Augenverdrehend und total genervt, trete ich auf die menschenüberfüllte Strasse hinaus. Die Sonne steht, für diese Jahreszeit, ziemlich hoch am Himmel und brennt mir, schon ab der ersten Sekunde, im Nacken. Müde schaue ich zur Lichtquelle empor und möchte gerade etwas Energie tanken, als mein Name die Luft durchschneidet.
"Marie?"
Ich drehe mich verwirrt zu der Person um, die nach mir gerufen hat, um sie kritisch zu betrachten. Es ist ein Junge. Er ist ziemlich gross, eher schlaksig gebaut und hat Mokka-farbene Augen, welche beinahe in der gleichen Farbe erstrahlen, wie seine schulterlangen, leicht verschwitzten Haare. Allgemein sieht er ziemlich gut aus. Vor allem seine süssen Grübchen und seine braungebrannte Haut, die mich stark an Karamell erinnert, sind mir vom ersten Moment an, ins Auge gefallen. Der Typ vor mir grinst breit, als er mich in eine kräftige Umarmung zieht und mir leicht den Rücken tätschelt.
"Ääh Hey."
Ich bin, mit der Situation, masslos überfordert. Dennoch versuche ich so gefasst wie nur möglich rüberzukommen, weshalb ich dem Jungen vor mir ebenfalls meine Arme um die Hüfte schlinge. Er ist attraktiv und er scheint mich zu kennen -was will man mehr?- Zumindest kennt er mein früheres Ich, bevor die Scheisse mit der Amnesie begonnen hat. Mein Kopf liegt direkt an seine Brust gelehnt, währendem er sein Kinn auf meinem Kopf abstützt. Er duftet gut, auch wenn es mich etwas verunsichert, dass ein Junge Lavendel-Shampoo verwendet.
"Wir haben uns ja ewig nicht gesehen."
Er löst sich wider von mir und schaut mir lächelnd in die Augen. Ich erwidere das Lächeln, auch wenn es wahrscheinlich ein wenig verkniffen aussieht.
"Ja...ähmm...wirklich. Fühlt sich beinahe wie zwei endlos lange Jahre an."
Der Junge, mir gegenüber grinst verschmitzt. Ich habe keine Ahnung, warum ich mich so anstelle und ihn im Glauben lasse, ich könnte mich noch an ihn erinnern. Vielleicht, da ich Angst habe, dass er ansonsten nichts mehr von mir wollen würde. Aber hey, sobald ich mich mit ihm angefreundet habe, werde ich ihm die Wahrheit erzählen. Den ersten Tipp habe ich ja schliesslich auch gerade abgegeben. Na gut, vielleicht findet er, anhand einer Zahl, nicht direkt heraus, dass ich unsere komplette, gemeinsame Vergangenheit vergessen habe, aber wenigstens habe ich schonmal einen Anfang gemacht.
"Ein kleiner Scherzkeks, wie eh und je."
Der junge Mann, der mich anscheinend in den letzten zwei Jahren meines Lebens kennengelernt hat, lacht rau auf und wuschelt mir einmal wild durch die Haare, bis sie in alle Richtungen abstehen.
"Schade, dass du deine Haare nicht mehr pastellfarben trägst."
Für einen Moment stockt mir der Atem. Erstens, weil mein Kommentar eben, total ernst gemeint war und zweitens, da mir die Frage in den Kopf schiesst, wann, dass ich meine Haare bitte Pastellfarben trug! Ich schaue den Jungen vor mir perplex an, wie er verträumt eine meiner Haarsträhnen in die Finger nimmt, um diese dann, zwischen Daumen und Mittelfinger, zu zwirbeln.
"Äähm...ja", ist das Einzige, das ich heraus bringe. Mein Gegenüber hebt den Blick von meiner Strähne, um stattdessen in meine Augen zu schauen. Erst jetzt fällt mir auf, wie lang seine Wimpern überhaupt sind.
"Wo bist du die ganze Zeit gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht."
Seine Stimme klingt ein wenig anklagend, mal von der Trauer abgesehen, die ebenfalls mitschwingt. Sein Blick zeigt dieselben Emotionen. Ich bin verwirrt, wodurch ich lediglich ein simples Schulterzucken hinkriege.
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Amnesie - atme, lebe, verliebe dich, und das alles zum 2ten Mal.
Mysterie / ThrillerIch sei psychisch labil, sagen sie. Sie sagen, wenn ich mich genug anstrenge, werde ich mich an alles erinnern. An die letzten zwei Jahre meines Lebens... Und an den Jungen der mich anscheinend zu kennen glaubt... Atme, Lebe, verliebe dich. Und das...