𝐹𝑜𝓊𝓇

259 16 8
                                    

Du und ich- wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.
- Mahatma Gandhi

𝙷𝚊𝚠𝚔𝚒𝚗𝚜, 𝙸𝚗𝚍𝚒𝚊𝚗𝚊: 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛 𝟷𝟿𝟾𝟺

Der erste Stoß kam, kaum dass Aspen sich umgedreht hatte. Aus dem Gleichgewicht gebracht stolperte sie rückwärts, die Schließfächer prallten hart gegen ihren Rücken. Um sie herum wurde es still, als hätte jemand die Lautstärke runter gedreht.

„Fick dich selbst, Tommy.", knurrte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie sich aufrichtete. 

Ihr Blick fixierte ihren Peiniger. 1.85m groß, rotes Haar und ein dreckiges Grinsen im Gesicht. 

Ein Lachen, als würde man Glas zerbrechen drang wie ein animalischer Laut aus seiner Kehle: „Ist das nicht eher dein Part, Hure?". 

Aspens Hände verkrampften sich um den Riemen ihrer Tasche. Sie zitterte unterdrückt, würde ihm aber nicht die Genugtuung verschaffen seinen Triumph zu bemerken. Es wunderte sie, dass er seinen Frust nicht schon früher an ihr Ausgelassen hatte. Tommy und Carol waren dafür bekannt sich gerne an Schwächeren zu vergreifen. Sadistisch langsam glitt sein Blick ihren Körper hinab, scannte jeden Millimeter von Aspen genauestens, obwohl es außer einem zu großen Pulli nichts zu sehen gab. Ein ekelhaftes Gefühl kroch trotzdem ihr Rückgrat hinauf, wie eine Schlange. 

„Lass es einfach gut sein, Tommy.", murmelte sie, sich bewusste, dass sämtliche Augen auf das Schauspiel gerichtet waren, dass sich gerade zutrug. Hawkins liebte Skandale und Abweichungen vom schnöde Alltag.


Nach einem Moment der Stille, in dem sie glaubte ihr eigenes Herz wie wild schlagen zu hören, wandte sie sich ab.

Und gerade als sie dachte Tommys Fängen entkommen zu sein, spürte sie die Hände an ihrem Rücken. Dieses Mal steckte er seine ganze Kraft in die Bewegung und riss Aspen von den Füßen. Einen Moment strauchelte sie, in der Hoffnung sich wieder zu fangen, doch der Stoß war zu hart gewesen. Ihre Hände lösten sich von dem Riemen, als sie diese schützend vor ihr Gesicht hob und versuchte den Schaden zu minimieren. Ein unterdrückter Schmerzenslaut brach zwischen ihren zusammen gepressten Lippen hervor. Aspens Körper schien zusammengestaucht zu werden, während sie hart mit dem Linoleumboden kollidierte. Ihr Kopf wurde ruckartig nach vorne geschleudert, ein rasender Schmerz schoss wie eine Kugel durch ihre Schulter hinauf in den Nacken. Nur Sekunden waren es, bis die Situation vorüber war. Keuchend starrte Aspen auf die feine Musterung des gelblichen Bodens, der nur Millimeter von ihrer Nase entfernt war. Ihre Pupillen waren vor Schreck geweitet, sie schien wie erstarrt. Nach einer gefühlten Ewigkeit in der sie alle anstarrten, begannen die ersten der Umstehend laut zu Johlen. Lachen hallte von den Wänden wieder, wie eine hängen gebliebene Schallplatte. Den pochenden Schmerz in ihrem Arm ignorierend, stemmte sich die Dunkelhaarige hoch. Ihr Blick blieb an einem Paar ausgelatschter weißer Chucks kleben, die größtenteils von einer ausgefransten Jeans verdeckt wurden. Jonathan hatte die Lippen zu einer schmalen Linie geformt. Seine braunen Augen waren ausdruckslos, als er Aspen damit fixierte. Sie erinnerte sich an eine Situation, in der Zeit als sie Hawkins noch ihr zu Hause nannte, die genauso abgelaufen war. Der einzige Unterschied war, dass sie damals die Hand angenommen hatte, die er ihr entgegen streckte. Dieses Mal ignorierte sie es, riss ihre Tasche an sich und stand selbstständig auf, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Aspens Knie waren weich, drohten einen Augenblick lang weg zu knicken, bis sie sich wieder gefangen hatte. Die Demütigung und Schmach loderte in ihrem Innersten wie ein unaufhaltsamer Waldbrand. Ihre Augen brannten, doch sie erlaubte sich keine Schwäche. Mit schnurgeradem Blick bahnte sie sich einen Weg durch die umstehenden Schüler, während sie Carols gehässigen Blick in ihrem Rücken spürte. Das hier war noch nicht durchgestanden und das wussten beide.

𝙸𝚗 𝚖𝚢 𝚕𝚊𝚜𝚝 𝚕𝚒𝚏𝚎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt