich sah, dass es wirklich vorbei war? Ich wusste es nicht, wollte es aber auch nicht wissen. Unterbewusst hatte ich mich sowieso längst entschieden. Ich wollte Dennis sehen. Auch wenn es schmerzhaft sein würde.

More than youthful curiosity - eine Kostory FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt