Endlich war Jeff bei James angekommen. Beunruhigt sah er schon beim Hinauffahren der Auffahrt, wie die Überdachung des Hauseingangs brannte und dass die Holzverkleidung rund um die Eingangstür herum kokelte und schwelte. Dunkelbrauner Qualm vernebelte den Blick auf die Eingangstür und zog - beständig vom Wind angetrieben - quer an der rechten Hausfront entlang zum Nachbargrundstück hinweg. Von James war allerdings nichts zu sehen.
Eilig stieg Jeff aus und hastete zur Eingangstreppe. Ihm wurde sofort klar, dass er nicht durch die Tür ins Haus kommen wird. James hatte also tatsächlich Ernst gemacht gegen die Wespen. Denn das der alte McArthur von sich aus auf die Idee gekommen ist, das Wespennest in Brand zu stecken, glaubte er nicht. Dies sah eher nach der Handschrift seines energischen und hitzigen Freundes aus. Aber wo war James? Und wo William? Musste nicht wenigsten einer von ihnen das Abbrennen überwachen?
Jeff besah mit ratloser Miene den gesamten Schaden. Erst jetzt fielen ihm die vielen leblosen Wespen auf, die vor der Haustür oder auf der Eingangstreppe lagen. Manche davon waren dunkel geröstet. Er löste er sich von dem desolaten Anblick des einst schönen Eingangsbereiches und strebte nach rechts dem Plattenweg zu, der nach hinten führte. Vielleicht war jemand auf der Rückseite anzutreffen.
Während er dort hin ging, fiel ihm ein dunkles Brummen auf. Er war sich nicht sicher, wo es herkam. Es könnte ein Rasenmäher sein, den einer von James Nachbarn angestellt hatte. Aber Jeff war sich da nicht so sicher. Irgendetwas an diesem Geräusch kam ihm nicht geheuer vor.
Auf der Rückseite des Anwesens angekommen sah er sich weitläufig um. Aber auf den ersten Blick war niemand zu entdecken, weder im Garten, noch in Richtung des Schuppens hin.
„Hallo! James!", rief Jeff. Keine Antwort.
„Mr. McArthur? Sind Sie hier irgendwo?" Wieder keine Reaktion.Jeff schnaubte und blickte ratlos umher. Allmählich wurde ihm mulmig zumute. Was ist, wenn James bereits irgendwas passiert ist? Oder William? Sein Blick glitt zur Terrasse. Vielleicht waren die Beiden ja auch drinnen und warteten dort das Abbrennen des Wespennestes ab.
Eilig ging er auf die Terrasse und schritt zu der großen Fensterfront. Die Glastür war verschlossen. Jeff presste sein Gesicht mit den Händen an den Scheiben und sah durchs Wohnzimmer in den großen Flur. Sofort bemerkte er, wie das tiefe Brummen jetzt deutlicher zu hören war. Kam das etwa von da drinnen? Er wollte die Antwort lieber nicht wissen.
Eigentlich sollte er gegen die Scheibe klopfen, aber irgendwie traute er sich das nicht so recht.
Er wandte sich von dem Fenster ab und wollte zur Garage gehen. Vielleicht fand er ja dort Jemanden oder etwas, das ihm hier helfen konnte. Er hatte gerade den ersten Schritt nach links getan, als er mit dem Fuß gegen etwas stieß. Verwundert blickte er zu Boden auf einen mit Plane verhüllten Gegenstand, der beim morgendlichen Frühstück definitiv noch nicht dort gelegen hatte.Neugierig beugte Jeff sich hinunter, ergriff die Plane und schlug sie auseinander. Im nächsten Moment blickte er in das blasse zerstochene Gesicht von William McArthur, dessen tote Augen ihn hilflos anglotzten.
Erschrocken prallte Jeff zurück. Dabei stolperte er mit seinem rechten Bein rückwärts gegen den großen Blumentopf, der direkt neben der Glastür zur Terrasse stand. Durch das Anstoßen geriet er ins Taumeln. Den Gesetzen der Mechanik gehorchend vollzog sein Körper eine rückwärtige Bewegung nach links und fiel dann nach hinten in die Fensterfront. Bevor Jeff wusste, wie ihm geschah, krachte und klirrte es furchtbar laut und er fand sich im Inneren des Hauses auf dem Boden wieder.
Jetzt war das tief brummende Summen unfassbar laut zu hören. Mit Zittern im Leib stand Jeff hastig auf und wischte sich die Glasscherben von seinem Körper. Hektisch sah er sich um.
Er wusste gar nicht, woran er zuerst denken sollte. Was war mit William geschehen? Und was sollte dieses Summen?Er rückte seine Brille wie nebenbei zurecht und lief eilig in den Flur Richtung Haustür. Dabei rief er laut nach James. Als er ihn in der Nähe der Tür nicht sah, blickte er wie von selbst zur Treppe und zur Galerie der ersten Etage hinauf.
Abrupt erstarrte er. Sein Herz setzte kurz aus. Dort über der Galerie schwebte eine enorm große Wespe und sah in seine Richtung. Scheinbar war sie gerade erst auf ihn aufmerksam geworden.
‚Heilige Scheiße!', dachte Jeff ängstlich und begann erneut zu zittern. Er erfasste ihr seltsames Aussehen und verstand sofort. Jetzt wusste er, welche Auswirkungen die Insektenhormone auf die Wespen hatten. Jetzt sah er dies leibhaftig vor sich.
Die Riesenwespe hatte ihn scheinbar genug mit ihren seltsamen Knopfaugen beobachtet. Ohne Vorwarnung schnarrte sie plötzlich über das Geländer der Galerie und durch den hohen Flur nach unten auf Jeff zu. Der verängstigte Immobilienmanager geriet in Panik und stürzte kopflos zur Haustür. Er versuchte zu entkommen, aber es war zu spät.
„James!!!", schrie Jeff laut auf, als ihn das Ungetüm von hinten mit seinen klauenartigen Greifarmen packte und gegen die Tür knallte. Er weinte und schrie, als er die Bisse des Monsters in seinem Nacken spürte. Er jammerte, weil das ohrenbetäubende Gesumme so unendlich laut war und nicht aufhörte.
Inzwischen war James auf der Galerie erschienen. Nachdem er sicher war, dass die Wespenkönigin nicht mehr direkt vor der Tür zum Arbeitszimmer war, stürmte er hinaus, sobald er Jeffs Ruf gehört hatte.
Er erschrak, als er sah, dass Jeff unten im Flur von der Königin in Beschlag genommen worden war. Ihn fast vollständig bedeckend drückte sie ihn von hinten gegen die Haustür, penetrierte ihn mit Bissen und mit Kneifattacken ihrer Klauen.
Jeff bekam gar nicht mit, dass James im oberen Flur erschienen war. Gegen die Tür gedrängt, litt er Höllenqualen wegen der Drangsalierung durch dieses Monster. Im nächsten Moment fühlte er einen ganz starken Stich in seinem Körper, so als hätte ihm jemand eine enorm große Spritze verpasst. Mit tränenden Augen sah er an sich herunter und begann sogleich wieder etwas lauter zu schreien, als er den riesigen Stachel erblickte, der aus seinem Bauch herausragte und in der Tür steckte.
Jeff schloss die Augen und heulte nur noch. Er bemerkte bereits, wie seine Kraft schwand.
Ihm wurde schwindlig und er musste sich übergeben. Doch selbst das wollte ihm nicht mehr gelingen. Er fühlte ein starkes Dröhnen in den Ohren. Es kam nicht nur vom lauten Summen, wusste er. Es rauschte auch, weil Blut aus ihnen floss.Wage bekam er noch mit, wie die Wespe eines seiner Ohren abbiss. Aber das störte ihn nicht mehr. Er fühlte, wie sein Körper von einem starken Gift gelähmt wurde. Sein Geist erlahmte genauso. Der stechende Schmerz schien abzunehmen, doch allmählich verlor er auch die Sinne.
Schließlich spürte Jeff, wie eine gleichgültig machende Dunkelheit in ihm aufstieg, die ihn nach und nach einhüllte. Wenigstens wurde das schreckliche Gesumme jetzt immer leiser.
Kurz darauf hörte er nichts mehr. Dann fühlte er überhaupt nichts mehr.
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Das Summen
HorrorJames Winter ist ein erfolgreicher und von sich überzeugter Immobilienmanager, dem jedes Mittel recht ist, um Grundstücke teuer zu verkaufen. Trotz Bedenken seines Wissenschaftlers hat er sein eigenes Anwesen mit einem neuen Mittel verputzen lassen...