(5) Glühende Eifersucht

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Da steht er also.

Der Barkeeper rückt sogleich in den Hintergrund, als ich sein hübsches Gesicht erblicke. Seine Haare wirken heute krauser, umspielen das hübsche Gesicht in leichten Wellen, welche sich deutlich von seinen harten Konturen abheben. Ich hätte nicht gedacht, dass der Fremde noch besser aussehen könnte, als damals bei unserem letzten zusammentreffen. Anscheinend habe ich mich geirrt. Er lächelt verschmitzt, währenddem er sich zu mir lehnt und mich kurz umarmt. Wie auch bei unserer letzten Begegnung riecht er kaum merklich nach Lavendel. Allerdings wird dessen zarter Duft von einem herberen, sehr männlichen, beinahe überlagert.

"Hey, Marie", spricht er mich lächelnd an, als er sich von mir löst: "Du hast es dir bereits gemütlich gemacht, wie ich sehe." Er nickt grinsend in Richtung meines noch unberührten Getränkes. Ich bejahe seine rein rhetorische Frage ebenfalls schmunzelnd, ehe ich schleunigst noch etwas hinzufüge und auf das volle Glas deute: "Aber getrunken hab ich noch nichts.."

Er lacht herzlich auf: "Na dann bin ich ja mal erleichtert. Alles andere ginge ja überhaupt nicht." Sein ehrliches Lachen steckt mich sogleich an. Ich hatte schon bei unserem letzten Zusammentreffen die Eingebung, dass er zu den offenen, extrovertierten Menschen gehört, wobei sein herzliches Verhalten mir gegenüber auch von unserer gemeinsamen Vergangenheit zeugen könnte. Ich bedauere, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann. So wie ich meinen Gegenüber einschätze, war sie bestimmt ereignisreich schön.

Dieser wendet sich gerade an den Barkeeper und fragt nach einem Getränk. "Wir können die junge Dame doch nicht so lange warten lassen. Oder?", fügt er schmunzelnd hinzu, während er auf mich deutet. Der Barkeeper jedoch sieh nicht gerade amüsiert aus. Viel eher gekränkt. Nüchtern zieht er eine Augenbraue hoch und betrachtet meinen Bekannten mit kritischem Blick. Dann wendet er sich wortlos von ihm ab und greift nach einer rötlichen Flasche, deren Inhalt er in ein kleines Glas schüttet. Ich vermute einen sehr stark alkoholisierten Likör dahinter, der mit seiner unschuldigen Süsse einigen Mädchen einen schlimmen Kater beschweren würde.

Meine Verabredung schaut hilfesuchend zu mir. Der Barkeeper hinter der Theke, hat es sich gerade zur Aufgabe gemacht Eiswürfel in einer Maschine klein zu schreddern - Und das mit solch einer Inbrunst  dass der "Ice crusher" beinahe vom Tisch gefegt worden währe, hätte er nicht eben noch seine Hand an das Tischende geschoben. Ich kommen nicht von dem traurigen Verdacht los, dass er den armen Jungen mit vollem Bewusstsein und durchaus willentlich ignoriert.

Ich zucke verhalten mit den Schultern, während ein verkniffenes Lächeln auf meinen Lippen erscheint. Meine Begleitung kann sich jedoch nicht auf meine aufmunternde Geste einstellen. Er kaut nachdenklich auf seiner Lippe herum und wendet sich wieder dem Barkeeper zu, der gerade aufbrausend nach einem Pfefferminzblatt greift und es grob zwischen seinen Fingern zerreibt, um es daraufhin in den bereitgestellten Drink zu pfeffern. Der Knabe scheint ja wirklich sehr erzürnt zu sein. 

Ich schaue irritiert auf meine Fingernägel. Hab ich was falsch gemacht? Nein ich glaube nicht. Seine freimütige Feindseligkeit scheint nur meinem Begleiter zu gelten. Als ich noch alleine bei ihm war, hat er sich blendend mit mir vertragen und sogar gescherzt. Davon ist jetzt allerdings nichts mehr zu sehen. Sein Gesicht zeigt eine Verschlossenheit, als hätte er sich eigenhändig eine Maske aufgesetzt, die keine Emotion durchdringen lässt. Sein eigentlich hübscher Mund hat sich zu in einen schmalen Strich transformiert.

Schlussendlich endet die Szene damit, dass der Barkeeper - wie heisst er eigentlich? - ein lilanes Getränk auf den Tresen ballert. Ein Teil der Flüssigkeit schwappt dabei über den Rand und hinterlässt eine klebrige Spur auf der Aussenseite des Glases. Mein Bekannter reagiert etwas überfordert: "Ähm Danke". Er dreht sich zu mir und fährt leise flüsternd fort: "Komm Marie, wir gehen lieber. Der da scheint einen ziemlichen an der Klatsche zu haben." Dabei kommt er mir so nah, dass sein Mund leicht mein Ohr streift. Spätestens jetzt kann ich nicht mehr leugnen, dass der Junge eine ausgesprochen anziehende Wirkung auf mich ausübt. Plötzlich habe ich das drängende Bedürfnis mich nach hinten zu lehnen, sodass mein Rücken an seiner Brust zum erliegen kommen würde. 

Doch ehe ich mich versehen oder genauer über diese Möglichkeit nachdenken kann, hat er auch schon nach meiner Hand gegriffen und zieht mich behände vom Barhocker. Er scheint es auf einmal ziemlich eilig zu haben. Mit einem Blick auf den Barkeeper, der ihn nun mit wütendem Starren straft, weiss ich auch wieso. Vielleicht wäre es doch nicht so schlau gewesen - vor ihm -mit meiner Begegnung Körperkontakt zu suchen. Ich will mir nicht ausmahlen, wie sein anheftendes Gegaffe sonst ausgefallen währe.

Meine Begleitung zieht mich hinter sich her durch das Getümmel. Mittlerweile wird die Tanzfläche schon rege besucht und wir müssen und uns an einigen Gästen vorbei quetschen. Es ist mir ziemlich unangenehm so viele Fremde ungewollt zu berühren. Bei dem Jungen vor mir, der mich meine Hand fest umklammert fällt und uns einen Weg durch die Feiernden bahnt macht es mir allerdings gar nichts aus von ihm angefasst zu werden. Ganz ihm Gegenteil. Seine Hand fühlt sich warm uns stark an uns vermittelt mir Sicherheit.

Er dreht sich zu mir um und schreit mir über die Menge etwas zu, ehe er mit seiner anderen Hand, in der er seinen Drink hält, auf das Ende des Raumes deutet. Ich verstehe kein Wort, nicke aber dennoch. Es würde doch nicht möglich sein ihn über den Lärm hinweg richtig verstehen zu können und ausserdem wollte ich aus dem Gedränge raus. Er lächelt mich mit einem verzaubernden Schalk in den Augen an, dreht sich dann wider nach vorne um und kämpft sich ans Ende des Raumes durch. 

Er scheint sich in diesem riesigen Haus wohl ziemlich gut auszukennen, denn als das Gedränge um uns weniger wird, bleibt er vor einer schlichten Tür stehen, drückt die Klinke mithilfe seines Ellenbogens hinunter und wir finden uns auf einem beträchtlichen Balkon wieder. Er ist beinahe so gross wie die Küche bei uns daheim, weshalb ich kurz Luft holen muss, ehe ich den Blick über das luxuriöse Mobiliar schweifen lasse. 

Das Geländer ist mit Girlanden geschmückt. Sie leuchten in sanften Rot-, Gelb- und Orange-Tönen die dem ganzen Konstrukt eine romantische Stimmung vermitteln. Diese wird zusätzlich vom Mond unterstützt, der ziemlich rund am Himmel thront und seinerseits sanftes Licht über uns legt. In der linken Ecke kann ich eine Sitzecke sehen, von der aus man bestimmt einen herrlichen Ausblick erleben würde. Ich möchte gerade Anstalten machen, auf die blauen Kissen zuzugehen, da fällt mein Blick auf meinen Begleiter zurück.

Er ist am Rand stehen geblieben und schaut schweigend auf das grosszügige Grundstück hinunter. Ich stelle mich ebenfalls schweigend neben ihn. Von hier aus hat man wie schon vermutet eine phantastische Sicht. Die Bäume unter uns rauschen leise im Wind und jetzt kann ich auch einen kleinen, künstlich-angelegten See im Garten ausmachen. Will ich überhaupt wissen, wie viel Geld die Besitzer in der Tasche haben?

"Weisst du", erhebt er unvermittelt und anscheinend in seine eigenen Gedanken vertieft seine Stimme. Sie klingt kratzig und leicht belegt: "Ich habe mir echt verdammt viele Sorgen um dich gemacht, als du plötzlich nirgends mehr aufzufinden warst." Nach einer bedrückten Pause, in der er mich aufmerksam mustert, spricht er eindringlich weiter. Dabei schaut er mir so tief in die Augen, dass mir beinahe etwas flau im Magen wird: "Ich weiss nicht wie viel Zeit ich an unserem gemeinsamen Ort verbracht habe, in der Hoffnung dich dort anzutreffen. Aber du warst nicht da."

Seine Stimme klingt nicht vorwurfsvoll, vielmehr bedauernd. Irgendwann während seinen Worten hat sich eine melancholische Stimmung über uns gelegt. Wir schauen uns wortlos in die Augen, da ich nicht weiss, was ich auf seine Offenbarung erwidern soll. Eigentlich kennen wir uns überhaupt nicht. Dennoch lassen seine braunen Augen eine unfassbar starke Vertrautheit in mir aufsteigen.

Ich will den Mund aufmachen und ihm sagen, dass es mir leid tut. Obwohl ich nicht weiss, was ich genau für einen Fehler begangen habe, empfinde ich ein Reuegefühl, wenn ich daran denke ihn einfach so zurückgelassen zu haben. Andererseits könnte es auch durchaus sein, dass ich zu ihm wollte bevor ich meine Erinnerung verloren habe und mich nicht mehr an ihn erinnern konnte.

Gerade als ich meine Stimme erhebe, werden wir jedoch in unserer Zweisamkeit gestört. Die  Balkontür öffnet sich und ein grosser, schlaksiger Typ tritt zu uns hinaus. Trotz seiner dünnen Statur kann ich Muskeln an seinen Armen feststellen. Er trägt ein dunkles Tanktop und sieht teils belustigt, teils ernst auf uns hinunter.

"Wusst ich's doch, dass ihr zwei euch aus dem Getümmel geschlichen und hier verkrochen habt."

Amnesie  - atme, lebe, verliebe dich, und das alles zum 2ten Mal.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt