𝐹𝒾𝓋𝑒

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❝Aus Vertraulichkeit entsteht die zarteste Freundschaft
und der stärkste Hass.❝
- Antoine de Rivarol

𝙷𝚊𝚠𝚔𝚒𝚗𝚜, 𝙸𝚗𝚍𝚒𝚊𝚗𝚊: 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛 𝟷𝟿𝟾𝟺

Als Aspen einige Stunden später die Haustür zu ihrem aufschloss, hätte ihre Laune nicht besser sein können. In ihrem Magen waberte immer noch das warme Gefühl von gutem Tee umher und der federleichte Nachgeschmack der drei Muffins erinnerte sie an die ausgelassene Zeit mit Steve. Das erste echte Lächeln seit Tagen stahl sich klammheimlich auf ihre Lippen, während sie schwungvoll den Flur betrat. Doch ihre Heiterkeit nahm einen schnellen Abbruch, als sie das zweite paar Schlüssel in der dafür vorgesehenen Schale neben der Tür sah. Ihr Vater war früher zu Hause, als sie geplant hatte. 

Kaum hatte sie den Gedanken beendet, hallte bereits sein Stimme durch das fast leere Häuschen: „Aspen. Komm bitte sofort her!". 

Ein flaues Gefühl vertrieb abrupt die Erinnerungen an „Josie's Diner". Aspens Vater saß an dem kleinen Metallküchentisch, dessen Oberseite mit lindgrünem Vinyl überzogen war und hatte seine Augen unverwandt auf etwas vor sich gerichtet. Beim Nähertreten erkannte die junge Frau, dass es sich dabei um ein gefaltetes Stück Papier aus einem Collegeblock handelte.

Der durchdringende Blick von Peter Bishop richtete sich nun auf die verwirrte Miene seiner Tochter, bevor er ihr zu verstehen gab sich hinzusetzen. Mit einer selbstgefälligen Geste schob er den Brief in ihre Richtung. 

„Für Aspen" stand in geschwungener Handschrift auf der Außenseite und die Angesprochene erkannte sofort die vielen kleinen Schnörkel, mit denen Nancy den Anfangsbuchstaben ihres Namens verziert hatte. 

Sie wollte nach dem Stück Papier greifen, doch die Hand ihres Vaters schloss sich so fest um ihr Handgelenk, dass Aspen scharf die Luft einsog. 

„Was habe ich dir hundertmal gesagt, bevor wir hierher zurückgekommen sind?", schnaubte er bedrohlich ruhig, während er seine Tochter an der Hand ein Stück in seine Richtung zog. 

Die Tischkannte bohrte sich unnachgiebig in ihre Magengrube, doch noch gab Aspen keinen Laut von sich. 

Mit der freien Hand griff John nach dem Brief und zerknüllte ihn wutentbrannt in seiner Faust: „Dass du dich von dieser kleinen, dreckigen Wheeler-Schlampe fernhalten sollst!". 

Seine Hand donnerte auf die Tischplatte, so nah neben Aspens Gesicht, dass sie den Windhauch an ihrer Wange spüren konnte. 

„Und weißt du auch warum, Aspen? Weil sie deine Hure von Mutter dazu gebracht hat abzuhauen und mich einfach mit zwei Kindern sitzen zu lassen!", dass es Nancys Mutter, Karen Wheeler, gewesen war, die Loreley Bishop ins Gewissen geredet hatte, ihren Mann zu verlassen, machte für ihren Vater keinen Unterschied.

Plötzlich veränderte sich etwas in seinem Blick, Peters Griff wurde noch fester, während er sich so weit vorbeugte, dass Aspen die gelblichen Flecken auf seinen ungeraden Zähnen sehen konnte: „Aspen, Schätzchen. Du wirst dafür sorgen, dass Nancy Wheeler sich von dir fernhält, verstanden? Wenn ich noch einmal sehe, höre oder auch nur vermute, dass du dich mit diesem Miststück triffst, dann werde ich persönlich dafür sorgen, dass sie es bereut.". 

So schnell wie er gekommen war verschwand der Ausdruck berechnender Kälte aus den Augen ihres Vaters. Als er ihre Hand aus seinen Klauen entließ, zeichneten sich rote Striemen auf der blassen Haut ab. 

„Wie waren die ersten Schultage so? Hast du schon neue Freunde gefunden?", mit einem Mal war das wieder ihr Dad, der da vor ihr saß und sie mit ehrlichem Interesse musterte. 

𝙸𝚗 𝚖𝚢 𝚕𝚊𝚜𝚝 𝚕𝚒𝚏𝚎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt