kapitel 6

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Es war nun Mittwoch. In der Schule benahmen wir uns, also Stacy und ich, wie immer. Innerlich knabberte ich aber an meinen Fingernägeln, ich wusste nicht was mit uns war. Und genau weil ich es wissen wollte, ging ich zu ihr nach Hause nach der Schule.

Ihr Haus war ungefähr so groß wie mein eigenes, die Fassade war beige und das Dach war schwarz. Gemeinsam betraten wir das Haus und ich war geschockt. Ich dachte ehrlich, dass ihr Haus super ordentlich sein würde, dabei war es das komplette Gegenteil. Verlegen sah sie auf den Boden und kratze sich am Hinterkopf. „Mein Bruder macht alles jedes Mal unordentlich. Wir haben aufgegeben es aufzuräumen", erklärte sie mir. Ich nickte einmal und schon kam ein kleiner Junge angerannt.

„Wer ist daaaas?", fragte er sehr laut. Ich stellte mich vor und der kleine war zufrieden. Anschließend erzähle mir Stacy, dass der Junge ihr Bruder Phoenix war. Er benahm sich nicht seinem Alter entsprechend, er war schließlich schon 15 Jahre alt. Kichernd gingen wir in ihr Zimmer. Im Gegensatz zu dem restlichen Haus war es komplett ordentlich. Es war schlicht eingerichtet mit weißen Wänden. Nahezu alles war weiß. Scheinbar mochte sie diese Farbe. Ich sah mich weiter um, fand aber nichts spannendes.

Nun fiel mein Blick auf die Zeichnung die über ihrer Kommode war. Sofort musste ich Lächeln, es war ein wunderschönes Gefühl. Stacy lenkte die Aufmerksamkeit auf sich in dem sie sich räusperte und signalisierte mir, dass ich mich auch auf dem Sofa setzen soll.

Zuerst war Schule das Gesprächsthema, aber ich hielt mich immer kurz. Mir brannte diese eine Frage so auf der Zunge, bis ich sie endlich aussprach.
„Was sind wir? Sind wir zusammen?"
Stacy schmunzelte und kam näher. „Wenn wir uns gegenseitig sehr mögen, gerne." Mittlerweile lächelte sie. Ich war nervös, ich kannte sie erst eine Woche. Wie sollte es funktionieren? Ich schlug vor, dass wir uns noch ein wenig Zeit geben. Wir befanden uns sozusagen in der ‚Kurz-vor-der-Beziehung-Phase'. Damit war ich einverstanden. In der Schule wie normale Freundinnen, privat fast wie ein Paar.

Einerseits war ich glücklich, andererseits nichts. Wenn ich mit ihr zusammen kommen würde, wäre es schwer es zu verstecken und jeder würde es erfahren. Das wusste ich.

Um 15 Uhr fiel uns ein, dass heute wieder die Selbsthilfe stattfindet. Demnach zogen wir uns wieder an und gingen das erste mal gemeinsam hin. Ich hatte das Gefühl, dass es mir besser ging. Dadurch hatte ich noch weniger Lust. Anders als letztes Mal saß Stacy neben mir. Sie war angespannt, nur warum wusste ich nicht. Ich versuchte vorsichtig ihre Hand zu streicheln. Als Reaktion bekam ich ein gequältes Lächeln. Ich hoffte, ich würde im Laufe der Gruppe den Grund erfahren.

Am Anfang gab es eine Art Befindensrunde, jeder sagte wie es ihm ginge. Ich sagte, dass es mir besser als letzte Woche ginge und Stacy meinte, dass es ihr gerade nicht gut ginge. Ich sah sie besorgt an. „Ich rede hier heute darüber", flüsterte sie mir zu. Ich nickte ihr leicht zu, parallel dazu drückte ich ihre Hand fester. Mittlerweile hielten wir Händchen.

Fast am Ende erzählte Stacy ihr Problem. Sie beobachtete vor ungefähr 2 Jahren wie ihr Vater mit einer anderen Frau als ihre Mutter ausging. Die beiden waren sehr zärtlich zu einander und am Ende landeten die beiden im Ehebett. Es belastete sie seit dem, ihr Vater wusste nicht, dass sie es sah. Stacy wollte es ihrer Mutter erzählen, aber damit hätte sie die Ehe zerstört. Mittlerweile ging er ihr nicht mehr fremd, aber sie hatte unendlich viele Schuldgefühle.

Nach der Sitzung nahm ich Stacy sofort in meine Arme. „Es tut mir leid für dich", flüsterte ich in ihr Ohr. Diese Schuldgefühle waren wohl Schuld an ihrer Selbstverletzung. Es tat mir sehr weh zu wissen, dass sie ihre Haut zerstörte. „Stacy, wenn du reden willst: Ich bin für dich da", ich küsste sie. Er war mit gemischten Gefühlen: Freude und Schmerz. Nach dem Kuss liefen wir in verschiedene Richtungen, da ich nach Hause musste.

Um zwei Uhr nachts lag ich immer noch wach. Ich wollte unbedingt schlafen, ich liebte schlafen. Also warum könnte ich es nicht? Ich nahm mein Handy und schrieb Jonas an. Er blieb immer lange wach, selbst wenn er um vier Uhr aufstehen müsste. Wir schrieben über alles mögliche, außer über die Liebe. Es machte mich sehr froh immer noch mit ihm befreundet zu sein. Erstaunlicher Weise machte es mich müde. Ich wünschte ihm eine gute Nacht und landete schnell im Reich der Träume.

Am nächsten Morgen hatte ich extrem verschlafen. Wenn die Schule um acht Uhr beginnt, man aber erst um halb zehn aufwacht hat man verkackt. Gestresst packte ich die Tasche, zog mich an, putzte die Zähne und aß. Wobei ich eher auf dem Weg zur Schule etwas in mich hineingestopft habe.

Total erschöpft kam ich im Klassenzimmer an. Ich musste eine kleine Standpauke über mich ergehen lassen und dann saß ich schon neben Stacy. Sie musste sich ein Lachen verkneifen. Ohne Worte kramte sie in ihrer Tasche rum und hob dann ein kleinen Taschenspiegel hoch. Meine Haare waren ungekämmt und sahen einfach schrecklich aus. Peinlich berührt zog ich mir die Kapuze hoch und hoffte niemand macht sich darüber lustig.

Ich kam relativ kurz vor der 2. Pause, darum bekam ich kaum Mathe mit. Zum Glück! Stacy und ich gingen mit Zopfgummi und Bürste zu einer Bank. Sie wollte unbedingt meine kurzen Haare flechten. Das Durchbürsten tat extrem weh, normalerweise sprühte ich ein wenig Wasser auf meine Haare. Als diese Qual endlich vorüber war begann sie meine Haare zu flechten. Es war unglaublich entspannend, ich liebte es wenn jemand meine Haare gemacht hat. Am Ende der Pause hatte ich einen geflochtenen Zopf. Stacy war offensichtlich stolz auf das Ergebnis, aber ich konnte es nicht sehen da es an meinem Hinterkopf war.

Die letzten zwei Stunden vergingen sehr schnell, weil ich mit Stacy gelabert habe. Wir beschlossen, dass ich morgen auf übermorgen bei ihr übernachten werde. Ich freute mich sehr darauf und konnte es kaum erwarten.

Nach dem RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt