Kapitel 18

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Staunend sehe ich mich um und fühle mich, wie ein kleines Kind an Weihnachten. Der Marktplatz strahlt gerade so vor Schönheit und an jeder Ecke kann man etwas Neues entdecken. Schon seit Stunden ziehe ich Alex über den Platz, von einer skurrilen Attraktion zur Nächsten. Mittlerweile hat sich seine anfängliche Euphorie in eine genervte Miene verwandelt und ich bin mir sicher er würde mich im Moment am liebsten Köpfen. Doch ich kann nichts dafür, ich bin nun Mal nicht häufig auf Reisen. Wenn ich ehrlich bin, war mein erster Flug überhaupt, der zum Ausbildungsplatz. Alles in Allem könnte man sagen, dass mein emotionales Gemüt gerade einem sechsjährigen Kind mit Zuckerschock gleicht. Lächelnd betrachte ich den Stand mit den geschnitten Holzfiguren. Auf den ersten Blick scheinen sie nichts Besonderes zu sein, doch wenn man einen längeren Blick riskiert entdeckt man ihr Geheimnis. Sie ändern ihre Form und erzählen so Geschichten. In einem Moment ist das Holz eine arme Bettlerin auf der Straße und schon im nächsten Moment verändert sich seine Gestalt und nun steht ein edler junger Mann vor der Frau und bietet ihr seine Hilfe an. Fasziniert betrachte ich das Schauspiel, welches ein Strahlen bei mir auslöst. Ich wusste gar nicht, dass es so viele schöne Dinge zu entdecken gibt. Die Welt steckt voller Überraschungen! Plötzlich entdecke ich etwas in meinem rechten Augenwinkel. Freudig quicke ich auf und ziehe zur Abwechslung einmal Alex hinter mir her. Wenige Sekunden später betrachte ich eine Auswahl an Süßigkeiten, aus allen Regionen, mit glitzernden Augen.

Zufrieden betrachte ich den Nachthimmel, an dem mittlerweile schon die Sterne leuchten. Die Stände sind um diese Zeit schon wieder verlassen und auch die Leute sind nach und nach verschwunden. Nur noch Alex und ich schlendern über den Platz. eine friedliche Stille liegt über uns und wir beide scheinen den Moment zu genießen. Keiner von uns will zurück ins Hotel und damit zurück in den Alltag. Auf einmal greift Alex nach meiner Hand und zieht mich sanft aber bestimmt in eine Richtung. Nach wenigen Schritten kann ich erahnen, was sein Ziel ist. Wir steuern direkt auf den Brunnen in der Mitte des Platzes zu. Lächelnd sieht er mich an und deutet auf das klare Wasser.
„Ich schätze du kennst die Legende?"
Ich nicke bedächtig und antworte: „Wenn eine Jungfrau einen Tropfen ihres Blutes in das Wasser fallen lässt, erfüllt sich ihr größter Wunsch."
Wortlos holt er ein kleines Messer aus seiner Jackentasche und reicht es mir. Vorsichtig nehme ich es entgegen und analysiere es. Das Messer besteht komplett aus Metall, um den Griff ranken sich Rosenmuster und die Klinge selber zieren wunderschöne Ornamente. Ich wende mich wieder meinen Begleiter zu und frage frech: „Woher willst du wissen, dass ich noch Jungfrau bin."
Er zieht nur eine Augenbraue hoch und erwidert: „Manche Dinge weiß man eben und jetzt wünsch dir endlich was."
Ich verdrehe die Augen, komme seiner Bitte jedoch nach und ritze mir leicht in eine Fingerkuppe. Kurz zieht sich der Schmerz durch meine ganze Hand, doch schon im nächsten Moment verfliegt er wieder. Vorsichtig halte ich meinen Finger über das Wasserbecken und lasse genau einen Tropfen der roten Flüssigkeit in den Brunnen fallen. Langsam verteilt sich das Rot, bis nicht mehr von ihm zusehen ist. Ich spüre wie Alex näher an mich heran tritt, was auch kein Wunder ist bei der Hitze, die sein Körper ausstrahlt.
„Verrätst du mir, was du dir gewünscht hast? Und komm mir jetzt nicht damit, dass du es mir nicht sagen darfst, weil der Wunsch dann nicht in Erfüllung geht, das gilt nur für Geburtstagskerzen", raunt er mir von hinten in mein Ohr.
Verlegen starre ich auf den Boden, bis ich schließlich sage: „Du weißt, dass das so nicht funktioniert. Nur dein sehnlichster Herzenswunsch wird erfüllt und nicht irgendetwas, das du dir gerade wünscht."
„Und was ist dein größter Wunsch."
Seufzend richte ich meinen Blick wieder zu den Sternen. Sollte ich es ihm sagen, oder hält er mich dann für verrückt? Verrückt, weil ich daran glaube, dass wahrer Frieden möglich ist. Verrückt, weil ich immer noch die Hoffnung habe, dass sich alle Völker vertragen können. Doch ich vertraue ihm und deswegen antworte ich ihm ehrlich.
„Was ich mir mehr als alles andere Wünsche ist, dass sich die Völker zusammen tun, sich vermischen und vertragen. Ich möchte, dass dieser ewige Kampf und Hass aufhört. Ich meine hier auf dem Markt versammeln sich doch auch viele verschiedene Völker und sind friedlich, wieso kann das nicht überall so sein?"
„Weil wir nunmal vor allem was uns fremd ist Angst haben, weil wir es nicht verstehen. Das ist übrigens ein schöner Wunsch. Was hast du sonst noch so für Träume?"
„Ich möchte gerne Reisen. Am besten so viele Spezies kennenlernen, wie nur möglich und vielleicht ein Buch über meine Erfahrungen schreiben. Und natürlich will ich die Ausbildung zur Schattenkriegerin absolvieren. Aber ehrlich gesagt, gerade da möchte ich einfach nur nicht auf den Mateball gehen müssen. Ich weiß nicht, ob ich schon dazu bereit bin mein ganzes Leben an eine Person zu binden. Ich habe Angst, dass ich meine Träume aufgeben muss, dabei will ich noch so viel erleben."
Alex dreht mich harsch an den Schultern zu sich und sieht mir fest in die Augen: „Ich habe versucht den restlichen Tag nett zu sein.Du weißt schon, wegen dem Freundschaftsding, aber das kann ich jetzt einfach nicht nett formulieren. Du bist absolut dumm, wenn du denkt, dass du deine Träume für irgendeinen dahergelaufenen Jungen aufgeben solltest, nur weil die Mondgöttin eure Schicksalsfäden irgendwie verknotet hat."
Ich seufze, weil ich weiß, dass er recht hat. Außerdem akzeptiert jemand der dich aufrichtig liebt doch deine Träume oder? Und ein Mate ist schließlich ein Seelenverwandter, also könnte es sogar sein, dass wir ähnliche Träume haben. Ich sollte mir einfach nicht so viele Gedanken darum machen. Die Mondgöttin wird schon wissen, was sie tut. Lächelnd blicke ich in Alex' tiefblaue Augen, in welchen sich das Mondlicht nur so spiegelt und sie damit zum Glänzen bringt. Eine kleine schwarze Haarlocke hat den Weg vor seine Augen gefunden und lässt ihn irgendwie verrucht aussehen. Definitiv ist Alexander der schönste Mann, den ich je gesehen habe.
„Und was wünschst du dir?", flüstere ich in die Stille hinein.
Er grinst mich an und erwidert: „Das wirst du wohl selber herausfinden müssen."
Empört plustere ich die Backen auf. Das ist echt nicht fair! Warum musste ich ihm von meinen Wünschen erzählen, wenn er nicht das Selbe tut. Wie als könnte er meine Gedanken lesen stupst er mit seinen Zeigefinger meine Nase an und sagt: „Weil die Welt nunmal ungerecht ist, Kleines."
Ich überlege kurz, ob ich jetzt eine große Diskussion darüber anfangen will, dass er genau deswegen ein besseres Vorbild sein sollte. Jedoch verwerfe ich den Gedanken schnell wieder, da ich diese ja sowieso nicht gewinnen würde. Schlussendlich wäre das nur verschwendete Energie, also drücke ich ihm stattdessen das kleine Messer in die Hand und meine: „Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann teile es wenigstens dem Brunnen mit."
Er schnaubt belustigt und verdreht seine Augen. Dennoch zieht er die Klinge über seine Handfläche und lässt sein Blut in das klare Wasser fallen.

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