(4) Was man nicht alles, für einen Drink, tut.

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Das Tor öffnet sich quietschend und ich höre gerade noch so, wie mir der Typ hinter der Sprechanlage ein einfaches 'Tschüs, bis später' nachruft, welches ich jedoch gekonnt ignoriere. Schliesslich wurde ich schon genügend lang von ihm aufgehalten.

Sicheren Schrittes schiebe ich mich durch das Tor, obwohl es nicht mal ganz geöffnet vor mir liegt und der dazugehörige Motor noch immer auf Hochtouren arbeitet, um das schwere Gewicht des Eisentores so schnell wie möglich in Bewegung zu setzen. So sicher, wie mein Gang auch aussehen mag, wenn ich einen Fuss vor den anderen setze um schnellstens ins Hausinnere zu gelangen, so unsicher fühle ich mich. Unter dieser Tatsache, wundert es auch nicht gross, dass ich nicht weiter auf die nähere Umgebung achte, sondern direkt zum Eingang haste.

Dort angekommen stelle ich genervt fest, dass ich nochmals klingeln muss, das ich nach einem kurzen Moment des Wartens schliesslich auch tue. Solange nicht wider der selbe Typ an der Sprechanlage steht und den Drang hat, mich auszufragen, ist mir das ziemlich Schnuppe.

Ich habe Glück.

Das Einzige, wonach der Man, am anderen Ende der Leitung, mich fragt, ist mein Name. Zugegebenermassen hätte es durchaus nettere Begrüssungen gegeben. Doch ich bin einfach nur froh nicht noch länger in der Kälte stehen zu müssen und trällere meinen Namen überaus motiviert ins Mikrophon:

"Ich bin Marie. Marie Braun."

Durch meinen unnormal, freundlichen Ton sichtlich überrascht, klingt die Stimme aus der Sprechanlage ziemlich überrumpelt:

"Ääh ja..." Ich höre leise Papier im Hintergrund rascheln. Anscheinend gibt es hier sowas wie eine Gästeliste, was mich angesichts des riesigen Grundstückes auf dem ich mich aufhalte, ehrlich gesagt auch nicht wundert. Die Familie hat eindeutig Geld.

"Komm rein."

Die Türe öffnet sich schwungvoll, die Stimme ist verstummt. Bevor das schwere Holzportal wider ins Schloss fallen kann, schiebe ich mein Bein zwischen das Scharnier und den Türrahmen. Gerade noch rechtzeitig. Nur leider hat, mein Mut dies zu verhindern, meinen armen Fuss gequetscht. Unter lautstarkem Fluchen, greife ich nach dem Türgriff und ziehe daran.

Mein Atem wird erst wider regelmässiger, als die Last von meinem Fuss weicht. Sogleich husche ich durch den schmalen Spalt, welcher entstanden ist und werfe, auf der anderen Seite angekommen, der Türe noch einen letzten, bösen Blick zu.

Vor mir führt eine steile Wendeltreppe nach oben. Ich muss leer schlucken. Dass dieses Haus gross ist, war mir schon von Anbeginn bekannt. Doch dass die Leute hier so reich sind, dass sogar ein Kronleuchter an der hohen Decke hängt, hätte ich beim besten Willen nicht erwartet. Ehrfürchtig, setze ich einen Fuss auf die unterste Stufe und begebe mich dann bedächtig auf den Weg ins obere Stockwerk.

Schon in der Hälfte der Treppe kann ich gedämpfte Stimmen und leise Musik wahrnehmen, ich glaube es ist Discofunk. Die altmodischen Klänge erfüllen mich, lassen mich entspannter werden. Schnell überbrücke ich, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die letzten Meter, ehe ich tief einatmend am oberen Ende der Treppe stehen bleibe. Meine Sorge, sogleich von allen Augenpaaren betrachtet zu werden, war umsonst: Ich stehe noch nicht mitten im Geschehen, hier oben kann ich lediglich einen Gang erkennen, in jenem ich mich auch gerade aufhalte.

Am hinteren Ende, steht eine säuberlich aufgestellte Pflanze, deren filigranen Blüten wohl schon sehr bald verblüht sein werden. Die Treppe, links der Pflanze, lasse ich ausser Acht. Stattdessen gilt meine Aufmerksamkeit einer grau melierten Türe. Bei genauerem betrachten, ist mir nämlich aufgefallen, dass die Musik hier oben deutlich an Lautstärke gewonnen hat. Insbesondere vor der eben genanntenTüre, kann man das leichte Dröhnen, des Discofunks gut hören.

Ich beschliesse kurz anzuklopfen, um dann, ohne eine Antwort abzuwarten, einzutreten. Die feiernden Leute, schenken mir keine Beachtung. Ich bleibe etwas  verloren im grossen Raum stehen. Die Türe hinter mir ist schon längst wider ins Schloss gefallen, wäre sie das nicht, könnte ich nicht dafür garantieren noch immer in diesem Raum zu verweilen. Ich fühle mich fehl am Platz. Die einzige Person, die ich von hier kenne, ist der Junge, welchen ich gestern noch getroffen habe und welcher mich dann schlussendlich auch eingeladen hat. Wobei ich mir noch nicht mal sicher sein kann, ihm in den letzten zwei Jahren meines Lebens nahe gestanden zu haben.

Ich lasse meinen Blick über die ausgelassene Menge schweifen. Viele stehen in kleinen Grüppchen zusammen und reden, einige tanzen bereits auf einer kleinen Fläche, in der Mitte des Zimmers oder  lassen sich an der Bar gefährlich aussehende Getränke mischen. Meinen alten Freund kann ich unter all den Leuten jedoch nicht ausmachen.

Nach kurzem überlegen mache ich mich zur Bar auf. Zu tanzen habe ich keine Lust und ich denke auch nicht, dass die Grüppchen sich so darüber freuen würden, wenn eine Fremde plötzlich ihren Gesprächen beitritt.

Der Barkeeper schenkt mir, entgegen der anderen Gäste, sofort seine Aufmerksamkeit. Leicht grinsend, wendet er sich mir zu und fragt mich, was ich trinken mag. Seine Haare hängen ihm in die Stirn, verdecken schon fast seine dunkelblauen Augen, seine Nase verleiht seinen Gesicht etwas zügelloses. Dennoch kommt er mir sympathisch rüber. Lächelnd bejahe ich seine Frage. Er greift nach einer roten Flasche, wirbelt sie in der Luft umher, ehe er sie stürzt und transparenter Alkohol in einen bereitgestellten metallenen Becher fliesst.

Ich gluckse leise: "Nicht schlecht, nicht schlecht."

Er erwidert mein Schmunzeln, lässt feine Lachfältchen rund um seine Augen entstehen. "Ich hab schliesslich auch genug lange geübt."

"Weshalb so viel Arbeit?", frage ich ihn schelmisch, als ich mir eine kurze Haarsträne hinters Ohr schiebe. Kurz wirkt er etwas verlegen, ehe er sich zu mir vorlehnt. Ich wende meinen Kopf so, dass mein Ohr nun direkt vor seinem Mund liegt. Er flüstert mir leise Worte zu und ich muss es mir verkneifen, laut los zu prusten.

"Du wolltest mich also damit...", ich deute auf den kleinen Mischbecher in seiner Hand, "...für dich gewinnen?"

Er lacht erheben: "Hat schon bei vielen geklappt. Öfter als du denkst."

Ich schüttle lachend meinen Kopf. Der Barkeeper lehnt sich erneut nach vorne: "Soll ich dir noch was verraten?..." Ich nicke noch immer schmunzelnd und kann dabei nicht genau einschätzen, was er jetzt genau von mir will. Ich von meiner Seite aus finde dieses Gespräch nämlich sehr unterhaltend, jedoch möchte ich nichts weiter von meinem Gegenüber als meinen langersehnten Drink. "....Die ganze Scheisse vorhin, von wegen, dass ich Mädchen mit meinem Können als Alkohol-Jonglierer beeindrucke: Das war alles nur eine Metapher. In Wahrheit war ich nämlich nur darauf aus, dich zum lachen zu bringen."

Er nimmt den Mischbecher in die rechte Hand, wobei er mir einen eindeutigen Blick zuwirft und gleichzeitig das leicht rötliche Gemisch in ein tiefes Glas einschenkt, welches er mir sogleich auf den Tresen stellt. Ich nehme es dankend an und proste ihm freundlich zu.

Noch immer etwas durch seinen Erläuterung irritiert, beginne ich zu grinsen. "Echt nicht schlecht...", gebe ich dann, nach kurzem nachdenken,von mir: "Ich würde mal behaupten deine Mission ist dir somit geglückt."

Er grinst selbstsicher, während er sich mit der Hand durch die unordentlichen Haare fährt: "Hab ich es doch gesagt."

Ich möchte ihm gerade antworten, als ich von hinten, an der Schulter angestupst werde und dabei einen halben Herzinfarkt erleide.

Amnesie  - atme, lebe, verliebe dich, und das alles zum 2ten Mal.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt