Ein neues Tokkeh

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Keuchend und mit Staub und Dreck im Gesicht nähert sie sich Tokkeh.


Ein Trümmerfeld. Leise und bemitleidenswert. So hat Creyz das Dorf zurückgelassen. Kurz bevor Kanren Tane sie an die Front zur Grenze schickte.

Sie hob den Kopf nicht an, sah aber sofort eine Veränderung unter ihren klackernden Stiefeln. Die Asche auf den Wegen ist weg. Haben die Menschen die Initiative selbst ergriffen und aufgeräumt? Oder war es der Regen? Nein, der Regen könnte diese Menge nicht wegwaschen.

Creyz ist alt. Vor Allem jetzt, nach ewigen Kämpfen, Tag und Nacht, spürt sie ihre schweren Beine und ihren knackenden Rücken. Es ist ein seltsames Gefühl für sie. Sie ist 126 Jahre alt - in Top-Form, und erwartet auch weitere viele Jahre als legendärer Ninja leben und kämpfen zu dürfen. Aber ob legendär oder nicht, Kämpfe mit jungen, starken Soldaten wirken erschöpfend. Und sind belastend für die brüchigen Knochen.

Sie überlegt ob sie den Kopf heben soll. Nein, sie will ihn heben, kann es aber nicht. Sie hat kaum noch die Kraft zu laufen. Was solls, denkt sie sich, eine Kopfhebung bringt mich schon nicht zur Strecke.

Sie kniff ungewollt die Augen zu und ärgerte sich dann, dass sie es getan hat. Jetzt muss sie wieder einige Sekunden warten, bis ihre verschwommene Sicht nachlässt. Die Sekunden vergingen ewig, wie sie glaubt. Sie schauft. Sie erblickt Häuser. Keine Ruinen. Weiße Häuser. Nicht einmal Hütten. Es sind tatsächlich Häuser im Aufbau. Der frische Zementgeruch weht ihr ins Gesicht und der Wind zerzaust ihre struppigen Haare umso mehr.

Die Leute arbeiten ja! Creyz kann es beim ersten Mal hinsehen nicht glauben. Sie kneift nochmals die Augen zu, ihre Sicht wird wieder unscharf, dann wieder glasklar. Nein, es ist keine Einbildung.

"Was ist hier los?", fragt sie die einigen Bauarbeiter, die beschmutzte und fleckige Kleidung tragen. Sie arbeiten nicht den ersten Tag, stellt Creyz fest.

"Wir errichten Tokkeh wiederauf, Ma'am. Sagt mir, wisset ihr nichts vom Aufbau-Projekt?", sagt einer höflich und räuspert sich.

Creyz stellt fest, dass ihr erfahrener Anblick ihn zu dieser unnatürlichen Ausdrucksweise verleitet. "Sprich wie es dir bequem ist", sie seufzt.

Peinlich berührt sieht er kurz zur Seite, um dann wieder Blickkontak aufzunehmen: "Ja. Wir bauen Häuser"

"Selbstständig?"

"Nein, unter Befehl"

Creyz hat ein ungutes Bauchgefühl. Sie hat das Gefühl, etwas sehr Wichtiges ist hier passiert, seitdem sie an der Grenze kämpfte. Sie hat das Gefühl, etwas ist mit Tane geschehen. Ihr Chef. Etwas ist mit ihm.

"Wer ist euer Befehlshaber?", fragt sie. Ihr Bauchgefühl wird immer schlechter. Alles dreht sich. Ist es die Aufregung vor der Antwort? Oder schlichtweg ihre Übermüdung.

"Königin Serebra, Ma'am. SIe ist unsere Königin. Wisst Ihr das nicht? Wo kommt Ihr denn her?"

Creyz hat kein Gefühl mehr in ihrem Bauch. Oder ihrem Körper. Sie rattert den Satz immer wieder durch den Kopf: "Sie ist unsere Königin". Nach und nach puzzelt sich ein Bild zusammen von dem, was hier tatsächlich passiert sein könnte. Nein, die Arbeiter haben keinen Grund zu lügen. Was aber hat Serebra für einen Grund? Serebra? Die legendäre Königin des Schlangenreichs ist jetzt die Königin des Drachenreichs? Was ist mit Tane? Wo ist Tane?

Alle Antworten auf diese Fragen finden dich zunächst in dieser Frage:

"Wo finde ich sie?", fragt Creyz. Drauf achtend, neutral zu klingen, wie die Bauarbeiter.

I.ShanixWo Geschichten leben. Entdecke jetzt